Oberlandesgericht Bremen:
Beschluss vom 24. April 2008
Aktenzeichen: 4 WF 38/08
(OLG Bremen: Beschluss v. 24.04.2008, Az.: 4 WF 38/08)
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 06.02.2008 wird zurückgewiesen, soweit das Amtsgericht ihr nicht abgeholfen hat.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den von der Antragsgegnerin im vorliegenden Scheidungsverfahren gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie auf Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten zurückgewiesen. Unter (teilweiser) Abhilfe der hiergegen eingelegten Beschwerde hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten hat es abgelehnt mit der Begründung, dass es sich nicht um ein streitiges Scheidungsverfahren handele, so dass sie keiner anwaltlichen Vertretung bedürfe. Im Übrigen bestünden hinsichtlich der Tätigkeit des von ihr beauftragten Rechtsanwalts erhebliche standesrechtliche Bedenken im Hinblick darauf, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers durch Bürogemeinschaft verbunden ist.
II.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat die Antragsgegnerin auch bei einer einverständlichen Scheidung einen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts. Bereits die Vorschriften der §§ 78 II, 625 ZPO zeigen, dass nach der Absicht des Gesetzgebers im Regelfall beide Parteien anwaltlich vertreten sein sollen (Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rdnr. 433). Deshalb ist es für die Frage der Beiordnung unerheblich, ob und wie sich der Antragsgegner auf den Scheidungsantrag einlässt (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114 Rdnr. 42). Dennoch war die Beschwerde der Antragsgegnerin € soweit das Amtsgericht ihr nicht abgeholfen hat € zurückzuweisen.
Soweit die Beiordnung eines Rechtsanwalt in Betracht kommt, hat die Partei zwar grundsätzlich einen Rechtsanspruch darauf, dass das Gericht ihr den Anwalt ihres Vertrauens beiordnet (§ 121 ZPO). An diese Wahl ist das Gericht aber nicht gebunden, wenn der gewählte Rechtsanwalt nicht tätig werden darf (Baumbach/Lauterbach, ZPO, 66. Aufl., § 121 Rndr. 4; SchlHOLG, SchlHA 1982, 197). Einer der Verbotstatbestände ist in § 43 a IV BRAO, § 3 I Berufsordnung (BORA) normiert, wonach der Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten darf. Dementsprechend darf ein Anwalt auch im Rahmen einer einverständlichen Scheidung nicht für beide Ehegatten tätig werden (Hartung, FF 2003, 156, 157). Denn allein schon die unterschiedlichen Interessen der Eheleute bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs reichen für einen Interessenwiderstreit aus (Hartung, ebenda). Während sich das Verbot widerstreitender Interessen nach § 3 II BORA a.F. lediglich auf die Sozietät und auf die in sonstiger Weise (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeiter) zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbundenen Rechtsanwälte erstreckte, gilt das Tätigkeitsverbot nach der am 01.07.2006 in Kraft getretenen Neufassung des § 3 II BORA für alle Rechtsanwälte, die mit dem von dem Verbot betroffenen Rechtsanwalt in derselben Berufsausübung- oder Bürogemeinschaft verbunden sind, wobei die Rechts- oder Organisationsform ohne Belang ist. Obwohl es bei einer Bürogemeinschaft an einer gemeinschaftlichen Berufsausübung fehlt, unterliegen auch die in einer Bürogemeinschaft verbundenen Rechtsanwälte der Erstreckungsregel des § 3 II BORA, da nicht auszuschließen ist, dass jedes Gemeinschaftsmitglied jederzeit Kenntnis von den Mandatsvorgängen der anderen Gemeinschaftsmitglieder erlangen kann, andererseits § 3 auch Schutz vor Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gewährleisten soll (Feuerich/Weyland, Bundesrechtsanwaltsordnung, 7. Aufl., § 3 BORA Rndr. 11; Hartung, Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl., § 3 BerufsO, Rdnr. 104). Danach ist der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin gehindert, diese im vorliegenden Verfahren zu vertreten. Der Umstand, dass der Verfahrensbevollmächtigte nach dem Vortrag der Antragsgegnerin das Mandat von seiner Zweigstelle aus betreibt, rechtfertigt es nicht, ihn vom Tätigkeitsverbot auszunehmen. Die Antragsgegnerin hat selbst vorgetragen, dass für ihren Verfahrensbevollmächtigten bestimmte Schriftsätze immer wieder an die Adresse des Hauptsitzes der Bürogemeinschaft geschickt werden. Außerdem verfügt die Bürogemeinschaft einschließlich Zweigstelle lediglich über einen Telefonanschluss. Die Belange der Antragsgegnerin sind somit bei einer Vertretung durch ihren Verfahrensbevollmächtigten nicht hinreichend gewahrt.
Die grundsätzliche Erstreckung des Tätigkeitsverbots nach § 3 I BORA kann zwar nach § 3 II S. 2 BORA im Einzelfall entfallen mit der Folge, dass die Vertretung mehrerer Mandanten mit widerstreitenden Interessen innerhalb einer Gemeinschaft zulässig ist. Dies setzt jedoch voraus, dass sich die betroffenen Mandanten in den widerstreitenden Mandaten nach umfassender Information mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden erklärt haben und Belange der Rechtspflege dem nicht entgegenstehen. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass nicht nur die Antragsgegnerin, sondern auch der Antragsteller mit der Vertretung der Antragsgegnerin durch deren Verfahrensbevollmächtigten einverstanden sein muss. Aus dem Vortrag der Antragsgegnerin lässt sich aber nicht entnehmen, ob das nach § 3 II S. 2 BORA erforderliche Einverständnis des Antragstellers eingeholt worden ist. Eine Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin kommt daher nicht in Betracht.
OLG Bremen:
Beschluss v. 24.04.2008
Az: 4 WF 38/08
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