Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 14. Oktober 2002
Aktenzeichen: 6 W 102/02
(OLG Köln: Beschluss v. 14.10.2002, Az.: 6 W 102/02)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 05.09.2002 - 27 O 385/02 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahren hat die Antragstellerin zu tragen.
Gründe
Die in formeller Hinsicht einwandfreie, insgesamt zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung abgelehnt und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag abgewiesen. Dem Antragsteller steht der damit geltend gemachte Verfügungsanspruch auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die Ausführungen des Landgerichts in den Gründen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Danach kann der Antragsgegnerin die Verbreitung der zur Unterlassung begehrten Aussage jedenfalls deshalb nicht nach den allgemeinen deliktsrechtlichen Bestimmungen der §§ 823 ff, 1004 BGB verboten werden, weil sie sich insoweit auf ein den Belangen des Antragstellers im Streitfall vorgehendes Recht zur Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 GG) berufen kann, der in Frage stehende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers daher nicht - wie dies der Unterlassungstatbestand der §§ 823 ff, 1004 BGB aber fordert - als widerrechtlich zu qualifizieren ist. Das gilt selbst dann, wenn man die Aussage des Antragstellers nicht als eine Meinungsäußerung, sondern als eine Tatsachenbehauptung werten will. Denn auch Tatsachenbehauptungen genießen den Schutz des Grundrechts des Art. 5 Abs. 1 GG. Die Entscheidung, ob eine Tatsachenbehauptung persönlichkeitsbeeinträchtigenden Aussagegehalts vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt wird, und daher von dem durch sie in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen hinzunehmen ist, erfordert in der Regel eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch die Untersagung der Äußerung andererseits. Dem Wahrheitsgehalt der in Frage stehenden Tatsachenbehauptung kommt im Rahmen dieser Abwägung eine erhebliche Bedeutung zu. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. BVerfGE 97, 391/139; BVerfG NJW 1999, 1322/1324; BVerfG NJW 2009, 129/200 - jeweils m. w. N.). Der Antragsteller vermag sich mit seinem das Verbot der streitbefangenen Aussage verlangenden Unterlassungsbegehren danach nicht durchzusetzen. Die Antragsgegnerin hat mit der beanstandeten Aussage Bezug auf das vorangegangene Schreiben des Antragstellers vom 16.08.2002 genommen, in dem dieser eine zuvor abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung seines Mandanten vom 18.03.2002 als "..in Unkenntnis der Entscheidung des Landgerichts Ulm von 19.09.2001 unterzeichnet" ihrer sachlichen Reichweite nach einschränken wollte. Wenn die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang ausführt, dass der Antragsteller "...immer wieder wahrheitswidrig vortrage, indem er sich auf die nicht mehr bestehende Entscheidung des Landgerichts Ulm" berufe, ist das nach Vornahme der gebotenen Güter- und Interessenabwägung nicht als eine unwahre Tatsachenbehauptung einzuordnen, deren Verbreitung der hierdurch in seiner u.a. das berufliche Wirken schützenden Individualsphäre betroffene Antragsteller nicht hinnehmen müsste. Die beanstandete Aussage der Antragsgegnerin trifft vielmehr im maßgeblichen tatsächlichen Aussagegehalt zu. Denn die Entscheidung des Landgerichts Ulm vom 19.09.2001 (1 KfH O 205/01) ist in der Tat durch das Oberlandsgericht Stuttgart (Beschluss vom 17.10.2001 - 2 W 63/01 -) abgeändert worden und "besteht nicht mehr". Diese Abänderung betrifft entgegen dem vom Antragsteller verfochtenen Standpunkt auch nicht lediglich hier bedeutungslose Punkte, sondern gerade die in jenem Verfahren entscheidungserhebliche Frage, ob der in Frage stehende Bericht über Methoden der Faltenglättung u.a. durch Einsatz des Mittels B. als dem Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes unterfallende Werbung einzuordnen ist, was das Oberlandesgericht Stuttgart anders als das Landgericht Ulm in dem vorangegangene Beschluss bejaht hat. Soweit es das von ihm ausgesprochene Verbot auf zwei konkrete Aussagen bezogen hat, schränkte das die vorgenommene Einordnung nicht ein. Diese Maßnahme diente vielmehr lediglich der inhaltlichen Konkretisierung des Verbots, welches auf den "konkreten Werbeauftritt" der dortigen Unterlassungsschuldnerin ausgerichtet werden sollte. Dies hat das Oberlandesgericht Stuttgart in seinem Beschluss nicht nur ausdrücklich (vgl. S. 6 unten/7 oben), sondern auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der in jenem Verfahren beurteilte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht etwa in einem weitergehenden Umfang zurückgewiesen, vielmehr die dortige Antragsgegnerin mit den gesamten Verfahrenskosten belastet worden ist. Wenn die Antragsgegnerin vor diesem Hintergrund - wie in der verfahrengegenständlichen Aussage geschehen - ausgeführt hat, dass der Antragsteller "...immer wieder wahrheitswidrig vorträgt, indem Sie sich auf die nicht mehr bestehende Entscheidung des Landgerichts Ulm ....berufen", ist das nicht als im tatsächlichen Aussagegehalt unwahre Äußerung zu qualifizieren, für welche sich die Antragsgegnerin zu ihrer Rechtfertigung nicht auf das Recht zur freien Meinungsäußerung stützen könnte. Das gilt auch mit Blick auf die mit der in Frage stehenden Aussage behauptete Wiederholung des kritisierten Verhaltens des Antragstellers. Denn dass er nicht bereits auch in anderen Fällen - wie hier - auf die Entscheidung des Landgericht Ulm verwiesen habe, so dass insoweit eine objektiv unrichtige Aussage vorliege, trägt der Antragsteller nicht vor. Hiergegen spricht auch der von ihm verfasste Beitrag in Heft 1/2002 des "M. f. ä. C.", der sich ausschließlich mit der vorbezeichneten Entscheidung des Landgerichts Ulm befasst, ohne die jedenfalls im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beitrags bereits vorliegende Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart auch nur zu erwähnen. Die in Frage stehende Aussage bzw. ihre persönlichkeitsbeeinträchtigende Wirkung steht dabei auch nicht außer Verhältnis zu dem Interesse, welches die Antragsgegnerin mit ihrer Verbreitung verfolgt. Im Zusammenhang mit seinem hier betroffenen beruflichen Wirken hat der Antragsteller durchaus auch gravierendere Eingriffe hinzunehmen als dies bei Äußerungen mit Bezug zu seiner Privat- oder Intimsphäre der Fall wäre. Hinzu kommt, dass die inkriminierte Äußerung im Rahmen einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung mit dem Mandanten des Antragstellers in einem an den Antragsteller selbst adressierten Schreiben gefallen ist. Seinem Mandanten gegenüber hat es der Antragsteller aber selbst in der Hand, die in Frage stehende Aussage zu kommentieren und aus seiner Sicht "richtig zu stellen", was deren beeinträchtigende Auswirkungen zumindest beeinflussen kann. Alle diese Umstände abwägend, ist die zu beurteilende Aussage der Antragsgegnerin daher vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt und daher nicht widerrechtlich i.S. des Verletzungstatbestandes des § 823 BGB.
Soweit der Antragsteller sein Unterlassungsbegehren erstmals in der Beschwerdeschrift auch auf § 1 UWG gestützt hat, ergibt sich keine abweichende Würdigung. Dabei kann es dahinstehen, inwiefern diesbezüglich ein Verfügungsgrund vorliegt; ebenfalls offen bleiben kann es, ob auf Seiten der Antragsgegnerin das für die Anwendbarkeit der wettbewerbsrechtlichen Vorschrift des § 1 UWG vorauszusetzende Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vorliegt. Das alles bedarf hier deshalb nicht der Entscheidung, weil aus den oben dargestellten Erwägungen jedenfalls die sachlichen Voraussetzungen eines mit den Maßstäben des § 1 UWG unvereinbaren unlauteren Verhaltens - konkret einer wettbewerbswidrigen Geschäftsehrverletzung - nicht vorliegen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
OLG Köln:
Beschluss v. 14.10.2002
Az: 6 W 102/02
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