Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Oktober 2007
Aktenzeichen: 26 W (pat) 92/02

(BPatG: Beschluss v. 15.10.2007, Az.: 26 W (pat) 92/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die für die Dienstleistungen 38: Telekommunikation 39: Transportwesen; Post- und Versandwesen, nämlich Zustellung von Briefen und Infopost (Drucksachen)

eingetragene Wort-Bild-Marke 300 44 159 Grafik der Marke 30044159.2 ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren, für die Waren und Dienstleistungen Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Sendungsverfolgung durch elektronische Standortbestimmung der Waren und Güter sowie weitere unterstützende logistische Dienstleistungen wie die systematische Verknüpfung von Waren- und Informationsströmen (soweit in Klasse 39 enthalten); Briefdienst-, Frachtdienst-, Kurierdienstleistungen; Werbung; Marktkommunikation (Pressearbeit, Public Relation, Produktwerbung, Imagekampagnen) für andere; Geschäftsführung/Vermittlung und Abschluss von Handelsgeschäften für andere; Unternehmens-, Personal- und Wirtschaftsberatung; Finanzdienstleistungen; Finanzberatung; Immobilienwesen; Zollabfertigung für andere (soweit in Klasse 36 enthalten); Telekommunikation; Philatelie; Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung, Erstellung von technischen Gutachten; technische, gewerbsmäßige Beratung soweit in Klasse 42 enthalten; Druckereierzeugnisse (Waren aus Papier und Pappe), Buchbindeartikel, Schreibwaren, Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen, Schuhwaren; Spiele, Spielzeugeingetragenen Marken 396 36 412 Deutsche Post, und 395 40 404 Grafik der Marke 39540404.5 sowie aus der Gemeinschaftsmarke 000 798 900 die für die Waren und Dienstleistungen 16 Papier, Pappe (Karton), Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Buchbindeartikel; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Büroartikel, Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist.

36 Zollabfertigung für andere 39 Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Sendungsverfolgung durch elektronische Standortbestimmung der Waren und Güter sowie weitere unterstützende logistische Dienstleistungen wie die systematische Verknüpfung von Waren und Informationsströmen (soweit in Klasse 39 enthalten); Briefdienst-, Frachtdienst-, Kurierdienstleistungen Schutz genießen.

Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat sämtliche Widersprüche durch einen Beamten des höheren Dienstes zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, aufgrund der ausgeprägten Kennzeichnungsschwäche der Wortbestandteile "POST", "EURO" bzw. "MAIL" ergebe sich aus Rechtsgründen ein eng zu bemessender Schutzumfang der Widerspruchsmarken, die sich auf die schutzbegründende Eigenprägung beschränke. Die jüngere Marke weise demgegenüber mehrere Wortelemente auf, die sich zu einem ohne Weiteres als solchen erkennbaren Gesamtbegriff verbinden würden. Es sei kein Grund ersichtlich, warum der angesprochene Verkehr diesen Begriff willkürlich aufspalte. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr sei abzulehnen, weil den einzelnen Markenteilen "EURO", "POST" und "MAIL" jeweils keine eigenständige betriebliche Kennzeichnungsfunktion zukomme.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie vertritt die Auffassung, wesentlich für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr sei der Umstand, dass sich der Bestandteil "Post" für die Widersprechende im inländischen Markt als Kennzeichnung durchgesetzt habe; diese Durchsetzung müsse als amts- bzw. gerichtsbekannt vorausgesetzt werden. Die Bekanntheit gründe sich auf ein jahrzehntelanges Monopol. In diesem Zusammenhang verweist die Widersprechende auf zahlreiche Presseberichte und Umfragen aus den Jahren 2002 bis 2004 sowie verschiedene Gerichtsentscheidungen. Auch seien für sie ca. 580 Marken mit dem Bestandteil "Post" eingetragen. In der angegriffenen Marke sei der Bestandteil "EUROPOST" innerhalb der Gesamtmarke optisch hervorgehoben. Die weitere Wortfolge "COMMON MAIL" sei in ihrer Bedeutung "öffentliche Post" rein beschreibend; zudem sei sie in optisch kleineren Buchstaben unter "EUROPOST" platziert. Der Bildbestandteil trete ebenfalls optisch zurück und sei als Darstellung eines Briefumschlags nicht schutzfähig für Briefdienstleistungen. Bei Hervorhebung eines Bestandteils liege eine kollisionsbegründende Stellung nahe (unter Bezugnahme auf z. B. 28 W (pat) 163/94 - COMTESS und BPatG GRUR 1996, 284 - Fläminger). In der angegriffenen Marke werde der Bestandteil "POST" zeichenmäßig verwendet, weshalb sich die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht auf dessen Schutzunfähigkeit berufen könne. Selbst wenn klangliche, schriftbildliche oder begriffliche Unterschiede bestünden, liege jedoch eine komplexe Verwechslungsgefahr vor. Schließlich bestehe auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr aufgrund einer umfangreichen Markenserie der Widersprechenden. Hinsichtlich der widersprechenden Gemeinschaftsmarke "EUROMAIL" sei eine Verwechslungsgefahr aufgrund des gleichen Begriffgehalts zu dem Bestandteil "EUROPOST" in der angegriffenen Marke gegeben.

Die Widersprechende beantragt daher sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an. Weiterhin hat sie die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Rechtsbeschwerden im Löschungsverfahren "POST" sowie in drei Verletzungsverfahren (I ZR 108/05 "CITY CP POST", I ZR 111/06 "Regional Post Delmenhorst", I ZR 110/06 "TURBO P.O.S.T.") beantragt, weil in diesen Verfahren eine Entscheidung des BGH zur Frage des Schutzumfangs der Marke "POST" bzw. zur Verwechslungsgefahr mit jüngeren Marken, die ebenfalls den Bestandteil "Post" enthielten, zu erwarten sei.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, der Markenbestandteil "Post" der Widerspruchsmarken sei für sich gesehen schutzunfähig, weshalb bereits aus Rechtsgründen eine Verwechslungsgefahr ausscheide. Dies könne auch nicht durch die vorgetragene Verkehrsdurchsetzung geheilt werden. Die angegriffene Marke sei zudem aus mehreren Wortbestandteilen zusammengesetzt, von denen keiner die Marke allein präge. Auch die grafische Gestaltung habe einen unübersehbaren Abstand zu den Widerspruchsmarken.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden erweist sich als unbegründet. Zwischen der angegriffenen Marke und den Widerspruchsmarken besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erfolgen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren besteht, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Identität bzw. Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie der Art des beteiligten Verkehrs und dessen zu erwartender Aufmerksamkeit gegenüber Warenkennzeichnungen (EuGH GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd/Loints; BGH GRUR 2005, 513 - Ella May/MEY). Hiervon ausgehend ist in Bezug auf die drei verfahrensgegenständlichen Widersprüche folgendes festzustellen:

1. Widerspruch aus der Wortmarke 396 36 412 "Deutsche Post"

Die mit der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen sind mit den Dienstleistungen, für die diese Widerspruchsmarke eingetragen ist, weitgehend identisch und im Übrigen hochgradig ähnlich, so dass zum Ausschluss der Verwechslungsgefahr ein deutlicher Abstand der Marken erforderlich ist.

Bei Prüfung der Verwechslungsgefahr kann eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt werden. Diese besteht zwar nur aus dem glatt beschreibenden Begriff "Deutsche" und dem in der deutschen Umgangssprache geläufigen Begriff "Post", der geeignet ist, die Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, sowie den Gegenstand dieser Dienstleistungen ihrer Art und Gattung nach zu beschreiben (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

Das Wort "Post" diente bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der Widerspruchsmarke seit langem im allgemeinen inländischen Sprachgebrauch einerseits zur Bezeichnung einer Dienstleistungseinrichtung, die Briefe, Pakete, Geldsendungen und andere Gegenstände entgegennimmt, befördert und zustellt, andererseits zugleich als Sammel- und Oberbegriff für die von einer solchen Dienstleistungseinrichtung beförderten Güter, insbesondere für Schriftgut aller Art wie z. B. Briefe und Karten (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Auflage 1999, Band 7, S. 2975 f.). Diese Sprach- und Bezeichnungsgewohnheit, die dadurch begründet worden ist, dass die Beförderung von Schriftgut, Päckchen und Paketen über mehr als ein Jahrhundert allein durch staatliche Einrichtungen wie die Kaiserliche Post, die Reichspost und die Bundespost erfolgt ist, hat sich umgangssprachlich auch nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost und ihrer Umwandlung in das Unternehmen "Deutsche Post AG" erhalten. Auch heute noch wird zu beförderndes oder bereits befördertes und zugestelltes Schriftgut mit dem Sammelbegriff "Post" bezeichnet, selbst wenn die Beförderung durch andere Unternehmen als das der Antragsgegnerin erfolgt. Angesichts dieses beschreibenden Charakters fehlt der Bezeichnung "Post" für die fraglichen Dienstleistungen von Haus aus auch jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

Wegen ihrer Eintragung auf Grund von Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG ist im vorliegenden Widerspruchsverfahren - ungeachtet des beim Bundesgerichtshof anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahrens, das die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Eintragung im Rahmen eines Löschungsverfahrens zum Gegenstand hat - von ihrem rechtlichen Bestand sowie davon auszugehen, dass sie in Folge ihrer Durchsetzung die ihr entgegenstehenden Schutzhindernisse des § 8 MarkenG überwunden hat.

Marken, die auf Grund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden sind, weisen im Regelfall eine normale Kennzeichnungskraft und damit einen durchschnittlichen Schutzumfang auf (BGH GRUR 2003, 1040, 1043 - Kinder; GRUR 2004, 514, 516 - Telekom; Beschluss vom 19. Juli 2007 - I ZR 137/04 - S. 9 - Euro Telekom). Um bei solchen Marken von mehr als normaler Kennzeichnungskraft ausgehen zu können, bedarf es der Feststellung zusätzlicher besonderer Umstände, die eine solche Feststellung ausnahmsweise zu tragen geeignet sind. Solche zusätzlichen Umstände sind von der Widersprechenden weder vorgetragen noch nachgewiesen worden und auch sonst nicht ersichtlich.

Dass die zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung des von Haus aus beschreibenden Begriffs "Post" durchgeführten Verkehrsbefragungen hohe Grade der Zuordnung dieses Begriffs zum Unternehmen der Widersprechenden ergeben haben, die diese mit ca. 80 % angibt, vermag eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke allein nicht zu begründen. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass der für eine Verkehrsdurchsetzung erforderliche Grad der Zuordnung einer von Haus aus schutzunfähigen Bezeichnung zu einem einzelnen Unternehmen um so größer sein muss, je glatter diese Bezeichnung die fraglichen Waren und Dienstleistungen beschreibt. Handelt es sich um einen Begriff, der die fraglichen Dienstleistungen ihrer Gattung nach glatt beschreibt, kommen ein Bedeutungswandel von einer beschreibenden Angabe zu einer Marke eines einzelnen Unternehmens und damit eine Verkehrsdurchsetzung erst bei einem deutlich höheren Durchsetzungsgrad (BGH GRUR 2006, 760, 762 - LOTTO), der eine nahezu einhellige Verkehrsbekanntheit erkennen lässt (BGH a. a. O. - Kinder), in Betracht. Angesichts dieser Anforderungen an die Verkehrsdurchsetzung sind die von der Widersprechenden zum Nachweis einer erhöhten Kennzeichnungskraft der von Haus aus glatt beschreibenden Widerspruchsmarke geltend gemachten, aus den Verkehrsbefragungen ersichtlichen hohen Zuordnungsgrade - sofern sie überhaupt als zum Nachweis der Verkehrsdurchsetzung ausreichend anzusehen sind, was nicht Gegenstand der Prüfung des vorliegenden Widerspruchsverfahrens ist - bereits notwendig gewesen, um die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG zu überwinden. Sie können dann aber nicht noch ein zweites Mal zur Begründung einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke herangezogen werden, da dies einer "doppelten Belohnung" auf Grund ein und desselben Umstandes gleichkäme, was mit dem Wesen der Verkehrsdurchsetzung nicht vereinbar ist.

Zu Gunsten der Widersprechenden von einer durch Verkehrsdurchsetzung erworbenen durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des Bestandteils "Post" in der Widerspruchsmarke ausgehend besteht zwischen diesem und der angegriffenen Marke auch dann keine Verwechslungsgefahr, wenn die Marken für identische Dienstleistungen benutzt werden, weil die beiderseitigen Marken keine ausreichende Ähnlichkeit aufweisen.

Bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Merkmale zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten. Bei der Prüfung des Vorliegens von Verwechslungsgefahr bedeutet die Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken nicht, dass nur ein Bestandteil einer komplexen Marke zu berücksichtigen und mit einer anderen Marke zu vergleichen wäre. Vielmehr sind die fraglichen Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was allerdings nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH a. a. O. - THOMSON LIFE; BGH GRUR 1996, 404; 2006, 513 - Malteserkreuz).

Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs weisen die beiderseitigen Marken weder in schriftbildlicher noch in klanglicher oder begrifflicher Hinsicht eine Ähnlichkeit auf, die die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen der Marken begründen könnte. In ihrer Gesamtheit sind sie wegen der in der angegriffenen Marke enthaltenen zusätzlichen Bestandteile "EURO-" sowie "COMMON MAIL", die in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung finden, für den inländischen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Dienstleistungen ohne weiteres zu unterscheiden. Die Widerspruchsmarke enthält zudem den Bestandteil "Deutsche".

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden hat der Begriff "POST" innerhalb der angegriffenen Marke auch keine den Gesamteindruck prägende bzw. selbständig kennzeichnende Stellung inne. Vielmehr verbindet er sich mit den ihm vorangehenden Wort "EURO" - bereits aufgrund der Zusammenschreibung - auch und gerade wegen des beiden Einzelbestandteilen innewohnenden, leicht erfassbaren beschreibenden Begriffsgehaltes - zwanglos zu einem für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres erkenn- und erfassbaren Gesamtbegriff mit der Bedeutung "europäische Post". Insbesondere den Begriff "EURO" wird der Durchschnittsverbraucher schon deshalb nicht von dem ihm folgenden Begriff "POST" abspalten und vernachlässigen, weil er mit diesem nach Art eines zusammengehörigen Wortes - ohne Zwischenraum - zusammengeschrieben ist. Unter anderem auch deshalb unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem durch den Bundesgerichtshof in der Sache "Euro Telekom" zu beurteilenden Sachverhalt, in dem die angegriffenen Bezeichnungen als getrennte Wörter oder allein durch einen Bindestrich verbunden nebeneinander standen, so dass bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit die für mehrteilige Marken geltenden Rechtsgrundsätze Anwendung gefunden haben, während im vorliegenden Fall dem Verkehr in der angegriffenen Marke auf Grund der Zusammenschreibung der Bezeichnung "EUROPOST" ein Verständnis dieser Bezeichnung als ein einziges, zusammengehöriges Wort schriftbildlich und klanglich nahegebracht wird, dessen Aufspaltung nicht zu erwarten ist.

Auch dass das Wort "Post" auf Grund seiner Eintragung im Wege der Verkehrsdurchsetzung eine normale Kennzeichnungskraft und damit eine größere Kennzeichnungskraft aufweist als der in der Zusammensetzung weiterhin enthaltene Begriff "EURO", ist nicht geeignet, eine prägende oder selbständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils "POST" innerhalb der angegriffenen Marke zu begründen; denn auch schutzunfähige Begriffe können sich mit weiteren, kennzeichnungsstärkeren Markenteilen derart verbinden, dass sie den Gesamteindruck einer Marke maßgeblich mitbestimmen, wovon insbesondere in Fällen der Verbindung der einzelnen Markenteile zu einem einheitlichen Gesamtbegriff auszugehen ist (BGH GRUR 1998, 932, 933 - MEISTERBRAND; GRUR 2004, 783, 785 - NEURO-VIBOLEX/ NEURO-FIBRAFLEX), wie er bei der angegriffenen Marke hinsichtlich des Bestandteils "EUROPOST" feststellbar ist.

Letztlich trägt auch die weitere Wortfolge "COMMON MAIL" maßgeblich zur Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke bei. Zwar bedeutet dieser Markenteil in der deutschen Übersetzung "gewöhnliche Post" und enthält damit einen gewissen beschreibenden Begriffsanklang. Dies schließt jedoch seine Eignung, den Gesamteindruck der angegriffenen Marke maßgeblich mitzubestimmen, nicht von vornherein aus, da der Begriff nicht durchgängig in englischen Wörterbüchern ermittelt werden kann und als Sachaussage eher diffus erscheint, da unklar bleibt, was genau unter "gewöhnlicher Post" zu verstehen ist. Deshalb ist die Kennzeichnungskraft der Wortfolge "COMMON MAIL" jedenfalls nicht geringer zu bewerten als die Kennzeichnungskraft der ihr innerhalb der angegriffenen Marke vorausgehenden Bezeichnung "EUROPOST", die für die fraglichen Dienstleistungen einen beschreibenden Begriffsgehalt i. S. v. "europäischer Post" aufweist. Die Wortfolge "COMMON MAIL" trägt daher - obwohl sie in optisch geringfügig kleineren Buchstaben gestaltet ist - zur Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke bei. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zeichenteil "POST" in der angegriffenen Marke aufgrund einer markenmäßigen Hervorhebung als alleiniges Betriebskennzeichen hervortritt. Auch wenn der Bestandteil "EUROPOST" gegenüber "COMMON MAIL" in etwas größeren Buchstaben erscheint, resultiert daraus zwar eine gewisse blickfangartige Hervorhebung - diese betrifft indes "EUROPOST" als zusammengesetzten Begriff und wird den Verkehr keinesfalls dazu veranlassen, die weitere, optisch nicht in wesentlich kleineren Buchstaben gehaltene Wortfolge "COMMON MAIL" zu vernachlässigen, gerade auch wegen des nicht eindeutig beschreibenden Charakters.

Es besteht auch nicht die Gefahr von Verwechslungen unter dem Gesichtspunkt der gedanklichen Verbindung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG.

Diese Art der Verwechslungsgefahr hat zur Voraussetzung, dass der Verkehr, der die Unterschiede der Marken wahrnimmt und sie deshalb nicht unmittelbar verwechselt, auf Grund von Gemeinsamkeiten in der Markenbildung oder in prägenden Einzelteilen Anlass hat, die jüngere Marke (irrtümlich) der Inhaberin der älteren Marke zuzuordnen oder auf Grund dieser Umstände auf sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern, vor allem im Sinne einer gemeinsamen Produktverantwortung zu schließen. Ausschließlich assoziative Gedankenverbindungen, die zwar zu behindernden, rufausbeutenden oder verwässernden Wirkungen, nicht jedoch zu eigentlichen Herkunftsverwechslungen führen, werden von § 9 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 MarkenG nicht erfasst (EuGH GRUR 1998, 387, 389, Nr. 18 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 886, 887 - Bayer/BeyChem; GRUR 2002, 544, 547 - BANK 24).

In erster Linie hat der Verkehr dann Anlass, eine jüngere Kennzeichnung dem Inhaber einer älteren Marke zuzuordnen, wenn dieser den Verkehr durch die Benutzung einer Markenserie mit einem wiederkehrenden Stammbestandteil bereits daran gewöhnt hat, diesen Stammbestandteil als Hinweis auf sein Unternehmen zu verstehen. Für die Annahme, der inländische Durchschnittsverbraucher der hier maßgeblichen Dienstleistungen verstehe das Wort "Post" in einem rechtlich erheblichen Umfang auch dann irrtümlich als auf das Unternehmen der Widersprechenden hinweisenden Stammbestandteil, wenn es ihm in jüngeren Kennzeichnungen Dritter begegnet, fehlt es jedoch an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten, die den Verkehr zu diesem Schluss veranlassen könnten. Insbesondere ist aus dem Sachvortrag der Widersprechenden und auch sonst nicht ersichtlich, ob und wie lange und in welchem Umfang die Widersprechende welche der für sie eingetragenen Marken mit dem Wortbestandteil "Post" im Verkehr für die hier maßgeblichen Dienstleistungen benutzt hat. Allein die Tatsache der Eintragung einer Vielzahl von Marken, die als wiederkehrenden Stammbestandteil das Wort "Post" enthalten, ist nicht geeignet, das Verständnis des Verkehrs zu beeinflussen, da Marken dem Verkehr in der Regel nicht allein wegen ihrer Eintragung bekannt sind.

Zwar kann im Einzelfall auch ohne vorherige Benutzung einer Markenserie die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken bestehen. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn eine im Verkehr bekannte Marke bzw. Unternehmenskennzeichnung innerhalb einer mehrteiligen jüngeren Marke, ohne diese zu dominieren, eine derart selbständig kennzeichnende Stellung innehat, dass der durch das zusammengesetzte Zeichen hervorgerufene Gesamteindruck das Publikum glauben machen kann, dass die fraglichen Waren oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (EuGH a. a. O. Rdn. 30 ff. - THOMSON LIFE; BGH GRUR 1996, 267, 269 - AQUA). Eine solche selbständig kennzeichnende Stellung weist der Bestandteil "Post" der Widerspruchsmarke, bei der auch an dieser Stelle von durch Verkehrsdurchsetzung erworbener durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen ist, innerhalb der angegriffenen Marke jedoch nicht auf. Einer selbständig kennzeichnenden Stellung des Wortes "POST" innerhalb der angegriffenen Marke und einem daraus resultierenden Verständnis der angegriffenen Marke als weitere Marke der Widersprechenden wirkt vor allem der vorangestellt Zeichenteil "EURO" sowie die nachfolgenden Begriffe "COMMON MAIL" entgegen. Selbst wenn die Zusammensetzung "EUROPOST" als Hinweis auf ein europaweit agierendes Postunternehmen verstanden wird, spricht gegen eine Zuordnung der angegriffenen Marke zum Unternehmen der Widersprechenden der Umstand, dass der Verkehr an eine solche Markenbildung durch die Widersprechende, soweit für den Senat ersichtlich, bisher nicht gewöhnt worden ist und zum anderen von der "Deutschen Post" auch kein europaweites Angebot ihrer Dienste erwartet; mag es auch tatsächlich Lizenzvereinbarungen mit Postunternehmen anderer europäischer Staaten geben, was der Verkehr indes nicht weiß, der Bestandteil "EURO" lenkt daher von der "Deutschen Post" eher ab. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der inländische, angemessen aufmerksame Durchschnittsverbraucher auf Grund der seit Jahren andauernden und umfangreichen Berichterstattung in den deutschen Medien über den teilweise bereits erfolgten und demnächst vollständig abgeschlossenen Wegfall des Postmonopols gut darüber informiert ist, dass es zwischenzeitlich außer der Widersprechenden eine nicht unerhebliche Anzahl weiterer Anbieter von Postdiensten gibt, so dass er jedenfalls dann, wenn er einem Zeichen begegnet, das wie die angegriffene Marke neben dem Wort "POST" weitere, nicht nur die Dienstleistungen beschreibende, sondern kennzeichnend wirkende Bestandteile aufweist, die nicht auf das Unternehmen der Widersprechenden hinweisen, keinen begründeten Anlass hat, eine entsprechend gebildete Marke auch als eine solche der Widersprechenden zu verstehen. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem BGH-Urteil zu "Euro Telekom", da die Bezeichnung "Telekom" - anders als "Post" - erst nach der Privatisierung des Telekommunikationsbereichs durch ihre häufige Verwendung und nicht auf Grund eines vorangegangenen "Monopols" Verkehrsbekanntheit erlangt hat.

Weiterhin ist auch eine komplexe Verwechslungsgefahr bzw. Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn zu verneinen. Auch hierfür müssen besondere Umstände vorliegen, die auf wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen der Hersteller bzw. Anbieter schließen lassen. Auch hierfür wäre - mangels Markenserie der Widersprechenden - ein ähnlicher Markenaufbau bzw. der Eindruck der Spezifizierung der älteren Marke durch die jüngere Marke erforderlich. Hieran fehlt es aber vorliegend, da die Art der Zeichenbildung jeweils deutlich abweicht.

Der Widerspruch aus der Marke 396 36 412 kann daher keinen Erfolg haben.

2. Widerspruch aus der Wort-Bild-Marke 395 40 404 Für die Verneinung der Verwechslungsgefahr zwischen dieser Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke kann in vollem Umfang auf die zum Widerspruch zu 1. aus der Marke 396 36 412 "Deutsche Post" vorstehend getroffenen Feststellungen verwiesen werden, die hier in gleicher Weise zutreffen, zumal sich der Verkehr an dem Bestandteil "Post" in der Widerspruchsmarke als einzigem Wortbestandteil und damit kürzester Bezeichnungsform maßgeblich orientieren wird (vgl. st. Rspr; BGH GRUR 1996, 198, 200 - Springende Raubkatze; GRUR 2001, 1158, 1160 - Dorf MÜNSTERLAND; GRUR 2003, 1040, 1043 Kinder; GRUR 2004, 775, 776 - EURO 2000; GRUR 2006, 60, 62 - coccodrillo). Ergänzend ist noch anzufügen, dass gerade der Bildbestandteil in der Widerspruchsmarke im schriftbildlichen Vergleich zusätzlich zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr im Vergleich mit der angegriffenen Marke führt.

3. Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 000 798 900 Eine zwischen der Widerspruchsmarke "EUROMAIL" und den Wortbestandteilen "EUROPOST COMMON MAIL" der angegriffenen Marke bestehende Verwechslungsgefahr ist unter jedem denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen. Zum einen enthält der Begriff "MAIL" - im Gegensatz zum Begriff "Post", dem vorstehend eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zugebilligt wird - einen lediglich beschreibenden Begriffsgehalt als umfassende Bezeichnung für sowohl gegenständliche als auch elektronische Post und weist daher eine nur geringe Kennzeichnungskraft auf. Sämtliche Formen der unmittelbaren sowie auch der assoziativen Verwechslungsgefahr sind daher nicht nur bezüglich der Wortfolge "COMMON MAIL" in der angegriffenen Marke, bei der es sich zudem um einen Gesamtbegriff handelt, ausgeschlossen, sondern auch im Hinblick auf den Zeichenbestandteil "EUROPOST". Abgesehen davon, dass auch in dieser Wortfolge - unter Hinweis auf die vorstehenden Erwägungen zum Widerspruch aus dem Zeichen 396 36 412 "Deutsche Post" - ein Gesamtbegriff zu sehen ist, scheitert eine - sowohl unmittelbare als auch eine mittelbare - begriffliche Verwechslungsgefahr insbesondere daran, dass eine nach Auffassung der Widersprechenden bestehende begriffliche Übereinstimmung - wie sich bereits aus der oben erwähnten Begriffbestimmung ergibt - zwischen "MAIL" und "POST" zu verneinen ist. Der englische Ausdruck "MAIL" umfasst nämlich nicht nur die (gegenständliche) Beförderung von Briefen und sonstigen Sendungen sondern bezeichnet zugleich den elektronischen "Post"-Verkehr mittels Computer bzw. EDV (E-mail). Dieser komplexe Sinngehalt führt vom Begriffsverständnis von "Post" als Brief- und Paketbeförderungsunternehmen deutlich weg. Dass sich in den sich gegenüberstehenden Wortfolgen "EUROPOST COMMON MAIL" und "EUROMAIL" der beschreibende Bestandteil "EURO-" wiederfindet, führt angesichts der Kennzeichnungsschwäche nicht zu einer Zeichenähnlichkeit, zumal die weiteren Bestandteile beider Marken klanglich, schriftbildlich und begrifflich deutlich voneinander abweichen.

III Es besteht keine Veranlassung, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, einer der Verfahrensbeteiligten gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG die Kosten des Beschwerdeverfahrens ganz oder teilweise aus Gründen der Billigkeit aufzuerlegen.

Für die von der Widersprechenden gemäß §§ 82 Abs. 1 MarkenG, 148 ZPO beantragte Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des beim Bundesgerichtshof anhängigen Rechtsbeschwerdeverfahrens, das die Frage der Rechtsbeständigkeit der Marke 300 12 966 "POST", deren Löschung beantragt ist, zum Gegenstand hat, war kein Raum. Der Ausgang dieses Verfahrens ist für die Widerspruchsentscheidung nicht vorgreiflich, weil der Senat bei seiner Entscheidung den rechtlichen Bestand der Bezeichnung "POST" unterstellt hat und Feststellungen zu der Frage, ob diese Marke über eine normale oder eine gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügt, nicht Gegenstand des Löschungsverfahrens sind, so dass diesbezüglich auch keine rechtliche Aussage zu dieser Frage in dem beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren zu erwarten ist.

Auch die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Der Senat hat nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs über einen Einzelfall entschieden. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, weil nicht von Entscheidungen anderer Senate des Bundespatentgerichts oder anderer nationaler Gerichte abgewichen worden ist, sondern eine Einzelfallentscheidung anhand von tatsächlichen Gegebenheiten - insbesondere auf Seiten der angegriffenen Marke - getroffen worden ist, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten, in anderen, von der Widersprechenden zur Stützung ihrer Rechtsauffassung angeführten Entscheidungen ganz oder teilweise nicht vergleichbar sind.

Dr. Fuchs-Wissemann Reker Kopacek Bb






BPatG:
Beschluss v. 15.10.2007
Az: 26 W (pat) 92/02


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