Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 13. Dezember 2007
Aktenzeichen: 1 BvR 2532/07
(BVerfG: Beschluss v. 13.12.2007, Az.: 1 BvR 2532/07)
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
I.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die verfassungsprozessuale Behandlung einer bedingten Teilrücknahme der verfassungsrechtlichen Rüge.
1. Die Beschwerdeführerin war Inhaberin eines vom Deutschen Patent- und Markenamt erteilten Patents. Auf den Einspruch einer Wettbewerberin widerrief das Bundespatentgericht das Patent mangels erfinderischer Tätigkeit. Der Bundesgerichtshof wies die Rechtsbeschwerde zurück.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin unter anderem die Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, die sie auch mit eigenen Gehörsverstößen des Bundesgerichtshofs begründet.
Auf den Hinweis des Präsidialrats des Bundesverfassungsgerichts, es bestünden im Hinblick auf die unterbliebene Anhörungsrüge unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität Bedenken gegen die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, führte die Beschwerdeführerin aus, dass aus ihrer Sicht die Erhebung einer Anhörungsrüge zum Bundesgerichtshof nicht geboten gewesen sei. Gerügt werde nicht allein ein Gehörsverstoß des Bundesgerichtshofs, sondern auch des Bundespatentgerichts und darüber hinaus die Verletzung weiterer Verfassungsbestimmungen. Diese Verstöße hätten durch die Anhörungsrüge nicht beseitigt werden können. Auch sei die Notfrist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO von zwei Wochen unverhältnismäßig kurz bemessen. Hilfsweise und unter der Bedingung der andernfalls eintretenden Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde nahm die Beschwerdeführerin die Rüge der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG zurück.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie unzulässig ist.
1. Die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde beruht auf der fehlenden Rechtswegerschöpfung im Sinn des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG und dem hierin zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Vorliegend hat es die Beschwerdeführerin nämlich verabsäumt, gegen den von ihr angegriffenen Beschluss des Bundesgerichtshofs Anhörungsrüge nach § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 321a ZPO zu erheben. Dies wäre vom Standpunkt der Beschwerdeführerin jedoch veranlasst gewesen, wirft sie dem Bundesgerichtshof doch vor, selbst den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt zu haben.
Das Unterlassen der Einlegung des statthaften Rechtsbehelfs der Anhörungsrüge nach § 321a ZPO hat zur Folge, dass die Verfassungsbeschwerde nicht nur in Bezug auf die behauptete Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG, deren Heilung § 321a ZPO unmittelbar bezweckt, sondern insgesamt, also auch mit Blick auf die behauptete Verletzung weiterer Verfassungsbestimmungen unzulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25. April 2005 - 1 BvR 644/05 -, NJW 2005, S. 3059). Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen sich - wie hier - die behauptete Gehörsverletzung auf den gesamten Streitgegenstand des fachgerichtlichen Verfahrens erstreckt. Läge nämlich ein Verfahrensverstoß vor, würde das Fachgericht ihm abhelfen und das Verfahren fortführen, soweit dies aufgrund der Rüge geboten wäre (§ 321a Abs. 5 Satz 1 ZPO). Das Verfahren wäre mittelbar folglich auch in Bezug auf die behauptete Verletzung weiterer Verfassungsbestimmungen neu eröffnet; der Rechtsweg ist somit auch diesbezüglich nicht erschöpft.
2. Die Erhebung der Anhörungsrüge wäre der Beschwerdeführerin entgegen ihrem Vortrag auch angesichts der geltenden Notfrist von zwei Wochen nicht unzumutbar gewesen. Klage- und Rechtsbehelfsfristen sind gerade in mehrpoligen Rechtsverhältnissen wie Zivilrechtsstreitigkeiten von großer Bedeutung für die Rechtssicherheit. Dem Gesetzgeber kommt daher bei der konkreten Ausgestaltung der Fristbestimmungen die Befugnis zu generalisierenden Lösungen zu (vgl. BVerfGE 41, 323 <326>; 60, 253 <269 ff.>; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Losebl. Lfg. 42, Feb. 2003, Art. 19 Abs. 4 Rn. 235). Anhaltspunkte dafür, dass die Fristbestimmung des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO das Recht, den Rechtsweg zu beschreiten, aushöhlte und objektiv nicht ausreichte, um eine sachlich fundierte Gehörsrüge zu erheben (vgl. BVerfGE 8, 240 <247>; 49, 212 <216>; 77, 275 <285 f.>), sind weder aus sich heraus ersichtlich noch in geeigneter Weise vorgetragen.
3. Die Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht durch die hilfsweise erklärte Rücknahme der Gehörsrüge entfallen. Zwar ist die Rücknahme einer Verfassungsbeschwerde oder einzelner Rügen jedenfalls bis zur Entscheidung über die Annahme der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich unbeschränkt möglich (vgl. BVerfGE 85, 109 <113>; 98, 218 <242 f.>). Doch ist die Rücknahmeerklärung vorliegend unwirksam, weil sie mit einer unzulässigen Bedingung verknüpft wurde.
Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin hat die Rücknahme der Rüge der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG ausdrücklich und in nicht anders auslegbarer Weise (vgl. dazu BVerfGE 40, 272 <275>) von der prozessualen Bedingung abhängig gemacht, dass das Bundesverfassungsgericht eine vorherige Anhörungsrüge zur Ausschöpfung des Rechtswegs und zur Wahrung des Subsidiaritätserfordernisses für erforderlich hält. Sie hat die Rücknahme dieses selbständigen Teils ihrer Rüge folglich unter die Bedingung der andernfalls eintretenden Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gestellt. Die Rücknahme eines Rechtsbehelfs ist jedoch - nicht anders als seine Einlegung - nach allgemeinen Grundsätzen bedingungsfeindlich, weil sie als gestaltende Prozesshandlung aus Gründen der Rechtssicherheit keinen Schwebezustand verträgt (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; für die Zivilprozessordnung: BGH, NJW-RR 1990, S. 67 <68>; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 516 Rn. 9; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl. 2008, Grdz. § 128 Rn. 54; § 269 Rn. 24; § 516 Rn. 7; für die Verwaltungsgerichtsordnung: BVerwG, NVwZ 2002, S. 990 <991>; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Vorb § 40 Rn. 15; Vorb § 124 Rn. 25 f.; für die Strafprozessordnung: Löwe-Rosenberg/ Rieß, StPO, 25. Aufl. 1999, Einl. Abschn. J Rn. 27; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. 2007, Einl. Rn. 118; für die Arbeitsgerichtsbarkeit: BAG, NJW 1996, S. 2533 <2534>; für die Finanzgerichtsordnung: Gräber/Ruban, FGO, 6. Aufl. 2006, § 125 Rn. 6).
Die von der Beschwerdeführerin aufgestellte Rücknahmebedingung der andernfalls eintretenden Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde erfüllt auch nicht die Voraussetzungen der in Bezug auf bestimmte Prozesshandlungen als Ausnahme anerkannten innerprozessualen Bedingung. Voraussetzung hierfür wäre nämlich zumindest die Bezugnahme auf eine eigene oder von einem anderen Verfahrensbeteiligten unbedingt vollzogene anderweitige Prozesshandlung, auf eine Prozesshandlung also, die nicht an Bedingungen geknüpft ist und die eine sichere Grundlage für die Entscheidung bildet, falls die bedingte Handlung mangels Eintritts der Bedingung nicht Entscheidungsgrundlage sein kann (vgl. BGH, NJW 1996, S. 3147 <3150>; BVerwG, NVwZ 2002, S. 990 <991>). Vorliegend hat die Beschwerdeführerin die Teilrücknahme jedoch nicht vom Erfolg oder Misserfolg eines anderweitigen Antrags, sondern zirkulär von der Zulässigkeit und damit dem Erfolg des identischen Rügeantrags abhängig gemacht. Dies ist unzulässig. Um nämlich den Eintritt der Bedingung feststellen zu können, müsste das Bundesverfassungsgericht über die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde entscheiden, wodurch das Verfahren vorliegend beendet würde. Für eine Rücknahme ist dann kein Raum mehr.
4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
BVerfG:
Beschluss v. 13.12.2007
Az: 1 BvR 2532/07
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