Kammergericht:
Beschluss vom 5. Januar 2012
Aktenzeichen: 2 W 95/11
(KG: Beschluss v. 05.01.2012, Az.: 2 W 95/11)
1. Die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern nach § 142 Abs. 2 AktG zielt darauf ab, die tatsächlichen Grundlagen für mögliche rechtliche Konsequenzen - insbesondere: Ersatzansprüche der Gesellschaft - aufzuklären. Das Verfahren dient hingegen nicht dazu, eine zwischen den Beteiligten umstrittene Rechtsfrage zu klären.
2. Stehen die vom Antragsteller behaupteten Tatsachen unstreitig fest, so fehlt für einen Antrag nach § 142 Abs. 2 AktG das Rechtsschutzbedürfnis.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 22. Februar 2011 - 102 O 67/10 AktG - wird bei einem Verfahrenswert von 50.000,- Euro zurückgewiesen.
Gründe
A.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Anliegen weiter, die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers zu erreichen.
Die Antragsgegnerin ist ein Emissionshaus für geschlossene Fonds im Bereich der Erneuerbaren Energien in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Das Grundkapital von 123 Mio. Euro ist in 100.000 unverbriefte Stammaktien und 23.000 stimmrechtslose Vorzugsaktien unterteilt. Ein Anspruch auf Verbriefung besteht nach § 4 Abs. 2 der Satzung nicht.
Der Antragsteller ist einer der Gründungsgesellschafter der Antragsgegnerin. Er übernahm bei der Gründung 36.500 Stammaktien und 7.500 Vorzugsaktien. Bis zu seiner Abberufung am 8. Mai 2009, deren Gründe zwischen den Beteiligten streitig sind, war er zudem Vorsitzender des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin.
Im Jahr 2009 zahlte die spanische Gesellschaft W€ . (im Folgenden: W€ ) an die spanische Gesellschaft O€ . ein Honorar von 580.000 Euro für die Vermittlung von Photovoltaikprojekten. Die O€ . zahlte hiervon einen Betrag von 145.800 Euro an den Vorstand der Antragsgegnerin; letzterer leistete diese Summe später an die W€ € deren Geschäftsführer er ist € zurück. Zudem ist im selben Jahr auch von der C€ aus einer von der Antragsgegnerin zu leistenden Vergütung eine Rückzahlung in Höhe von 13.209 Euro erfolgt. Dieser Betrag wurde an die F€ gezahlt, deren Gesellschafter der Vorstand der Antragsgegnerin sowie deren Angestellter G€ sind. Jene Zahlung ist inzwischen rückabgewickelt worden. Etwa im Mai 2009 erfuhr der Antragsteller von den beiden genannten Zahlungen an den Vorstand der Antragsgegnerin und an die F€ .
Der Antragsteller veräußerte im Juli 2009 seine Vorzugsaktien und 3.800 Stammaktien an Herrn J€ . Die von ihm danach noch gehaltenen 32.700 Stammaktien bot er diesem Erwerber zugleich zum Kauf an. Mit Urteil vom 20.05.2011 (Az. 20 O 144/10) hat das Landgericht Berlin festgestellt, dass jene Aktien nicht aufgrund des Angebots auf Herrn J€ übergegangen sind. Dieses Urteil ist seit dem 02.08.2011 rechtskräftig.
Am 13.08.2010 fand auf Verlangen des Antragstellers eine außerordentliche Hauptversammlung der Antragsgegnerin statt. Der Antragsteller hatte beantragt, folgenden Beschlussantrag auf die Tagesordnung zu setzen: €Prüfung des Verdachts der Untreue zulasten der Gesellschaft und gegebenenfalls Erpressung zulasten von Vertragspartnern der Gesellschaft durch Forderung und Annahme von sog. Kick-Back-Provisionen von den Firmen O€ und C€ durch den Vorstand T€ und den Gesellschaftsangestellten G€ .€ In der Hauptversammlung wurde stattdessen zu TOP 5 folgender Antrag des Aktionärs M€ zur Abstimmung gestellt: €Es wird ein Sonderprüfer gem. § 142 AktG bestellt und beauftragt zu prüfen, ob und inwieweit der Vorstand T€ und der Gesellschaftsangestellte G€ im Jahr 2009 sog. Kick-Back-Provisionen von den Firmen O€ und C€ gefordert und angenommen haben und dadurch ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft und gegenüber diesen Vertragspartnern der Gesellschaft verletzt haben.€ Dieser Antrag ist ohne Ja-Stimme abgelehnt worden. Auch ein zu TOP 7 vom Antragsteller eingebrachter Antrag zur Bestellung eines Sonderprüfers €zur Prüfung der Frage, ob die Ausgaben der Gesellschaft für Rechts- und Steuerberatung im Jahr 2009 ordnungsgemäß waren€, war erfolglos.
In der ordentlichen Hauptversammlung der Antragsgegnerin am 22.01.2010 ist dem Vorstand einstimmig die Entlastung erteilt worden. Für den Antragsteller hat Herr J€ aufgrund einer umfassenden Stimmrechtsvollmacht dem Antrag auf Entlastung zugestimmt.
Der Antragsteller hat gemeint, die Ablehnung eines Antrags auf Bestellung eines Sonderprüfers durch die Hauptversammlung liege vor. Der Umstand, dass er selbst gegen den unter TOP 5 zur Abstimmung gestellten Antrag gestimmt habe, sei unerheblich, da es sich nicht um den von ihm gestellten Antrag gehandelt habe. Der Antragsteller hat behauptet, bei der W€ handele es sich um eine Tochter- oder Enkelgesellschaft der Antragsgegnerin, deren alleiniger Geschäftsführer der Vorstand der Antragsgegnerin sei. Ein Nachteil der W€ bewirke auch einen Nachteil der Antragsgegnerin. Daher und wegen der weiteren Zahlung der C€ an die F€ dränge sich der Verdacht auf, dass auch für die im Jahr 2009 angefallenen Rechtsanwalts- und Steuerberatungskosten Kick-Back-Provisionen verlangt worden seien. Der Schadensumfang und die geschädigten Personen müssten neutral ermittelt werden.
Der Antragsteller hat beantragt,
einen Sonderprüfer gemäß § 142 Abs. 2 AktG zur Prüfung folgender Vorgänge der Geschäftsführung der Antragsgegnerin zu bestellen:
1. Prüfung der Frage, ob der Vorstand T€ und der Gesellschaftsangestellte G€ im Jahr 2009 sog. Kick-Back-Provisionen von den Firmen O€ und C€ gefordert und angenommen haben und dadurch ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft und gegenüber diesen Vertragspartnern der Gesellschaft verletzt und sich hierdurch gegebenenfalls der Untreue sowie der Erpressung gemäß §§ 266, 263 StGB strafbar gemacht haben.
2. Prüfung der Ausgaben der Gesellschaft für Rechts- und Steuerberatung im Jahr 2009.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat gemeint, der Antrag scheitere bereits am fehlenden Nachweis der Aktionärseigenschaft des Antragstellers. Zudem könne er sich nicht auf eine fehlende Beschlussfassung auf der Hauptversammlung vom 13.8.2010 stützen, da er selbst gegen den Antrag auf Sonderprüfung zu TOP 5 gestimmt habe, ohne auf seinem eigenen ursprünglichen Vorschlag einer Beschlussvorlage zu beharren. Der Antragsteller wolle mit seinem Antrag vorrangig erreichen, dass ihn die Antragsgegnerin bei der Veräußerung seiner Aktien unterstütze. Zudem habe die Zahlung der O€ nicht auf der Ebene der Antragsgegnerin stattgefunden. Einer Sonderprüfung stünden im Hinblick darauf, dass die vom Antragsteller angeführten Tatsachen bekannt seien, überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls entgegen.
Das Landgericht hat den Antrag durch den angegriffenen Beschluss zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, der Antrag sei bereits unzulässig, da der Antragsteller seine Aktionärseigenschaft nicht hinreichend nachgewiesen habe. Zudem sei der Antrag unbegründet, da der Antragsteller keine hinreichenden Tatsachen behauptet hat, die den Verdacht von Unredlichkeiten oder von groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung begründeten. Der Antrag zu 2. sei von vornherein unbegründet, da es sich um einen reinen Verdacht ohne ausreichende Indiztatsachen handele. Mit dem Antrag zu 1. verfolge der Antragsteller vorrangig sachfremde Ziele. Ein Schaden der Antragsgegnerin, für dessen Geltendmachung eine Sonderprüfung die Grundlage bieten könne, werde aus den vorgetragenen Tatsachen zu den Zahlungen nicht ersichtlich. Auch personelle Konsequenzen wie eine Abberufung des Vorstands der Antragsgegnerin kämen nicht als Ziel der Sonderprüfung in Betracht, nachdem solche Konsequenzen in der Hauptversammlung vom Januar 2010 in Kenntnis des Sachverhalts nicht gezogen worden seien. Überdies fehle dem Antragsteller das Informationsbedürfnis, da die maßgeblichen Zahlungen ihm nach seinem eigenen Vortrag bekannt gewesen seien. Die Sonderprüfung bezwecke jedoch nicht, zu bekannten Sachverhalten Rechtsgutachten zu liefern oder die Erfüllung von Straftatbeständen zu prüfen. Die Ermittlung weiterer Geschädigter könne nicht Gegenstand einer Sonderprüfung sein. Die Aufdeckung weiterer möglicher Kick-Back-Zahlungen sei von dem Antrag nicht umfasst. Überdies habe sich der Antragsteller widersprüchlich verhalten, indem er den Sonderprüfungsantrag in der Hauptversammlung vom 13.08.2010 nicht unterstützt und über seinen Bevollmächtigten die Entlastung des Vorstands für das Jahr 2009 erteilt habe. Zudem habe der Antragsteller nicht in Abrede gestellt, dass er von der Antragsgegnerin Unterstützung bei dem Veräußerungsvorgang erwarte und er die Rechtsnachfolgerin der C€ in einem gegen die Antragsgegnerin gerichteten Rechtsstreit vertrete. In der Gesamtschau überwögen daher die Indizien dafür, dass der Antragsteller vorrangig sachfremde Ziele verfolge.
Gegen den ihm am 04.03.2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 04.04.2011 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verweist er darauf, das Landgericht habe seinen Antrag zu 1. falsch interpretiert. Es gehe ihm um die Prüfung der Frage, ob der Vorstand T€ und der Angestellte G€ im Jahr 2009 sog. Kick-Back-Provisionen von den Firmen O€ und C€ gefordert und angenommen, ob sie dadurch ihre Pflichten gegenüber der Antragsgegnerin und jenen Unternehmen verletzt und sich der Untreue und Erpressung strafbar gemacht hätten. Auf die Beauftragung dieser Unternehmen habe er im Übrigen keinen Einfluss genommen. Der Antragsteller habe seine Aktionärsstellung hinreichend nachgewiesen. Zur Beibringung einer notariellen eidesstattlichen Versicherung darüber, dass er bis zum Abschluss des Verfahrens gem. § 142 Abs. 2 S. 2 AktG die Aktien halten werde, sei er nicht verpflichtet; auf ein solches Erfordernis sei er auch nicht hingewiesen worden. Zudem habe er seine Verkaufsbemühungen mittlerweile endgültig eingestellt und wolle die Aktien behalten. Zum Antragserfordernis der Beschlussablehnung meint der Antragsteller, es genüge, dass sein Beschlussantrag auf der Hauptversammlung nicht zur Abstimmung gestellt wurde. Er habe substantiiert die Kick-Back-Zahlungen dargelegt; deren Annahme sei strafrechtlich als Untreue und Erpressung zu werten. Die Zahlungen seien ein Vorgang der Geschäftsführung, da sie allein auf den durch den Vorstand ausgeübten beherrschenden Einfluss der Antragsgegnerin auf die zahlenden Gesellschaften ermöglicht worden seien. Einen Schadenseintritt bei der Antragsgegnerin oder einer von ihr beherrschten Gesellschaft setze der Antrag nicht voraus; im Übrigen könne ein solcher nicht ausgeschlossen werden. Der Antrag sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Antragsgegnerin solle damit nicht zu einem von ihr nicht geschuldeten Verhalten veranlasst werden. Ob der Vorstand der Antragsgegnerin deren Aktionäre über den vom Antragsteller zur Prüfung gestellten Sachverhalt informiert hat, sei dem Antragsteller nicht bekannt; er bestreite die Erteilung dieser Information und halte sie für sehr unwahrscheinlich. Zudem differiere die rechtliche Bewertung des vorgetragenen Sachverhalts erheblich. Daher sei eine neutrale rechtliche Prüfung nach Ermittlung des vollständigen Sachverhalts unerlässlich, um eine korrekte Unterrichtung der Hauptversammlung zu ermöglichen. Eine solche könne bisher aufgrund der unterschiedlichen Rechtsauffassungen nicht erfolgt sein. Die Feststellung der Strafbarkeit sei im Hinblick auf die persönliche Eignung des Vorstands bedeutsam. Das Informationsbedürfnis des Antragstellers beziehe sich auf die rechtliche Bewertung der Vorgänge als Straftaten und/oder Pflichtwidrigkeiten und auf die neutrale Sachverhaltsermittlung. Dem stehe der Umstand, dass dem Antragsteller der Sachverhalt bereits aus Sicht der O€ und C€ bekannt sei, nicht entgegen. Der Antragsteller habe auch nicht widersprüchlich gehandelt, indem er den Antrag zu TOP 5 nicht unterstützt habe, da es gerade auf die Prüfung der Strafbarkeit ankomme. Die Entlastung für 2009 habe er nicht selbst erteilt; zudem dürften Parteien ihre Rechtsansichten ändern.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses vom 22.02.2011 zum Aktenzeichen 102 O 67/10 AktG gemäß § 142 Abs. 2 AktG einen Sonderprüfer zur Prüfung folgenden Vorganges der Geschäftsführung der Antragsgegnerin zu bestellen:
Prüfung der Frage, ob der Vorstand T€ und der Gesellschaftsangestellte G€ im Jahr 2009 sog. Kick-Back-Provisionen von den Firmen O€ und C€ gefordert und angenommen haben und hierdurch ihre Pflichten gegenüber der Gesellschaft und gegenüber diesen Vertragspartnern der Gesellschaft verletzt haben und sich hierdurch gegebenenfalls der Untreue sowie der Erpressung gemäß §§ 266, 253 StGB strafbar gemacht haben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung stützt sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen des Landgerichts in dem angegriffenen Beschluss. Der Antrag beruhe auf sachfremden Erwägungen; er sei daher rechtsmissbräuchlich. Der Antragsteller habe die Sonderprüfung erst verlangt, nachdem er mit seinem Mitgesellschafter J€ und der Antragsgegnerin in Streit geraten sei. Dieser Streit und das Bemühen des Antragstellers um eine Veräußerung seiner Aktien, nicht aber ein unzureichend aufgeklärter Sachverhalt, seien ursächlich für den Antrag. Der Antragsteller führe Rechtsstreitigkeiten gegen die Antragsgegnerin und habe Strafanzeige gegen deren Vorstand und weitere Gesellschafter erstattet. Die weitergeleitete Zahlung von 145.200 Euro (richtig: 145.800 Euro) sei für die W€ vorteilhaft gewesen. Zudem sei die Antragsgegnerin an der W€ wirtschaftlich nicht beteiligt, da eine zwischengeschaltete Treuhandgesellschaft die Anteile treuhänderisch für die Fondsanleger halte. Der im Antrag angesprochene Sachverhalt sei bereits im Jahr 2009 durch den Aufsichtsrat mithilfe externer Berater umfassend aufgeklärt und bewertet worden. Der Antragsteller sei zu keiner der nachfolgenden Hauptversammlungen erschienen und habe auch seinen Vertreter dort keine weiteren Fragen stellen lassen. Kein anderer Gesellschafter und kein Organmitglied der Antragsgegnerin sähen weiteren Aufklärungsbedarf. Der Antragsteller müsse sich so behandeln lassen, als läge kein ablehnender Beschluss der Hauptversammlung vor, da er die Annahme seines nur leicht modifizierten Antrags verhindert habe. Seine Aktionärsstellung habe er nicht hinreichend nachgewiesen. Das Feststellungsurteil des Landgerichts Berlin vom 20.05.2011 (Az. 20 O 144/10) betreffe nicht andere Verfügungen als diejenige aus dem Angebot an Herrn J€ ; insbesondere habe sich das Gericht nicht mit dem Zeitraum von 3 Monaten vor Antragstellung befasst. Zudem habe der Antragsteller nicht nachgewiesen, dass er die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag auf Sonderprüfung halten wird. Eine eidesstattliche Versicherung genüge unabhängig davon nicht, ob sie vor einem Notar abgegeben wurde oder nicht. Der (ursprüngliche) Antrag zu Ziffer 2 sei unbegründet, da es sich um reine Vermutungen des Antragstellers ohne Tatsachenvortrag handele. Der (nunmehr allein verbleibende) Antrag zu Ziffer 1 sei schon deshalb unbegründet, weil kein Schaden der Antragsgegnerin möglich sei, da deren Vorstand die Zahlung an die W€ weitergeleitet habe. Auch aus der Zahlung an die seinerzeitige C€ sei jedenfalls kein Schaden entstanden, da diese Zahlung rückabgewickelt worden sei.
Mit Beschluss vom 14.06.2011 hat das Landgericht entschieden, dass der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Zur Begründung verweist das Landgericht darauf, es könne dahinstehen, ob der Antragsteller seine Aktionärseigenschaft hinreichend dargetan hat. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da der Antragsteller einen weiteren Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Geschehensabläufe nicht substantiiert vortrage, sondern es ihm um die rechtliche Beurteilung gehe. Diese sei jedoch nicht Zweck der Sonderprüfung. Das Verhalten des Antragstellers erscheine zudem weiterhin widersprüchlich.
B.
I. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft und rechtzeitig binnen eines Monats eingelegt worden (§§ 142 Abs. 5 S. 2, Abs. 8 AktG, 63 FamFG). Die Maßgeblichkeit des FamFG für das hiesige Verfahren folgt daraus, dass dieses nach dem 31.08.2009 eingeleitet worden ist (Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-Reformgesetz). Das Kammergericht ist als das zuständige Oberlandesgericht zur Entscheidung berufen.
II. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg.
1. Der Antragsteller verfolgt in der Beschwerdeinstanz nicht mehr den ursprünglichen Antrag zu 2. (Prüfung der Ausgaben der Antragsgegnerin für Rechts- und Steuerberatung im Jahr 2009) bezogen. Soweit er aufrechterhalten wird, ist er mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Anträge nach § 142 Abs. 2 AktG setzen ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis voraus (Bezzenberger, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2008, § 142 Rn. 58; Mock, in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 142 Rn. 132; Schröer, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl. 2004, § 142 Rn. 63). Dieses fehlt hier, da die möglicherweise für zu ziehende Folgerungen bedeutsamen Umstände bereits bekannt sind.
a) Mit dem Antrag nach § 142 Abs. 2 AktG kann nur die Prüfung eines Vorgangs begehrt werden, der nach § 142 Abs. 1 S. 1 AktG Gegenstand einer von der Hauptversammlung angeordneten Sonderprüfung sein könnte (Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 142 Rn. 19). In Betracht kommt hier die Prüfung eines Geschäftsführungsvorgangs. Darunter ist der gesamte Verantwortungsbereich des Vorstands im umfassenden Sinne des § 77 Abs. 1 AktG zu verstehen. Hierzu zählen auch Zahlungen, die vom Vorstand veranlasst oder entgegengenommen werden. Als Hauptfall der Sonderprüfung sind tatsächliche Vorgänge anzusehen, aus denen sich Ersatzansprüche der Gesellschaft ergeben können; es genügen aber auch andere Folgen wie etwa der Widerruf der Bestellung (Hüffer, AktG, § 142 Rn. 2; Wilsing/von der Linden, in: Heidel, AktG, 3. Aufl. 2011, § 142 Rn. 3 f.). In jedem Fall zielt die Sonderprüfung darauf ab, die tatsächlichen Grundlagen für mögliche rechtliche Konsequenzen (Anspruchserhebung, Abberufung etc.) aufzuhellen.
b) Hieraus folgt, dass für einen Antrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn die vom Antragsteller behaupteten Tatsachen unstreitig feststehen. Dies ist hier, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der Fall. Über die tatsächlich erfolgten Zahlungen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Der Vortrag des Antragstellers, es gehe ihm um die rechtliche Bewertung der geschilderten Vorgänge als Straftaten und/oder Ordnungswidrigkeiten und darüber hinaus um €die einer solchen Prüfung vorgeschaltete neutrale Sachverhaltsermittlung€ (S. 3 des Schriftsatzes vom 07.07.2011, Bd. II Bl. 133 d.A.; s. auch S. 23 des Schriftsatzes vom 18.04.2011, Bd. II Bl. 29 d.A.) macht in keiner Weise deutlich, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn über die bereits bekannten Tatsachenabläufe hinaus € deren nähere Kenntnis aufgrund seiner Verbundenheit mit den daran beteiligten weiteren Unternehmen der Antragsteller einräumt € eine Sonderprüfung bringen könnte. Wie der Antragsteller selbst ausführt, geht es ihm in erster Linie um eine rechtliche Bewertung jener unstreitigen Zahlungsvorgänge, da diese rechtliche Bewertung zwischen den Beteiligten erheblich divergiere. Wieso dies darüber hinaus eine neutrale Ermittlung des bereits bekannten Sachverhalts erfordern soll, wird nicht erkennbar. Das Sonderprüfungsverfahren als ein Instrument des Minderheitenschutzes dient nicht dazu, eine zwischen den Beteiligten umstrittene Rechtsfrage zu klären. Hierfür stehen jedem Aktionär die Geltendmachung entsprechender Rechtsfolgen und die zivilgerichtliche Klärung der rechtlichen Bewertung im Rahmen der Durchsetzung solcher Forderungen offen; zudem kann er, um die strafrechtliche Bedeutung der bereits bekannten Tatsachen zu klären, Strafanzeige erstatten. Der Zweck des Sonderprüfungsverfahrens liegt in der Informationsverschaffung unabhängig von Vorstand und Aufsichtsrat (Jänig, Die aktienrechtliche Sonderprüfung, 2005, S. 201). Auch die in § 145 Abs. 1-3 AktG aufgeführten Rechte der Sonderprüfer hinsichtlich der Sachverhaltsermittlung zeigen, dass es bei ihrer Tätigkeit in erster Linie um die Aufklärung von Sachverhalten geht, die zur Grundlage für die Geltendmachung von Ansprüchen oder für die Herbeiführung bestimmter Rechtsfolgen durch die Gesellschaft dienen. Dies schließt es nicht aus, dass der Prüfbericht gem. § 145 Abs. 4 AktG auch die rechtliche Beurteilung einschließt; eine solche wird sogar regelmäßig vom Prüfungsauftrag mit umfasst sein (Bezzenberger, in: Großkomm. AktG, § 142 Rn. 31). Ist allerdings wie hier der Sachverhalt, der den Gegenstand der Sonderprüfung bildet, bereits abschließend aufgeklärt und bekannt, so ist kein Raum mehr für eine - dann zwangsläufig allein auf die rechtliche Beurteilung beschränkte - Sonderprüfung (so im Erg. auch Wilsing/von der Linden, in: Heidel, AktG, § 142 Rn. 32, die in solchen Fällen Unbegründetheit des Antrags wegen Rechtsmissbrauchs annehmen).
2. Es kann daher offen bleiben, ob der Antrag, wie das Landgericht meint, zudem auch mangels Nachweises der Aktionärseigenschaft gem. § 142 Abs. 2 S. 2 AktG unzulässig ist.
3. Der Antrag ist überdies, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, rechtsmißbräuchlich und damit unbegründet, da der Antragsteller mit ihm offenkundig sachfremde Ziele verfolgt. Er hat nicht darzulegen vermocht, dass eine Sonderprüfung irgendwelche Folgen haben könnte. Folgenlosigkeit lässt eine Sonderprüfung als rechtsmißbräuchlich erscheinen (Bezzenberger, in: Großkomm. AktG, § 142 Rn. 58; Hüffer, AktG, § 142 Rn. 8, 21; Schröer, in: MünchKomm-AktG, § 142 Rn. 97; Wilsing/von der Linden, in: Heidel, AktG, § 142 Rn. 32). Wie das Landgericht näher dargelegt hat, kommt ein Schaden der Antragsgegnerin nicht in Betracht. Zudem sind über die bereits bekannten und unstreitigen Tatsachen hinaus durch eine Sonderprüfung keine weiteren Tatsachen zu erwarten, die zu persönlichen Konsequenzen für den Vorstand führen können.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Der Wert ist auch für die Beschwerdeinstanz auf 50.000 Euro festzusetzen.
KG:
Beschluss v. 05.01.2012
Az: 2 W 95/11
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