Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 10. Mai 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 33/09

(BGH: Beschluss v. 10.05.2010, Az.: AnwZ (B) 33/09)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmitttels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit dem 23. August 1999 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 18. Juli 2008 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung wegen Vermögensverfalls. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen Beschwerde will der Antragsteller weiterhin die Aufhebung des Widerrufsbescheides erreichen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO). In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.

1. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Anwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 14. April 2007 - AnwZ (B) 6/06, Rdn. 5 m.w.N.).

2. Im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung, am 18. Juli 2008, waren diese Voraussetzungen erfüllt.

a) Gegen den Antragsteller wurde wegen insgesamt fünfzehn titulierter Forderungen die Zwangsvollstreckung betrieben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Feststellungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Zu den Vollstreckungsaufträgen und den diesen Aufträgen zugrunde liegenden Forderungen hat der Antragsteller - bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides - auch im Verfahren der sofortigen Beschwerde nichts Erhebliches vorgetragen. Er bestreitet zwar, dass es die im angefochtenen Beschluss näher behandelten fünfzehn Vollstreckungsaufträge gegeben habe, bezieht sich insoweit aber ohne Darlegung von Einzelheiten nur auf die "der Rechtsanwaltskammer im Vorverfahren sowie dem Anwaltsgerichtshof eingereichten Unterlagen und Auskünfte(n) in der mündlichen Verhandlung". Mit diesem Vorbringen hat sich der angefochtene Beschluss überzeugend auseinandergesetzt. Soweit der Antragsteller behauptet, über erhebliche, leicht zu "versilbernde" Vermögenswerte verfügt zu haben, die ihm die Begleichung aller Forderungen ohne weiteres ermöglicht hätten, kann er mit diesem pauschalen Vorbringen die von den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgehenden Beweisanzeichen für den Vermögensverfall nicht entkräften.

b) Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger. Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls hier eine solche Gefährdung ausnahmsweise ausgeschlossen war, lagen nicht vor.

3. Der Widerrufsgrund ist auch nicht, was bei der Entscheidung noch zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), im Laufe des gerichtlichen Verfahrens weggefallen.

a) Die Vermögensverhältnisse des Antragstellers haben sich nicht konsolidiert.

aa) Der Rechtsanwalt ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass ein Vermögensverfall nicht mehr besteht (BGH, Beschl. v. 10. Dezember 2007 - AnwZ (B) 1/07, BRAK-Mitt. 2008, 73 Rdn. 8). Die Berücksichtigung nachträglich eingetretener Veränderungen in der wirtschaftlichen Situation des Rechtsanwalts beruht auf der Überlegung, dass dieser anderenfalls nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens sogleich wieder zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden müsste. Erfolgte der Widerruf wegen Vermögensverfalls, besteht aber nur dann ein Anspruch auf Wiederzulassung, wenn geordnete Verhältnisse zweifelsfrei wiederhergestellt sind. Hierfür ist erforderlich, dass der betroffene Rechtsanwalt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegt. Insbesondere muss er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorlegen und im Einzelnen erläutern, wie er diese Forderungen zu erfüllten gedenkt (BGH, Beschl. v. 25. März 1991 - AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083). Der Rechtsanwalt ist nach dem hier noch anzuwendenden § 36a Abs. 2 BRAO a.F. (jetzt: § 32 BRAO i.V.m. § 26 Abs. 2 VwVfG) zu einer entsprechenden Mitwirkung im Verfahren verpflichtet.

bb) Diesen Anforderungen ist der Antragsteller nicht gerecht geworden. Eine vollständige Übersicht über alle gegen ihn erhobenen Forderungen hat er nicht vorgelegt. Nachgewiesen hat er lediglich, dass seine am 15. September 2008 erfolgte Eintragung im Schuldnerverzeichnis bei dem Amtsgericht H. mittlerweile wieder gelöscht worden ist. Dagegen lässt sich nicht feststellen, dass sämtliche Forderungen, wegen derer die Zwangsvollstreckung gegen ihn betrieben worden ist, mittlerweile erledigt sind. Weitere Klagen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind hinzugekommen. Dass sich die Einnahmesituation des Antragstellers nachhaltig verbessert hätte, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Die Behauptung, seit Februar 2009 als Syndikus-Anwalt bei der Firma P. GmbH, J. und L. , angestellt zu sein und ein monatliches Einkommen von 3.500 € brutto zu beziehen, hat der Antragsteller trotz eines gerichtlichen Hinweises nicht belegt. Auch zu den Einnahmen aus seiner Einzelkanzlei fehlen belastbare Unterlagen (etwa ein aktueller Steuerbescheid). Aus seinen Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen (Je. , Landbäckerei S. ) bezieht der Antragsteller den von ihm vorgelegten Unterlagen nach kein Einkommen. Nachgewiesen hat der Antragsteller zwar den Erwerb zweier Grundstücke sowie das Eigentum an mehreren Fahrzeugen; eigener nicht belegter Darstellung nach verfügt er über ein Depot im Wert von etwa 8.500 €, ein Kontoguthaben von etwa 5.000 €, Bargeld von etwa 5.000 € sowie Edelmetall (Münzen). Zu einer Regulierung der gegen ihn gerichteten begründeten Forderungen war er jedoch, wie sich aus den nach wie vor gegen ihn laufenden Zwangsvollstreckungsverfahren ergibt, nicht in der Lage. Eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse setzt voraus, dass der Rechtsanwalt über die Begleichung der aufgelaufenen Schulden oder ihre geordnete Rückführung hinaus erreicht, dass dauerhaft keine neuen Schulden entstehen, deren ordnungsgemäße Begleichung nicht durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Vereinbarungen mit dem Gläubiger sichergestellt ist. Dass ihm dies gelungen wäre, ist nicht ersichtlich.

b) Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind auch die Interessen der Rechtsuchenden durch seinen Vermögensverfall weiterhin gefährdet (§ 14 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO). Hier hat sich gegenüber dem Widerspruchsbescheid nichts geändert.

Tolksdorf Schmidt-Räntsch Lohmann Stüer Quaas Vorinstanz:

AGH Naumburg, Entscheidung vom 30.01.2009 - 1 AGH 9/08 -






BGH:
Beschluss v. 10.05.2010
Az: AnwZ (B) 33/09


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