Landgericht Köln:
Beschluss vom 7. September 2006
Aktenzeichen: 28 O 266/06

(LG Köln: Beschluss v. 07.09.2006, Az.: 28 O 266/06)

Tenor

Die Kosten des Verfahrens werden dem Verfügungsbeklagten auferlegt.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

Bis zum 04.09.2006 auf 70.000 €,

seither auf die bis dahin angefallenen Kosten.

Gründe

I.

Am 19.12.2005 wurden vom Computer des Verfügungsbeklagten aus 7 Lieder der Künstlerin T sowie der Künstlergruppe "Juli" zum Abruf durch andere Teilnehmer von Filesharing-Systemen bereit gestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Verfügungsklägerin hat den Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der Bereitstellung und öffentlichen Zugänglichmachung dieser Lieder in Anspruch genommen. Am 01.06.2006 hat die Kammer antragsgemäß eine einstweilige Unterlassungsverfügung erlassen. Hiergegen hat der Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt. Der Termin zur mündlichen Verhandlung über den Widerspruch des Verfügungsbeklagten fand am 16.08.2006 statt. Am 22.08.2006 gab der Verfügungsbeklagte u.a. gegenüber der Verfügungsklägerin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, in der er sich bei Vermeidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Vertragsstrafe in Höhe von 5.000 € verpflichtete, es zu unterlassen, geschütztes Musikrepertoire der Verfügungsklägerin ohne die erforderliche Einwilligung der Verfügungsklägerin im Internet Dritten verfügbar zu machen oder sonst wie auszuwerten.

Daraufhin haben die Parteien übereinstimmend das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.

II.

Nachdem die Parteien das Verfügungsverfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war über die Kosten des Verfahrens gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führte zur Auferlegung der Kosten auf den Verfügungsbeklagten. Denn dieser wäre ohne das erledigende Ereignis unterlegen, § 91 I ZPO.

Der Verfügungsklägerin stand vor Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 22.08.2006 durch den Verfügungsbeklagten, die nach dem eindeutigen Wortlaut der Erklärung auch die streitgegenständlichen Lieder umfasst, ein Verfügungsanspruch aus § 97 UrhG zu. Die Verfügungsklägerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr die ausschließlichen Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Liedern zustehen. Sie hat weiterhin glaubhaft gemacht, dass die streitgegenständlichen Lieder neben weiteren 163 Audiodateien vom Internetanschluss des Verfügungsbeklagten über ein Filesharing-System der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und heruntergeladen und angehört werden konnten. Eine Einwilligung der Verfügungsklägerin hierin bestand nicht.

Der Verfügungsbeklagte war entgegen der beklagtenseits vertretenen Auffassung auch passivlegitimiert. Er hat zwar durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, selbst zum Tatzeitpunkt nicht zu Hause gewesen zu sein. Er haftet indes für die über seinen Internetanschluss erfolgte Urheberrechtsverletzung nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass es einer der beiden bzw. die beiden 12- und 16-jährigen Kinder des Verfügungsbeklagten waren, die die Urheberrechtsverletzung über den ihnen von dem Verfügungsbeklagten zur Verfügung gestellten Computer und Internetanschluss begangen haben. Soweit der Verfügungsbeklagte auf die darüber hinaus bestehende technische Möglichkeit hingewiesen hat, dass unbekannte Dritte über die Wireless Lan Verbindung des Verfügungsbeklagten die Lieder öffentlich zugänglich und auf den Computer des Verfügungsbeklagten heruntergeladen haben könnten, ist der diesbezügliche Vortrag des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Verfügungsbeklagten gänzlich unsubstantiiert und beruht ersichtlich auf bloßen Spekulationen des Verfügungsbeklagten, ohne dass für diese irgendwelche Anhaltspunkte ersichtlich wären. Es fehlt darüber hinaus an der erforderlichen Glaubhaftmachung durch den Verfügungsbeklagten.

Für die seitens seiner Kinder begangenen Urheberrechtsverletzungen haftet der Verfügungsbeklagte nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Im Rahmen des Unterlassungsanspruchs haftet in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder als Störer für eine Schutzrechtsverletzung, wer - ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat (LG Hamburg ZUM 2006, 661; Schricker, UrhG, § 97 Rn. 36 a m.w.N.). Allerdings setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (LG Hamburg ZUM 2006, 661 m.w.N.). Dabei wird die Störerhaftung Dritter durch Zumutbarkeitserwägungen eingegrenzt, wobei sich die Art und der Umfang der gebotenen Kontrollmaßnahmen nach Treu und Glauben bestimmen (LG Hamburg ZUM 2006, 661; Schricker, UrhG, § 97 Rn. 36 a). So hat sich auch die Verpflichtung, geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Rechtsverletzungen soweit wie möglich verhindert werden, im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen zu halten (LG Hamburg ZUM 2006, 661 m.w.N.). Nach Maßgabe dieser Grundsätze haftet der Verfügungsbeklagte als Störer. Wenn der Verfügungsbeklagte Dritten, auch und gerade minderjährigen Mitgliedern seines Haushalts, über seinen Anschluss den Internetzugang ermöglichte, dann war dieses willentliche Verhalten adäquat kausal für die Schutzrechtsverletzung. Denn Rechtsverletzungen über das Internet durch das Herunterladen und öffentliche Zugänglichmachen insbesondere urheberrechtlich geschützter Leistungen haben in den letzten Jahre allgemein zugenommen. Darunter fällt insbesondere auch die Aneignung und das Bereitstellen von Musikaufnahmen im Internet mit Hilfe von Filesharing-Software. Jedenfalls seit dem Auftreten der Filesharing-Software "Napster" im Herbst 1999 ist derartiges auch nicht mehr ungewöhnlich und wird insbesondere und gerade von Jugendlichen vielfältig in Anspruch genommen. Durch die gesetzgeberischen Bemühungen, dem entgegenzuwirken, und dem verstärkten Tätigwerden der Strafverfolgungsbehörden ist dieser Umstand auch nachhaltig in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt worden. Das Überlassen eines Internetzugangs an Dritte, insbesondere an minderjährige Jugendliche, birgt danach die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit, dass von diesen derartige Rechtsverletzungen begangen werden. Dies war offenbar auch dem Verfügungsbeklagten bewusst, da es ansonsten des glaubhaft gemachten Hinweises an seine Kinder, dies nicht zu tun, nicht bedurft hätte. Dieses Risiko löst Prüf- und Handlungspflichten aus, um der Möglichkeit solcher Rechtsverletzungen vorzubeugen. Diesen ist der Verfügungsbeklagte auch nach seinem eigenen - nicht glaubhaft gemachten - Vortrag im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht hinreichend nachgekommen. Insoweit reichte es nicht aus, den Kindern zu untersagen, Musik aus dem Internet herunterzuladen, dies umso mehr, als es dem Verfügungsbeklagten rechtlich und tatsächlich möglich war, wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Rechtsverletzungen zu ergreifen. So hat er zwar nach seinem eigenen Vortrag eigene Benutzerkonten für seine Kinder eingerichtet, er hat es aber verabsäumt, für die verschiedenen Nutzerkonten die individuellen Nutzungsbefugnisse festzulegen und dadurch etwa ein Herunterladen der Filesharing-Software zu verhindern. Des Weiteren wäre auch die Einichtung einer sog. "firewall" möglich und zumutbar gewesen, durch die die Nutzung einer Filesharing-Software verhindert werden kann (vgl. auch LG Hamburg ZUM 2006, 661). Dies hat der Verfügungsbeklagte nicht getan, sondern offenbar nach seinem - bestrittenen und auch nicht glaubhaft gemachten - Vortrag lediglich einzelne Seiten gesperrt, ansonsten aber seinen Kindern den ungeschützten Zugang zum Internet zur Verfügung gestellt. Falls er dazu persönlich nicht in der Lage gewesen sein sollte, hätte der Verfügungsbeklagte sich insoweit fachkundiger Hilfe bedienen müssen. Dies wäre auch mit zumutbarem finanziellen Aufwand verbunden gewesen (vgl. hierzu LG Hamburg ZUM 2006, 661).

Mit Rücksicht auf die diversen Möglichkeiten, derartigen Rechtsverletzungen wirksam vorzubeugen, können auch die von dem Verfügungsbeklagten glaubhaft gemachten wöchentlichen Kontrollen des Computers nicht als ausreichend angesehen werden, um seinen Prüfpflichten nachzukommen. Denn diese wöchentlichen Kontrollen verhinderten weder die Urheberrechtsverletzungen noch führten sie dazu, dass der Verfügungsbeklagte die immerhin 164 Audiodateien, die sich über längere Zeit auf dem Computer befanden, bemerkt hätte. Ob dies auf nachlässige Kontrollen durch den Verfügungsbeklagten oder auf fehlende computertechnische Kenntnisse des Verfügungsbeklagten zurückzuführen ist, vermag die Kammer nicht zu beurteilen. Der Verfügungsbeklagte trägt weder vor noch macht er glaubhaft, wie diese Kontrollen ausgestaltet waren und warum diese nicht zur Entdeckung der Audiodateien führten. Sollte die Nichtentdeckung auf fehlenden computertechnischen Kenntnissen des Verfügungsbeklagten beruhen, hätte es wiederum der - dem Verfügungsbeklagten auch zumutbaren - Hinzuziehung fachkundiger Hilfe bedurft, um die Störerhaftung auszuschließen. Soweit sich der Verfügungsbeklagte auf Rechtsprechung zum Maßstab der Aufsichtspflichten von Eltern gegenüber ihren Kindern bezieht, trifft diese Rechtsprechung bereits nicht den vorliegenden Rechtsstreit. Denn es geht vorliegend nicht um die Haftung des Verfügungsbeklagten auf Schadensersatz wegen einer schuldhaften Aufsichtspflichtverletzung seinerseits, sondern um den Umfang und die Reichweite der Störerhaftung im Rahmen des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs. Diese ist nach den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen weiter zu ziehen als das Verschulden im Rahmen einer Aufsichtspflichtverletzung.

Es bestand weiterhin bis zur Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung eine Wiederholungsgefahr. Denn die Wiederholungsgefahr wird durch die vorangegangene Rechtsverletzung indiziert und kann nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden (vgl. LG Hamburg ZUM 2006, 661).

Das Unterlassungsbegehren der Verfügungsklägerin war auch entgegen der beklagtenseits vertretenen Auffassung nicht rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB. Die illegale öffentliche Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Musikwerke hat in den letzten Jahren ein enormes Ausmaß angenommen. Das Unrechtsbewusstsein der Mehrzahl der Rechtsverletzer ist dabei erschreckend wenig ausgebildet. Durch das öffentliche Zugänglichmachen von Musiktiteln im Internet über Filesharing-Systeme wird die Musikindustrie jedes Jahr in einem ganz erheblichen Umfang geschädigt, was durch verstärkte Berichterstattung in den Medien auch seit einigen Jahren eindringlich in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht wird. Dieser Umstand hat auch den Gesetzgeber inzwischen bewogen, tätig zu werden und die einschlägigen Gesetze zu verschärfen, um derartigen Rechtsverletzungen wirksam entgegen zu wirken und die Rechtsstellung der Urheber und der Inhaber von Nutzungsrechten zu stärken (vgl. hierzu auch OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 342). Vor diesem Hintergrund sind die verstärkten Bemühungen der Musikindustrie, gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen und diese zu unterbinden, zu sehen, die sich in der erhöhten Anzahl an Abmahnungen niederschlägt. Ein Rechtsmissbrauch kann darin nicht erblickt werden. Diese Bemühungen stellen sich vielmehr als legitime Wahrnehmung von berechtigten Rechten und Ansprüchen von Unternehmen wie dem der Verfügungsklägerin dar und darüber hinaus als einziges Mittel, um den Rechtsverletzungen wirksam und effektiv entgegen zu wirken. Was der von dem Verfügungsbeklagten als Anlage A 2 zu den Akten gereichte Artikel mit dem vorliegenden Fall zu tun hat, ist für die Kammer nicht ersichtlich, da dieser sich bereits nicht mit dem hier in Rede stehenden illegalen öffentlichen Zugänglichmachen von Musiktiteln im Internet, wie es von dem Computer des Verfügungsbeklagten aus geschehen ist, befasst.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.






LG Köln:
Beschluss v. 07.09.2006
Az: 28 O 266/06


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