Landgericht Bonn:
Urteil vom 16. September 2004
Aktenzeichen: 14 O 107/04
(LG Bonn: Urteil v. 16.09.2004, Az.: 14 O 107/04)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien dürfen Sicherheitsleistungen auch durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstitutes bewirken.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Werbung, wie im Antrag wiedergegeben, in Anspruch. Er stützt den Unterlassungsanspruch auf folgende (angebliche) Wettbewerbsverstöße:
a. Die Werbung sei irreführend, indem plakativ herausgestellt werde: "bis zu 150% Zinsbonus". Ein Teil des angesprochenen Verkehrs verstehe das dahin, dass er 105 % Zinsen auf seinen Anlagebetrag erhalte (Seite 9 der Klageschrift), im Erfolgsfall der deutschen Nationalmannschaft 150% Zinsen mehr, als die, wie er meine, allgemein etwa üblichen Zinsen (Seite 2 der Replik = Blatt 77 der Akten).
b Es werde ein Gewinnspiel beworben; der angesprochene Verkehr werde mit einer Fußball-Wette zum Abschluß einer Festgeldanlage verleitet und könne hierbei eine höhere Verzinsung gewinnen. Die Hoffnung auf hohen Gewinn halte ihn, den Verkehr, von einer Prüfung der Angebote der Wettbewerber ab, die zum großen Teil lukrativer seien.
c. Die Teilnahme am Gewinnspiel sei abhängig von der Festgeldanlage und verstoße deshalb auch gegen §§ 3, 4 Nr. 6 UWG.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 , ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnunghaft bis zur Dauer von 6 Monaten es zu unterlassen,
in der an den Endverbraucher gerichtete Werbung wie nachstehend wiedergegeben für eine Festgeldanlage zu werben, wenn der Zinsbonus von dem Ergebnis eine zukünftig stattfindenden Sportereignis wie zum Beispiel vom Erfolg der Deutschen Nationalmannschaft bei der EM in Portugal abhängt:
-----Die Abbildung kann aus technischen Gründen nicht dargestellt werden.-----
2. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger 189,00 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.07.2004 (Rechtshängigkeit) zu zahlen.
Die Beklagte stellt den Antrag,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, zum Zeitpunkt der Auflegung des Angebotes seien 1,3 bis 1,5 % der marktübliche Zins für ein Festgeld von 6 Monaten gewesen. Die von dem Kläger herangezogenen Vergleichangebote seien solche der Direktanlage, über Internet vertriebene und solche, die zwecks Neukundenwerbung subventioniert gewesen seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen gewechselten Schriftsätze und von ihnen vorgelegten Urkunden verweisen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch gemäß §§ 8, 3, 5 UWG auf Unterlassung, wie sie Gegenstand des im Tatbestand wiedergegebenen Antrags ist.
Zu a.:
Die beanstandete Werbung ist nicht deshalb unlauter im Sinne von § 3 UWG, weil sie irreführend ist. Gemäß § 5 Abs. 2 sind bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbung irreführend ist, alle ihre Bestandteile zu berücksichtigen, insbesondere in ihr enthaltene Angaben, wie sie in § 5 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 UWG aufgeführt sind. Dabei ist die Sicht eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers maßgebend, der die Werbung mit einer der Situation entsprechend angemessenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nimmt (vergleiche BGH WRP 2004, 225, 226 - "Mindestverzinsung"). Verständige, durchschnittlich vorsichtige Anleger erkennen aufgrund der Erläuterungen der Beklagten in der angegriffenen Werbung, dass sich der "bis zu 150 % Zinsbonus" auf die garantierte Basisverzinsung bezieht. Der Sternchenhinweis bei dem Wort "Zinsbonus" führt den Anleger auf die Unterzeile, die klarstellt : "bezogen auf den garantierten Basiszinszins"; ein solcher Hinweis reicht aus. Ein weiterer Hinweis befindet sich bei der Darstellung der Entwicklung des Zinsbonus und - auf der letzten Seite des Antrages zu 1. - in der "Zinsübersicht Bonus Volltreffer", die für jede Konstellation die gewährten Zinsen darstellt. Damit wird der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher so präzise unterrichtet, dass er erkennen muß, dass und wie sich der Zinsbonus auf den Basiszins bezieht.
Zu b.:
Die Beklagte hat nicht unlauter dadurch gehandelt, dass sie Wettbewerbshandlungen vorgenommen hat, die geeignet waren, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch sonstigen unangemessenen, unsachlichen Einfluß zu beeinträchtigen (§ 4 Nr. 1 UWG).
Nach der Aufhebung von Zugabeverordnung und Rabattgesetz und dem gewandelten Verbraucherleitbild hin zu einem durchschnittlich informierten, situationsadaequat aufmerksamen und verständigen Verbraucher ist an die Stelle von grundsätzlichen Verboten bestimmter Verkaufsförderungsmaßnahmen wegen des Grundsatzes der Wettbewerbsfreiheit eine Art Missbrauchskontrolle getreten. Dabei stehen zum einen die Einhaltung des Transparenzgebotes und zum anderen die Sicherung der Rationalität der Entscheidung der Umworbenen im Vordergrund. (vergleiche Lettl BB 2004, 1914). Im Vordergrund stehen die Einhaltung des Transparenzgebotes und die Sicherung der Rationalität der Entscheidung der Umworbenen. Zum Transparenzgebot ist oben Stellung genommen worden.
Verkaufsförderungsmaßnahmen führen zu einer Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit von Marktteilnehmern auf der Marktgegenseite durch unangemessenen, unsachlichen Einfluss im Sinne von § 4 Nr. 1 Alt. 3 UWG, wenn sie die Rationalität der Entscheidung des durchschnittlich informierten, situationsadaequat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsadressaten vollständig in den Hintergrund treten lassen. Dieses kann insbesondere durch das sogenannte übertriebene Anlocken geschehen (Lettl a.a.O., 1914, 1915; BGH MD 2002, 1115 - "Kopplungsangebot I"- und 1109 - "Kopplungsangebot II" -). Der Referentenentwurf zur Neufassung des UWG spricht auf Seite 30 davon, dass die Rationalität der Verbraucherentscheidung ausgeschaltet werden muß. Aus der Einfügung des Wortes "unangemessen" soll folgen, dass nur systematisch begangene besonders verwerfliche Werbeformen erfaßt seien sollen (vergleiche Engels/Salomon, WRP 2004, 36).
Die Kammer, die selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört, kann die Frage des Anlockeffektes - wie auch oben zu a. der Täuschung - aus eigenem Wissen beurteilen. Sie hält den Anlockeffekt aufgrund eines Zinsbonus von 150% nicht annähernd für so stark, dass eine sachgerechte Prüfung von Geboten der Mitbewerber nicht stattfindet. Dabei hat sie folgendes berücksichtigt:
Die Möglichkeit, den Bonus zu erzielen, hing von den Erfolgen der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft ab. Der durchschnittlich informierte Kunde wußte, dass das Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft mit erheblichen Risiken behaftet war. Voraussetzung für die Erreichung des Viertelfinales war das Erreichen von Platz 1 oder Platz 2 in der Gruppe, der die deutsche Mannschaft zugelost war, zusammen mit den Niederlanden, der Tschechischen Republik und Lettland. Unter durchschnittlich Informierten galt diese Gruppe als schwere Gruppe ("Todesgruppe"). Die Leistungen der deutschen Mannschaft in der Qualifikation und in den Vorbereitungsspielen waren eher schwach. Unter Berücksichtigung des sowieso gegebenen Unsicherheitsfaktors bei der Vorhersage eines jeden Wettkampfergebnisses kam erhebliche Unsicherheiten, den Zinsbonus zu erzielen, klar im Raum. Der Zinsbonus in seiner höchsten Stufe (Gesamtzins: 3,25 %, 3,5% und 3,75 %) hätte folgender Beträge in absoluten Zahlen) gebracht:
Auf 2.500,00 : 24,38
auf 10.000,00 : 105,00
auf 50.000,00 : 562,50 .
Bezogen auf den Anlagezeitraum von einem halben Jahr und ein Kapital von 10.000,00 hätte die Anlage bei 1,9 % einen Mehrertrag von (1,9% - 1,4% = 0,5% =) 25,00 gebracht, in der Anlage bei einem der günstigsten Anbieter gemäß Börse online, Erhebung vom 23.04.2004, bei einem Zins von 2,2 % einen Mehrertrag von (0,8% =) 40,00 .
Der Mehrertrag, bezogen auf einen Kapitalbetrag von 50.000,00 und auf die Basisverzinsung von 1,5 %, hätte bei 1,9 % einen Mehrertrag von 100,00 und bei 2,2 % einen Mehrertrag von 175,00 erbracht (0,4% und 0,7%). Diese Zahlen zeigen:
Angesichts der oben dargestellten Ungewissheit, die für das Erzielen eines Zinsbonus nach den Bedingungen der Beklagten bestand, war der durch ihr, der Beklagten, Angebot ausgeübte Reiz nicht annähernd so, dass die Rationalität der Verbraucherentscheidung ausgeschaltet wurde. Derjenige Anleger, der 50.000,00 oder mehr anzulegen hatte, hätte sich sowieso sehr viel intensiver mit den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auseinandergesetzt. In diesem Fall dürfte eine mit Sicherheit höher verzinsliche Anlage näher gelegen haben, zumal jede Lottoannahmestelle Fußballwetten annahm.
zu c.:
Die Beklagte hat nicht unlauter gehandelt, weil sie die Teilnahme von Verbrauchern an einem Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht hat (§ 4 Nr. 6 UWG). Diese Vorschrift ist schon deshalb nicht einschlägig, weil es sich bei dem von der Beklagten angebotenen Zinsbonus nicht um eine von der angebotenen Primärleistung verschiedenes Gewinnspiel handelte, sondern um einen Teil der Primärleistung: Gegenstand des mit dem Anleger zu schließenden Vertrages sind Basiszins und Zinsbonus, Gegenleistung des Anlegers ist die Darleihe von Kapital auf die vereinbarte Zeit. War das Angebot des Zinsbonus Bestandteil der Leistung der Beklagten, ging es nicht um die Ablenkung von ihrem Leistungsangebot durch ein daneben veranstaltetes Gewinnspiel: Vielmehr bestimmt die (mögliche Gesamt-)Zinshöhe die Attraktivität des Leistungsangebotes der Beklagten im Verhältnis zu ihren Mitbewerbern und ist daher Bestandteil des Leistungswettbewerbs selbst (vergleiche BGH MD 2002, 995, 998 = MDR 2002, 1445 - "Gewinnspiel im Radio" -).
War die Abmahnung unberechtigt, hat der Kläger keine Geschäfte im Interesse der Beklagten geführt, so das ein Anspruch auf Abmahnkosten gemäß §§ 683, 670 BGB nicht besteht.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 Satz 1 ZPO.
Streitwert: 50.189,00
LG Bonn:
Urteil v. 16.09.2004
Az: 14 O 107/04
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