Landgericht Hamburg:
Urteil vom 13. März 2008
Aktenzeichen: 327 O 105/08
(LG Hamburg: Urteil v. 13.03.2008, Az.: 327 O 105/08)
Tenor
1) Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 21.02.2008 wird insofern bestätigt, als dem Antragsgegner gemäß Ziffer I. des Beschlusstenors verboten worden ist:
im geschäftlichen Verkehr für Heilbehandlungen zu werben:
1. €Das Praxiskonzept: Das Beste aus Naturheilverfahren und konventioneller Medizin für Ihre Gesundheit€
und/oder
€Das Beste aus Naturheilverfahren & konventioneller Medizin aus einer Hand€
2. €Erst die Integrative Medizin mit dem Wissen aus beiden Bereichen ermöglicht mir, die wahren Krankheitsursachen zu erkennen und sie auch zu heilen.€,
wie aus der Anlage AS 6 ersichtlich.
2) Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung der Kammer vom 21.02.2008 aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass insoweit zurückgewiesen.
3) Die Kosten des Verfahrens haben der Antragsteller zu ¼ und der Antragsgegner zu ¾ zu tragen.
4) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner darf die Kostenvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung in Anspruch.
Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein (AG Charlottenburg €...), zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs, gehört. Er ist gemäß § 1 Ziff. 4 Unterlassungsklageverordnung vom 03.07.2002 (UKlaV) als branchenübergreifend und überregional tätiger Wettbewerbsverband im Sinne von § 13 Abs. 5 Nr. 2 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) festgestellt (Anlage A 1). Zu den Mitgliedern des Antragstellers gehört u.a. die Ärztekammer Hamburg.
Der Antragsgegner ist ein in Hamburg niedergelassener Arzt.
Der Antragsgegner benutzte bis Anfang 2008 ein Praxisschild mit der Aufschrift:
€Das Beste aus Naturheilverfahren & konventioneller Medizin aus einer Hand€ (Anlage A 2).
Die Ärztekammer Hamburg forderte den Antragsgegner mit Schreiben vom 02.01.2008 (Anlage A 3) auf, das Praxisschild zu entfernen, da die o.g. Angabe anpreisend und somit berufsrechtswidrig im Sinne von § 27 der Berufsordnung der Hamburger Ärzte und Ärztinnen (im Folgenden: HambBOÄ) sei.
Mit Schreiben vom 07.01.2008 (Anlage A 5) teilte der Antragsgegner der Ärztekammer mit, dass er bis zur rechtlichen Klärung den beanstandeten Slogan entfernt habe.
Ab diesem Zeitpunkt verwendete der Antragsgegner die folgende Angabe auf dem Praxisschild:
€Naturheilverfahren und Schuldmedizin aus einer Hand.€ (Anlage A 4).
Außerdem tätigte der Antragsgegner auf seiner Internetseite (Anlage A 6) folgende Aussagen:
€Das Praxiskonzept: Das Beste aus Naturheilverfahren und konventioneller Medizin für ihre Gesundheit!€ (Überschrift auf der Unterseite €Praxiskonzept€)
und
€Erst die Integrative Medizin mit dem Wissen aus beiden Bereichen ermöglicht mir, die wahren Krankheitsursachen zu erkennen und sie auch zu heilen.€ (im Fließtext auf der Unterseite €Praxiskonzept€).
Die Ärztekammer Hamburg wies den Antragsteller auf diese durch den Antragsgegner auf dem Praxisschild und im Internet verwendeten Angaben hin.
Der Antragsteller mahnte den Antragsteller mit Schreiben vom 29.01.2008 (Anlage A 7) ab und forderte ihn erfolglos unter Fristsetzung bis zum 05.02.2008 zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung auf.
Durch Beschluss vom 21.02.2008 hat die Kammer antragsgemäß dem Antragsgegner bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten,
im geschäftlichen Verkehr für Heilbehandlungen zu werben:
1. €Das Praxiskonzept: Das Beste aus Naturheilverfahren und konventioneller Medizin für Ihre Gesundheit€
und/oder
€Das Beste aus Naturheilverfahren & konventioneller Medizin aus einer Hand€
und/oder
€Naturheilverfahren & Schulmedizin aus einer Hand€
2. €Erst die Integrative Medizin mit dem Wissen aus beiden Bereichen ermöglicht mir, die wahren Krankheitsursachen zu erkennen und sie auch zu heilen.€,
wie aus der Anlage AS 6 ersichtlich.
Mit dem am 03.03.2008 bei Gericht eingegangenen Widerspruch rügt der Antragsgegner die fehlende Aktivlegitimation der Antragstellerin und vertritt die Auffassung, dass es sich bei den angegriffenen Werbeaussagen um interessengerechte und sachangemessene Informationen handele, die nicht geeignet seien, einen Irrtum zu erregen. I.Ü. beruft sich der Antragsgegner auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs, da die initiierende Ärztekammer einfachere und billigere Wege zur Rechtsdurchsetzung habe (insbesondere durch Erlass eines Verwaltungsaktes).
Der Antragsgegner kündigte in der Widerspruchsschrift an, zu beantragen,
1. unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung der Kammer den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
2. Der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners in Höhe von 1.085,04 Euro aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt zuletzt,
unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung der Kammer den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die einstweilige Verfügung der Kammer vom 21.02.2008 zu bestätigen.
Der Antragsteller vertritt die Auffassung, dass die beanstandeten Angaben einen Verstoß gegen § 27 Abs. 2 HambBOÄ und gegen § 3 Heilmittelwerbegesetz (HWG) darstellen würden, da sie irreführend und anpreisend seien.
Die Bewerbung der angebotenen medizinischen Leistungen mit €Das Beste ...€ sei sowohl anpreisend als auch irreführend, da die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft € unstreitig € unaufhaltsam fortschreiten und somit eine Standardtherapie von heute vielleicht bereits morgen überholt oder in Frage gestellt sei. Außerdem könne der Antragsgegner € unstreitig € schon aufgrund seines € wie für jeden Arzt € generell beschränkten Erkenntnishorizonts nicht gewährleisten, dass es sich um die bestmögliche Behandlung handele.
Die Aussage: €Erst die Integrative Medizin mit dem Wissen aus beiden Bereichen ermöglicht mir, die wahren Krankheitsursachen zu erkennen und sie auch zu heilen.€ sei ein unzulässiges Erfolgsversprechen im Sinne von § 3 HWG, da diese Angabe suggeriere, dass nur mit Erkennen der wahren Krankheitsursachen gerade durch eine integrative Medizin die Möglichkeit bestehe, die jeweilige Krankheit zu heilen. Ein derartiger sicherer Behandlungserfolg könne jedoch € unstreitig € nicht gewährleistet werden. Diese Angabe sei im Übrigen auch deshalb irreführend, da es € unstreitig € an objektiven Anhaltspunkten für eine tatsächlich gegebene bessere Diagnosemöglichkeit ermangele.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Gründe
I.
Die einstweilige Verfügung ist in dem aus Ziffer 1) des Tenors ersichtlichen Umfang zu bestätigen, da der zulässige Verfügungsantrag insoweit begründet ist.
1. Dem Antragsteller steht überwiegend wahrscheinlich ein Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner in dem aus Ziffer 1) des Tenors ersichtlichen Umfang gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG i.V.m. 3 S. 1 HWG bzw. i.V.m. 27 Abs. 2 HambBOÄ zu.
a. Die Aktivlegitimation (bzw. Prozessführungsbefugnis) des Antragstellers ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.
Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG stehen die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 UWG rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt. Diese Voraussetzungen sind auf Seiten des Antragstellers erfüllt.
Das Vorliegen der Voraussetzungen:
(1) Rechtsfähigkeit,
(2) Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen als satzungsmäßiger Verbandszweck
und
(3) Fähigkeit zur Wahrnehmung dieser satzungsmäßigen Aufgaben insbesondere nach der personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung,
ergibt sich bereits daraus, dass der Antragsteller durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums der Justiz (und zwar: in § 1 S. 1 Nr. 4 UKlaV) € wie durch § 13 Abs. 5 S. 2 UKlaG ermöglicht € als Verband im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG festgelegt wurde. Eine Anerkennung als Verband im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG erfordert € dem Gesetzeswortlaut der §§ 13 Abs. 5 S. 1 Nr. 2, S. 2 i.V.m. 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG nach € das Vorliegen der vorstehenden drei Voraussetzungen.
Der Antragsteller verfügt auch über die erforderliche €erhebliche Zahl€ von Mitgliedsunternehmen, die dem Antragsgegner € als Verletzer € auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt als Wettbewerber begegnen. Für die Annahme einer erheblichen Zahl maßgeblicher Mitgliedsunternehmen genügt es, wenn Unternehmen aus dem Kreis der Mitbewerber auf dem relevanten Markt nach Anzahl und/ oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht repräsentativ vertreten sind, so dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, § 8 UWG Rn. 3.42). Als Unternehmen, deren Interessen von dem Verband wahrgenommen werden, können auch solche Unternehmen zu berücksichtigen sein, die Mitglied in einem Verband sind, der seinerseits Mitglied des klagenden Verbands ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, § 8 UWG Rn. 3.42; BGH, Urteil vom 27.01.2005, I ZR 146/02- Sammelmitgliedschaft III ; BGH, Urteil vom 16.01.2003, I ZR 51/02- Sammelmitgliedschaft ; BGH, Urteil vom 20.05.1999, I ZR 66/97- Wir dürfen nicht feiern ). Der die Mitgliedschaft vermittelnde Verband muss selbst nicht anspruchsberechtigt im Sinne von § 8 Abs. 3 UWG sein (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O.). Voraussetzung ist dann aber, dass der die Mitgliedschaft vermittelnde Verband seinerseits den Zweck verfolgt, gewerbliche oder selbständige berufliche Interessen seiner Mitglieder zu fördern, und den anderen Verband zur Wahrnehmung dieser Interessen beauftragt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O.).
Das Vorliegen einer erheblichen Zahl maßgeblicher Mitgliedsunternehmen ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Ärztekammer Hamburg unstreitig Mitglied des Antragstellers ist und über diese deren (Pflicht-)Mitglieder mittelbar dem Antragsteller angehören. Die der Ärztekammer Hamburg angehörenden, in Hamburg niedergelassenen Allgemeinmediziner stehen im konkreten Wettbewerb mit dem Antragsgegner.
Da die Ärztekammer Hamburg nicht selbst anspruchsberechtigt im Sinne von § 8 Abs. 3 UWG ist, muss sie € unter Zugrundelegung der oben genannten Grundsätze € ihrerseits den Zweck verfolgen, gewerbliche oder selbständige berufliche Interessen ihrer Mitglieder zu fördern und den Antragsteller € als der Verband, dem die Ärztekammer Hamburg angehört € zur Wahrnehmung dieser Interessen beauftragt haben. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Hamburgisches Kammergesetz für Heilberufe (HmbKGH) gehört zu den Aufgaben der Ärztekammer (u.a.) die Wahrnehmung der beruflichen Belange ihrer Mitglieder. Die notwendige Beauftragung des Antragstellers zur Wahrnehmung dieser Interessen der Mitglieder der Ärztekammer Hamburg erfolgte durch den Beitritt der Ärztekammer Hamburg in den hier auf Antragstellerseite auftretenden Verband.
b. Die unter Ziffer 1. des Tenors angeführten Angaben sind aus den nachfolgend aufgeführten Gründen berufswidrig im Sinne von § 27 Abs. 2 HambBOÄ bzw. irreführend im Sinne von § 3 S. 1 HWG:
aa. €Das Praxiskonzept: Das Beste aus Naturheilverfahren und konventioneller Medizin für Ihre Gesundheit€
und
€Das Beste aus Naturheilverfahren & konventioneller Medizin aus einer Hand€
Die vorstehenden Angaben stellen einen Verstoß gegen § 27 Abs. 2 HambBOÄ und § 3 S. 1 HWG dar.
§ 27 Abs. 2 HambBOÄ und § 3 S. 1 HWG sind gesetzliche Vorschriften, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, § 4 Nr. 11 UWG (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, § 4 UWG Rn. 11.74 und Rn. 11.135).
(1) Die oben genannten Angaben verstoßen gegen § 27 Abs. 2 HambBOÄ, da sie anpreisend im Sinne dieser Vorschrift sind. Anpreisende Werbung ist gekennzeichnet durch Übertreibungen und Superlative, die zu dem Zweck verwendet werden, die eigene Leistung besonders wirkungsvoll herauszustellen und Patienten suggestiv zu beeinflussen. Diese Voraussetzung ist aufgrund der Verwendung des Superlativs € €das Beste€ € zur Beschreibung der angebotenen Leistungen offenkundig erfüllt.
Entgegen der Auffassung des Antragsgegners führt ein Verbot der Werbung unter Verwendung der oben genannten Angaben auch zu keinem ungerechtfertigten Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.
Laut Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.07.2005, 1 BvR 191/05, ist der Wortsinn einzelner Passagen einer Werbung zwar stets grundrechtsfreundlich im Kontext des gesamten Inhalts auszulegen. Einzelne €anreißerische€ Passagen seien dann nicht zu verbieten, wenn sie den zulässigen Informationsgehalt der Werbung nicht €verwischen€, also quantitativ bzw. qualitativ hinter dem Informationsgehalt der Werbung zurücktreten.
Auch die Berücksichtigung dieser Grundsätze führt jedoch zu keinem abweichenden Ergebnis. Hinsichtlich der zweiten der oben genannten Angaben schon deshalb, weil sie in Alleinstellung auf dem Praxisschild des Antragsgegners (Anlage AS 2) verwendet wurde und es daher an einem €relativierenden€ Gesamtkontext der Werbung von vornherein fehlt.
Die erste Aussage findet sich als besonders hervorgehobene Überschrift auf der Internetseite des Antragsgegners (Anlage A 6). Die blickfangmäßige Herausstellung dieser Angabe (durch Wahl der Schriftgröße, Schriftfarbe und Schriftgestaltung) dominiert die maßgebliche Unterseite €Praxiskonzept€ und bestimmt maßgeblich die Erwartungshaltung des angesprochenen Verkehrs an die angebotenen Leistungen. Die Angabe tritt daher weder quantitativ noch qualitativ hinter dem sachlichen Informationsgehalt der Werbung in ihrer Gesamtheit zurück.
Im Rahmen der Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragsgegners an freier Werbung hinsichtlich der von ihm angebotenen medizinischen Dienstleistungen und dem Schutz der Allgemeinheit vor den Gefahren der Kommerzialisierung des Arztberufes, der gerade auch durch anpreisende Werbung Vorschub geleistet wird, überwiegt der Schutz der Allgemeinheit. Dies ist auch der Erkenntnis geschuldet, dass gerade im medizinischen Bereich der Verbraucher aufgrund eines hochgradigen Interesses an der Erhaltung der Gesundheit besonders geneigt ist, werblichen Angaben blindlings zu vertrauen, sei es aus Angst, übertriebener Vorsicht oder verzweifelter Hoffnung.
(2) Darüber hinaus sind die oben genannten Angaben irreführend im Sinne von § 27 Abs. 2 HambBOÄ und § 3 S. 1 HWG.
Der Anwendungsbereich des HWG ist eröffnet, da es sich bei der streitgegenständlichen Aussage um Werbung für Verfahren bzw. Behandlungen handelt, die sich € wie in § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG gefordert € auf die Erkennung, Beseitigung oder Linderung von Krankheiten bezieht.
Eine Werbung ist irreführend, wenn sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen zu einer Fehlvorstellung führt, die für die Marktentscheidung der Verbraucher relevant ist (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, § 5 UWG Rn. 2.103).
Diese Voraussetzungen sind hier hinsichtlich beider Angaben erfüllt.
Den angesprochenen Verbraucherkreisen wird hier durch die jeweilige Formulierung €Das Beste aus Naturheilverfahren und konventioneller Medizin€ der falsche Eindruck vermittelt, dass es eine objektiv bestimmbare Rangordnung zwischen den unterschiedlichen Verfahren im Bereich der €Naturheilverfahren€ einerseits und den unterschiedlichen Verfahren im Bereich der €konventionellen Medizin€ andererseits gibt. Der angesprochene Verkehr versteht hierbei die verwendeten Bezeichnungen €Naturheilverfahren€ und €konventionelle Medizin€ aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs und der Art der konkreten Gegenüberstellung dahingehend, dass €Naturheilverfahren€ den Oberbegriff für die durch Heilpraktiker üblicherweise angewendete Behandlungsmethoden darstellt und €konventionelle Medizin€ als Oberbegriff für die durch Ärzte üblicherweise angewendeten Behandlungsmethoden dient.
Aufgrund des stetigen Fortschreitens der medizinischen Erkenntnisse und des stetigen Meinungsstreits um die Wirksamkeit medizinischer Behandlungsmethoden ist es jedoch objektiv unmöglich, zu entscheiden, welche Behandlungsmethoden aus den Bereichen €Naturheilverfahren€ und €konventionelle Medizin€ tatsächlich €die Besten€ sind. Dies schon deshalb, weil es eine Vielzahl von denkbaren Anknüpfungspunkten (neben der Wirksamkeit insbesondere die Schnelligkeit des Erfolgseintritts, die Erfolgsquote, die notwendige Therapiedauer, die Höhe der Behandlungskosten, mögliche Risiken und Nebenwirkungen) für die Bestimmung einer derartigen Rangordnung gibt. Selbst der Tatsachenvortrag des Antragsgegners bietet keine Anhaltspunkte dafür, woraus der Antragsgegner auf die € hier konkret beworbene € allgemeine Überlegenheit der ausgewählten Behandlungsmethoden gegenüber den sonstigen Behandlungsmethoden aus den jeweiligen Bereichen schließt.
Der Aussagegehalt der oben genannten Werbeangaben erschöpft sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs auch nicht etwa nur in der allgemeinen Bekundung, dass sich der Antragsgegner bemüht, die aus seiner Sicht besten Behandlungsmethoden aus den konkret benannten Bereichen anzubieten. Die jeweilige Formulierung €Das Beste aus Naturheilverfahren und konventioneller Medizin€ weist aufgrund der Absolutheit des Wortlauts eindeutig darauf hin, dass die durch den Antragsgegner ausgewählten Behandlungsmethoden gerade objektiv die €Spitzenstellung€ innehaben.
bb. €Erst die integrative Medizin mit dem Wissen aus beiden Bereichen ermöglicht mir, die wahren Krankheitsursachen zu erkennen und sie auch zu heilen.
Die vorstehende Aussage ist ebenfalls irreführend im Sinne von § 27 Abs. 2 HambBOÄ und § 3 S. 1 HWG.
Den angesprochenen Verkehrskreisen wird durch diese Angabe der € unstreitig € falsche Eindruck vermittelt, dass die Erkennung der wirklichen Krankheitsursachen nur mit Kenntnissen aus beiden Bereichen € nämlich: €Naturheilverfahren€ und €konventionelle Medizin€ € möglich sei.
Dies wird deutlich durch die Verwendung der Formulierung € Erst die integrative Medizin ... ermöglicht ...€ [Hervorhebung durch das Gericht]. Die Verwendung der Worte €erst€ und €ermöglicht€ suggeriert eine Konditionalverknüpfung zwischen dem beworbenen €Wissen aus beiden Bereichen€ und der ausgelobten €Erkennung wahrer Krankheitsursachen€.
Die subjektive Einkleidung der Aussage führt nicht zur Verneinung des Vorliegens einer Werbeangabe, da diese im Gegensatz zu einer reinen Meinungsäußerung den vorgenannten, objektiv nachprüfbaren Tatsachenkern enthält.
c. Der Antragsgegner kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch den Antragsteller rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG sei, weil der Ärztekammer Hamburg schonendere Möglichkeiten der Rechtsverfolgung zur Verfügung gestanden hätten.
Indiz für einen Missbrauch ist es zwar, wenn dem Anspruchsberechtigten schonendere Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung zu Gebote stehen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, § 8 UWG Rn. 4.10). Ein derartiger Fall liegt hier jedoch nicht vor, da der Antragsgegner sich gerade nicht auf schonendere Möglichkeiten des Antragstellers sondern solche der Ärztekammer Hamburg beruft. Auf solche kommt es aber gerade nicht an.
Die Rechtsverfolgung durch den Antragsteller erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als rechtsmissbräuchlich. Die Klage (bzw. der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz) eines Verbandes kann zwar rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Verband mit der Klage (bzw. mit dem Antrag) keine eigenen, sondern ausschließlich oder vorwiegend fremde Interessen verfolgt (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, § 8 UWG Rn. 4.22; BGH, Urteil vom 06.04.2000, I ZR 294/97- Impfstoffversand an Ärzte ) . Für den Verband spricht allerdings die Vermutung, dass er seinen eigenen, satzungsgemäßen Zwecken nachgeht; deshalb obliegt es demjenigen, der von einem Verband in Anspruch genommen wird, diese Vermutung dadurch zu erschüttern, dass er Umstände darlegt und beweist, die für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Verbandes sprechen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, § 8 UWG Rn. 4.25; BGH, Urteil vom 06.04.2000, I ZR 294/97- Impfstoffversand an Ärzte ). Solche Umstände sind weder vom Antragsgegner vorgetragen noch sonst ersichtlich. Allein die unstreitige Tatsache, dass der Antragsteller von der Ärztekammer Hamburg eingeschaltet worden ist, genügt hierfür jedenfalls nicht (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Auflage 2007, § 8 UWG Rn. 4.22; BGH, Urteil vom 06.04.2000, I ZR 294/97- Impfstoffversand an Ärzte ). Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn ein Verband von einem Dritten zur Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes veranlasst wird; eine missbräuchliche Rechtsausübung ist erst dann gegeben, wenn weitere Umstände hinzukommen, die dafür sprechen, dass die Rechtsverfolgung nicht im Verbandsinteresse, sondern im Fremdinteresse liegt. Dafür bestehen hier aber keine Anhaltspunkte.
2. Die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet.
II.
In dem aus dem Tenor zu Ziffer 2) ersichtlichen Umfang ist die einstweilige Verfügung vom 21.02.2008 aufzuheben, da dem Antragsteller hinsichtlich der Angabe €Naturheilverfahren & Schulmedizin aus einer Hand€ ein Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner überwiegend wahrscheinlich nicht zusteht.
Diese Angabe stellt keinen Verstoß gegen §§ 4 Nr. 11 UWG i.V.m. 27 Abs. 2 HambBOÄ bzw. i.V.m. 3 S. 1 HWG dar.
Sie ist nicht irreführend im Sinne von § 27 Abs. 2 HambBOÄ bzw. § 3 S. 1 HWG.
Der angesprochene Verkehr versteht diese Aussage schon aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs und der Art der konkreten Gegenüberstellung dahingehend, dass der Werbende neben den Verfahren, die jeder niedergelassene Allgemeinmediziner typischerweise zur Heilbehandlung anbietet, zusätzlich auch solche Verfahren anbietet, die üblicherweise von einem Heilpraktiker erbracht werden.
Dafür, dass der angesprochene Verbraucher, der typischerweise nicht über vertiefte medizinische Spezialkenntnisse verfügt, unter dem Begriff €Naturheilverfahren€ entsprechend der Einordnung im Klinischen Wörterbuch Pschyrembel (Anlage A 12) €alternative Medizin€ verstünde oder gar die Bezeichnungen €Naturheilverfahren€ und €Schulmedizin€ als Komplementärbegriffe ansehe, die keinerlei Schnittmengen aufweisen, und diese klar voneinander abgrenzen könne, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Der Antragsteller trägt selbst vor, dass keine klare Abgrenzung zwischen €Naturheilverfahren€ und €klassischer Medizin€ möglich sei. Es erscheint daher als fern liegend, dass gerade die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise eine derartig klare Trennung vornehmen und hieran eine Erwartungshaltung bezogen auf ein €unbedingtes€ Mehr an Leistung aufgrund der Kombination beider Verfahren knüpfen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1 2. Alt., 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Der Antragsgegner hat seinen in der Widerspruchsschrift vom 28.02.2008 angekündigten Antrag gegen die Antragstellerin auf Zahlung der außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.085,04 Euro € durch Nichtstellung dieses Antrags in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2008 € konkludent zurückgenommen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
LG Hamburg:
Urteil v. 13.03.2008
Az: 327 O 105/08
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