Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2005
Aktenzeichen: 19 W (pat) 24/03

(BPatG: Beschluss v. 11.05.2005, Az.: 19 W (pat) 24/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse B 61 L - hat die am 17. September 2001 eingegangene Anmeldung durch Beschluß vom 5. November 2002 zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 lautet mit eingefügter Nummerierung [ ]:

"Verfahren zur Positionierung der Gleisabschnittsgrenzen von Streckenabschnitten schienengebundener Verkehrssysteme, gekennzeichnet durch folgende Schritte:

[1] Festlegen einer Startlösung zur Unterteilung der Streckenabschnitte in jeweils mehrere Gleisabschnitte

[2] Festlegen diskreter Positionen p(i,j) der Gleisabschnittsgrenzen in der Nähe der vorbestimmten Gleisabschnittsgrenzen p(i) der Startlösung

[3] Berechnen des minimalen Zugfolgeabstandes für die gewählten diskreten Positionen p(i,j) bei Zugrundelegung der Fahrkurven zweier aufeinanderfolgender Züge unter Berücksichtigung der Schutzstrecken und des Bremsweges im jeweiligen Gleisabschnitt, der Zulängen sowie der Haltezeit der Züge am Ende des Streckenabschnitts

[4] Festlegen der Gleisabschnittsgrenzen p(i) auf die diskreten Positionen p(i,j), bei denen der minimale Zugabstand ein Minimum erreicht."

Die nebengeordneten Ansprüche 4 bis 6 nach Hauptantrag beziehen sichauf eine Anordnung mit einem Prozessor, der derart eingerichtet ist, dass die im Anspruch 1 angegebenen Schritte durchführbar sind, auf ein Mittel, insbesondere ein Computerprogramm zur Ausführung eines Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 3, das es einem Computer ermöglicht, nachdem es in den internen Speicher eines Computers geladen worden ist, die im Anspruch 1 angegebenen Schritte durchzuführen, auf ein computerlesbares Speichermedium, auf dem ein Programm gespeichert ist, das es einem Computer ermöglicht, nachdem es in den Speicher des Computers geladen worden ist, die im Anspruch 1 angegebenen Schritte durchzuführen.

Der Hilfsantrag 1 beinhaltet als nebengeordneten Anspruch lediglich die Anordnung mit einem Prozessor.

Der geltende Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet unter Markierung der Änderungen:

"Verfahren zur Positionierung der Gleisabschnittsgrenzen von Streckenabschnitten schienengebundener Verkehrssysteme, wobei die Länge der Gleisabschnitte von einem gewünschten Zugfolgeabstand abhängt, gekennzeichnet durch folgende Schritte:

[1] Festlegen einer Startlösung zur Unterteilung der Streckenabschnitte in jeweils mehrere Gleisabschnitte

[2] Festlegen diskreter Positionen p(i,j) der Gleisabschnittsgrenzen in der Nähe der vorbestimmten Gleisabschnittsgrenzen p(i) der Startlösung

[3] Berechnen des minimalen Zugfolgeabstandes für die gewählten diskreten Positionen p(i,j) bei Zugrundelegung der Fahrkurven zweier aufeinanderfolgender Züge unter Berücksichtigung der Schutzstrecken und des Bremsweges im jeweiligen Gleisabschnitt, der Zulängen sowie der Haltezeit der Züge am Ende des Streckenabschnitts

[4] Festlegen der Gleisabschnittsgrenzen p(i) auf die diskreten Positionen p(i,j), bei denen der gewünschte minimale Zugfolgeabstand ein Minimum erreicht wird."

Der nebengeordnete Anspruch 4 bezieht sich auf eine Anordnung mit einem Prozessor, der derart eingerichtet ist, dass die im Anspruch 1 angegebenen Schritte durchführbar sind.

Die Anmelderin beantragtden angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Anmeldung, Patentanspruch 5 vom 20. Februar 2003, Patentanspruch 6 vom 17. Oktober 2002, mit Beschreibungsseiten 2 und 2a vom 17. Oktober 2002, übrige Beschreibung und Zeichnungen gemäß Anmeldung, hilfsweisemit Patentansprüchen 1 bis 4 nach Hilfsantrag 1 bzw mit Patentansprüchen 1 bis 4 nach Hilfsantrag 2, jeweils mit Beschreibung und Zeichnungen, sämtlich überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2005.

Höchst hilfsweise hat die Anmelderin die Teilung der Anmeldung erklärt.

Die Anmelderin ist der Ansicht, daß es sich bei dem Verfahren des Anspruchs 1 nach dem jeweiligen Antrag um kein Programm "als solches" handle, da hierdurch eine technische Aufgabe gelöst werde. Speziell im Merkmal 3 und 4 würden technische Größen verarbeitet und technische Überlegungen angestellt. Beim Verfahren des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 würden aktuelle Zugdaten verarbeitet. Der Fachmann erkenne, dass er das Ergebnis des Verfahrens an eine entsprechend gestaltete Zugsteuerung direkt übergeben könne. Hierdurch werde deutlich, dass mit dem anspruchsgemäßen Verfahren unmittelbar ein technisches Problem gelöst werde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da das Verfahren des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und 2 ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches betrifft, für das gemäß PatG § 1 Abs 3 Nr 3 und Abs 4 in der Fassung vom 21. Januar 2005 eine Patentfähigkeit ausgeschlossen ist.

1. Die Anmeldung betrifft nach dem jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 ein Verfahren zur Positionierung der Gleisabschnittsgrenzen von Streckenabschnitten schienengebundener Verkehrssysteme.

Die Beschreibung (Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und 2) erläutert, Streckenabschnitte von schienengebundenen Verkehrssystemen seien in einzelne Gleisabschnitte unterteilt, um die simultane Belegung eines Streckenabschnitts durch mehrere Züge zu ermöglichen, wobei die Grundbedingung bestehe, dass ein nachfolgender Zug in einen Gleisabschnitt erst dann einfahren dürfe, wenn der vorauseilende Zug diesen Streckenabschnitt wieder verlassen habe. Die Gleisabschnittsgrenzen würden im traditionellen Schienenverkehr durch Signale und in modernen Verkehrssystemen mit sogenannter Linienzugbeeinflussung durch Isolierstöße, die die Schienen elektrisch unterbrechen, festgelegt.

Das Problem bestehe darin, den Zugfolgeabstand und die Anzahl sowie die Positionen der Gleisabschnittsgrenzen so aufeinander abzustimmen, dass bei vorgegebenem Zugfolgeabstand die Anzahl der Gleisabschnitte bzw bei vorgegebener Anzahl der Gleisabschnitte der Zugfolgeabstand minimiert werde.

Bisher würden die Längen der Gleisabschnitte aufgrund von Erfahrungswerten aus früheren Anlagen festgelegt. Es sei auch vorgeschlagen worden, die Gleisabschnittsgrenzen äquitemporal in der Weise zu positionieren, dass die Fahrzeit eines Fahrzeugs für jeden Gleisabschnitt identisch sei.

Als Aufgabe der Erfindung wird angegeben, ein Verfahren anzugeben, mit dem Gleisabschnittsgrenzen so positioniert werden könnten, dass sich minimale Zugfolgeabstände bzw eine minimale Anzahl von Gleisabschnitten ergäben.

Diese Aufgabe soll durch das anspruchsgemäße Verfahren mit den Schritten 1 bis 4 gelöst werden.

In der Beschreibung wird erläutert, hiermit könnten die Gleisabschnittsgrenzen (das sind zB die Positionen von Signalen, Signalverbindern oder Isolierstößen) auf den Streckenabschnitten einer Bahnanlage dann so positioniert werden, dass der fahrbare Zugfolgeabstand minimal werde. Bei Vorgabe eines bestimmten Verkehrsdurchsatzes könne auch die Anzahl der Gleisabschnitte minimiert werden.

Zur Lösung des angegebenen Problems werde ein Optimierungsverfahren angewandt. Dabei werde eine zulässige, ia suboptimale Startlösung für die Positionierung der Abschnittsgrenzen gewählt und dann in der Umgebung der Startlösung diejenige Lösung bestimmt, welche die Zielfunktion "Zugfolgeabstand" minimiere. Für die Optimierung werde der (kontinuierliche) Lösungsraum diskretisiert, weil die Zielfunktion nicht in analytischer Form vorliege.

Für das Optimierungsverfahren werden in der Beschreibung zwei Varianten vorgeschlagen:

Variante 1 sei eine Enumeration aller potentiellen Lösungen in der Umgebung der Startlösung. Die Optimalität der erhaltenen Lösung in bezug auf den diskreten Lösungsraum sei bei dieser Variante garantiert.

Variante 2 sei ein lokales Suchverfahren, bei dem in der Nachbarschaft der aktuellen Lösung iterativ eine Lösung mit kleinerem Zielfunktionswert gesucht werde. Die Iteration ende, wenn keine Verbesserung der Zielfunktion mehr erzielt werden könne.

In der Beschreibung werden zur Variante 2 weitere Methoden mit Literaturhinweisen gegeben, wie durch mathematische Verfahren die Effizienz noch gesteigert werden könne.

Die Beschreibung erläutert, die Lösung beruhe auf der überraschenden Erkenntnis, dass die "äquitemporale" Positionierung der Gleisabschnittsgrenzen in bezug auf die Zielfunktion "Zugfolgeabstand" in der Regel suboptimal sei. Es habe sich nämlich gezeigt, dass bei äquitemporaler Positionierung der Gleisabschnittsgrenzen nur dann ein Optimum entstehe, wenn die Länge und der Bremsweg der Fahrzeuge sowie die benötigten Schutzstrecken unberücksichtigt blieben. Die optimale Lösung liege aber in der Nachbarschaft dieser Lösung und könne daher Ñ ausgehend von dieser Lösung Ñ mit Hilfe eines Optimierungsverfahrens bestimmt werden.

Das erfindungsgemäße Verfahren könne beispielsweise durch eine Anordnung mit einem Prozessor und einem computerlesbaren Speichermedium, auf dem ein entsprechendes Programm gespeichert sei, durchgeführt werden.

2. Nach allem wird mit der Anmeldung Schutz beansprucht für ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere in den Entscheidungen "Anbieten interaktiver Hilfe" (BGH, Beschluß v. 19. Oktober 2004, X ZB 33/03; GRUR 2005, 141), "Rentabilitätsermittlung" (BGH, Beschluß v. 19. Oktober 2004, X ZB 34/03; GRUR 2005, 143) und "Elektronischer Zahlungsverkehr" (BGH, Beschluß v. 24. Mai 2004, X ZB 20/03; GRUR 2004, 667) ist ein Verfahren, das sich zur Herbeiführung des angestrebten Erfolges eines Programms bedient, mit dessen Hilfe eine Datenverarbeitungsanlage so gesteuert wird, dass der gewünschte Erfolgt erzielt wird, nicht schon wegen des Vorgangs der elektronischen Datenverarbeitung dem Patentschutz zugänglich. Da das Gesetz Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche vom Patentschutz ausschließt (§ 1 Abs 3 Nr 3 und Abs 4 PatG in der Fassung vom 28. Februar 2005), muß die beanspruchte Lehre vielmehr Anweisungen enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen, dh wenn wenigstens einem Teil der Lehre ein konkretes technisches Problem zugrunde liegt, greift der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs 3 Nr 3 PatG nicht. Ein Problem ist technischer Natur, wenn es notwendigerweise den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges erfordert. Welches technische Problem durch die Erfindung gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet. Die in der Anmeldung angegebene Aufgabe ist demgegenüber als solche nicht maßgeblich, sondern lediglich ein Hilfsmittel für die Ermittlung des objektiven technischen Problems.

3. 1. Hauptantrag und Hilfsantrag 1 a) Hintergrund für den Anmeldungsgegenstand ist die technische Problemstellung, durch entsprechende Steuerungsmaßnahmen mehr Züge über eine in einzelne Gleisabschnitte geteilte Strecke zu führen, dh im Betrieb minimale Zugfolgeabstände auf der Strecke zu ermöglichen.

Dieser technischen Problemstellung ist die Aufgabe vorgelagert, den Zugfolgeabstand und die Anzahl sowie die Positionen der Gleisabschnittsgrenzen so aufeinander abzustimmen, dass bei vorgegebenem Zugfolgeabstand die Anzahl der Gleisabschnitte bzw bei vorgegebener Anzahl der Gleisabschnitte der Zugfolgeabstand minimiert wird. Zur Bewältigung dieser Aufgabe wird ein Computer genutzt.

Vor dem Betrieb, also beim Bau bzw bei einer Modernisierung eines Streckenabschnitts stellt sich dann diese Aufgabe, die Gleisabschnittsgrenzen festzulegen und durch bauliche Maßnahmen, wie die Anordnung der Signale oder Isolierstöße in den Schienen, umzusetzen. Für diese Festlegung wird ua ein Computerprogramm mit einem Optimierungsalgorithmus benutzt, das somit keine aktuellen Fahr- und Zugdaten der Züge auf dem Streckenabschnitt verarbeitet, sondern das nur typische Fahrkurven von zwei Zügen verwendet (S 6 letzter Abs der Beschreibung). Die mit dem Computerprogramm errechneten Gleisabschnittsgrenzen verändern nicht die Gleisabschnittsgrenzen des realen Streckenabschnitts, also die Anordnung der Signale bzw Isolierstöße während des Betriebs. Das im Verfahren verwendete Computerprogramm hat auch keinen Einfluss auf die im Betrieb den Streckenabschnitt befahrenden Züge. Es hat somit keinen Einfluss darauf, ob im Betrieb tatsächlich minimale Zugfolgeabstände auf der Strecke erreicht werden, es kann im Rahmen der Streckenplanung eingesetzt werden, ist Planungshilfe und ist insbesondere dem Betrieb des Streckenabschnitts vorgelagert.

In der Aufgabe, den Zugfolgeabstand und die Anzahl sowie die Positionen der Gleisabschnittsgrenzen so aufeinander abzustimmen, dass bei vorgegebenem Zugfolgeabstand die Anzahl der Gleisabschnitte bzw bei vorgegebener Anzahl der Gleisabschnitte der Zugfolgeabstand minimiert wird, kann somit keine technische Problemstellung gesehen werden.

b) Auch in den im Verfahren des Anspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag 1 angegebenen Einzelmaßnahmen ist kein technisches Problem zu erkennen, das gelöst werden soll:

In der 1. Maßnahme wird eine Startlösung festgelegt. In Computerprogrammen müssen die verwendeten Variablen mit Startwerten belegt werden, damit es ablauffähig ist (S 8 Z 6 Schleife über alle Startwerte). Hierzu werden die Gleisabschnittsgrenzen rechnerisch zB äquitemporal positioniert (S 5 letzter Abs).

Die 2. Maßnahme legt diskrete Positionen der Gleisabschnittsgrenzen in der Nähe der Gleisabschnittsgrenzen der Startlösung fest, dh die Gleisabschnittsgrenzen werden zum Ausprobieren variiert. Hierzu kann zB ein diskretes Raster vorgesehen sein, dh die Ausgangswerte werden jeweils um einen festgelegten Betrag verschoben (S 8 Z 8 bis 9).

In der 3. Maßnahme wird der minimale Zugfolgeabstand berechnet unter der Annahme von typischen Fahrkurven für die Züge auf dem jeweiligen Streckenabschnitt, typischen Zuglängen und typischen Haltezeiten unter Berücksichtigung von Schutzstrecken und des Bremsweges, wenn der Gleisabschnitt in einem diskreten Raster (vgl 2. Maßnahme) rechnerisch verlegt wird (vgl S 8 Z 5 bis 17). Es werden also viele verschiedene diskrete Positionen der Gleisabschnittsgrenzen für ein vorgegebenes Modell durchprobiert und es wird durchgerechnet, welcher minimale Zugfolgeabstand sich hierfür ergibt. Auch die Verwendung von physikalischen Formeln zB für die Errechnung des Bremsweges mit vorgegebenen Fahrdaten stellt hierbei keine Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln dar.

Durch rechnerischen Vergleich wird in der 4. Maßnahme das Minimum der in der 3. Maßnahme errechneten minimalen Zugfolgeabstände bestimmt und die zugehörigen diskreten Positionen werden in einer entsprechenden Variablen zwischengespeichert (vgl S 8 Z 5 bis 17). Am Ende wird der Wert dieser Variablen, dh die gespeicherten diskreten Positionen als Ergebnis für die Gleisabschnittsgrenzen ausgegeben.

Ein konkretes technisches Problem, dh ein notwendiger Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges, ist bei keiner Einzelmaßnahme erkennbar. Im anspruchsgemäßen Verfahren sind demnach keine Anweisungen vorhanden, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben.

Die im Anspruch 1 angegebenen Maßnamen geben demnach ein numerisches Optimierungsverfahren an, das üblicherweise als Programm auf einer Datenverarbeitungsanlage abläuft.

c) Auch ein Vergleich mit anderen Computerprogrammen, für die über die Patentfähigkeit bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, führt zu keiner anderen Beurteilung.

Das anspruchsgemäße Optimierungsverfahren ist nicht in einen technischen Ablauf eingebunden, etwa dergestalt, dass es Messergebnisse wie zB die aktuellen Zug- und Fahrdaten aufarbeitet, den Ablauf des Zugbetriebs auf dem Streckenabschnitt überwacht oder sonst steuernd bzw regelnd nach außen auf die Züge wirkt (vgl BGH - GRUR 1980, 849 - "Antiblockiersystem"). Auch handelt es sich bei dem anspruchsgemäßen Verfahren um keinen Zwischenschritt im Rahmen der Herstellung eines technischen Gegenstandes, hier also eines Streckenabschnitts von schienengebundenen Verkehrssystemen, da weder eine Prüfung und ein Vergleich von Daten als Zwischenschritt stattfindet, noch die anspruchsgemäße Lösung durch eine auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnis und deren Umsetzung geprägt ist (vgl BGHZ 143, 255 - "Logikverifikation"). Denn das anspruchsgemäße Optimierungsverfahren wird im Planungsstadium eines Streckenabschnitts von schienengebundenen Verkehrssystemen eingesetzt und macht lediglich Vorschläge für Gleisabschnittsgrenzen, die jedoch im Hinblick auf weitere Anforderungen von den Gleisbauingenieuren angepasst und geändert werden können. Außerdem beruht die Optimierungslösung ausschließlich auf numerischen, mathematischen Überlegungen und ist hierdurch geprägt. Die Zugrundelegung der typischen Fahrkurven zweier aufeinanderfolgender Züge unter Berücksichtigung der Schutzstrecken und des Bremsweges im jeweiligen Gleisabschnitt, der Zuglängen sowie der Haltezeit der Züge am Ende des Streckenabschnitts in der 3. Verfahrensmaßnahme ist Teil des Modells, das optimiert werden soll. Auch betrifft das anspruchsgemäße Optimierungsverfahren nicht die Funktionsfähigkeit einer Datenverarbeitungsanlage als solche (vgl BGHZ 115, 11 - "Seitenpuffer") bzw es lehrt auch keinen bestimmten Aufbau einer Datenverarbeitungsanlage (vgl BGHZ 67, 22 - "Dispositionsprogramm").

d) Das Verfahren des Anspruchs 1 ist demnach ein Computerprogramm als solches und somit dem Patentschutz nicht zugänglich.

3.2. Hilfsantrag 2 Die Änderungen im Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 gegenüber dem Anspruch 1 nach Hauptantrag bzw Hilfsantrag 1 führen zu keiner geänderten Beurteilung.

Insbesondere ist aus den vorgenommenen Änderungen im Anspruch 1 in Verbindung mit den gesamten Anmeldungsunterlagen nicht ersichtlich, dass das Optimierungsverfahren nun in einen technischen Ablauf eingebunden sein soll, etwa dergestalt, dass es Messergebnisse wie zB die aktuellen Zug- und Fahrdaten aufarbeitet, oder steuernd bzw regelnd auf die Züge im Steckenabschnitt einwirkt, wie die Anmelderin meint.

4. Mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und 2 sind auch die auf diesen rückbezogenen Ansprüche 2 und 3 nicht gewährbar.

Mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und 2 sind auch die jeweils nebengeordneten Patentansprüche 4, 5, 6 (Hauptantrag) bzw 4 (Hilfsantrag 1 und 2) nicht gewährbar, da ein Patent nur so erteilt werden kann, wie es beantragt ist (vgl BGH GRUR 1997, 120 - "Elektrisches Speicherheizgerät").

Im übrigen betreffen die nebengeordneten Ansprüche mit den unterschiedlichen Kategorien dieselbe Lehre. Die Patentfähigkeit kann nicht nach der Kategorie dieser Ansprüche beantwortet werden, sondern muß abhängig davon beantwortet werden, was nach der beanspruchten Lehre im Vordergrund steht (vgl BGH GRUR 2002, 143 "Suche fehlerhafter Zeichenketten"). Die nebengeordneten Ansprüche 4 bis 6 stellen lediglich eine besondere Ausprägung des Verfahrens nach Anspruch 1 dar, also eines Computerprogramms als solchem, und sind somit ebenfalls dem Patentschutz nicht zugänglich.

Dr. Kellerer Schmöger Dr. Mayer Dr.-Ing. Scholz Pü






BPatG:
Beschluss v. 11.05.2005
Az: 19 W (pat) 24/03


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