Finanzgericht Kassel:
Urteil vom 15. Dezember 2005
Aktenzeichen: 13 K 1908/05
(FG Kassel: Urteil v. 15.12.2005, Az.: 13 K 1908/05)
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger neben seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer als Steuerberater zugelassen werden kann.
Der Kläger wurde am 10.05.2002 als Steuerberater bestellt. Mit Wirkung vom 01.04.2005 verlegte er seine berufliche Niederlassung in den Kammerbezirk der beklagten Steuerberaterkammer. Anlässlich dieser Verlegung teilte er der Beklagten im Rahmen eines Mitgliederfragebogens mit, dass er bei der XX- Bank in F. beschäftigt sei. Dem Mitgliederfragebogen war eine Erklärung der XX- Bank mit folgendem Inhalt beigefügt:
"Wir bestätigen, dass Herr M. F. bei uns in eigenverantwortlicher Stellung als Steuerberater im Bereich Steuern beschäftigt ist. Wir sind damit einverstanden und erklären, dass Herr M. F. durch seine Tätigkeit bei uns nicht gehindert sein wird, seinen Pflichten als Steuerberater nachzukommen, insbesondere ist er berechtigt, jederzeit seine Arbeitsstelle zu verlassen, wenn dies seine steuerberatende Tätigkeit erfordert. Unsere Erklärung ist Bestandteil des Arbeitsvertrages. Wir haben ferner Kenntnis davon genommen, dass Herr M. F. die Steuerberaterkammer Hessen K.d.ö.R. ermächtigt hat, von uns jederzeit Auskunft darüber einzuholen, ob sich das Dienstverhältnis in seinem wesentlichen Inhalt, insbesondere hinsichtlich Aufgabenstellung und Umfang bei der Bearbeitung von Angelegenheiten der XX- Bank auf dem Gebiet der von Bund, Länder und Gemeinden verwalteten Steuern gegenüber dem Zeitpunkt der Abgabe dieser Erklärung geändert hat".
Im Rahmen eines Anhörungsverfahrens wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass die Bestellung als Steuerberater gem. § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG zu widerrufen sei, da er eine Tätigkeit als Arbeitnehmer i.S.v. § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG ausübe.
Der Kläger, nunmehr vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, ließ sich wie folgt ein: es sei zutreffend, dass er eine Tätigkeit als Arbeitnehmer i.S.v. § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG ausübe. Eine ähnliche Vorschrift habe es für Rechtsanwälte gegeben. Diese habe allerdings das Bundesverfassungsgericht -BVerfG- als verfassungswidrig angesehen. Da jedoch die Anwaltstätigkeit mit derjenigen eines Steuerberaters vergleichbar sei, seien die Erwägungen des BVerfG auch auf die gleiche Problematik bei Steuerberatern zu übertragen. Die Berufsausübungsregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG verstoße daher gegen die Berufsausübungsfreiheit und sei deshalb unwirksam. § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG sehe vor, dass eine Bestellung zu widerrufen sei, wenn der Steuerberater eine Tätigkeit ausübe, welche mit seinem Beruf nicht vereinbar sei. Diese Voraussetzung wäre nur erfüllt, wenn die Vorschrift genauso wie § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG auszulegen wäre. Das würde dann aber einerseits in die durch Art. 12 GG geschützte Freiheit der Berufswahl eingreifen und wäre andererseits eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit Rechtsanwälten und wäre somit unzulässig.
§ 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG müsse vorliegend somit verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass ein Widerruf der Bestellung nicht erfolgen könne.
Die beklagte Steuerberaterkammer folgte dem nicht und widerrief mit Schreiben vom 16.06.2005 die Bestellung des Klägers als Steuerberater. Nach Auffassung der Beklagten liegen vorliegend die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG vor. § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG solle nämlich als Gefährdungstatbestand zum Schutz der Ratsuchenden die Unabhängigkeit der Steuerberater sichern und Interessenkollisionen vermeiden. Es komme daher nicht darauf an, ob im Einzelfall tatsächlich die Unabhängigkeit fehle oder eine Interessenkollisionen vorliege. Im übrigen könne die Rechtsprechung, die zum Beruf des Rechtsanwalts ergangen sei, nicht ohne weiteres auf den Beruf des Steuerberaters auf Grund der unterschiedlichen Berufsfelder übertragen werden. So hätten auch das BVerfG sowie der Bundesfinanzhof -BFH- bestätigt, dass ein Widerruf der Bestellung als Steuerberater wegen einer Tätigkeit als Arbeitnehmer zulässig sei.
Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, fristgemäß Klage erhoben, mit der er sein Ziel unter Wiederholung und Vertiefung des außergerichtlichen Vorbringens weiterverfolgt.
Zusätzlichen zu seinem außergerichtlichen Vorbringen weist der Kläger darauf hin, dass mittlerweile viele Rechtsanwaltskanzleien geschäftsmäßig Hilfeleistung in Steuersachen leisteten. Auch deshalb sei eine Gleichstellung von Steuerberatern mit Rechtsanwälten in standesrechtlicher Hinsicht erforderlich geworden.
Der Kläger beantragt, den Widerrufsbescheid der Beklagten vom 16.06.2005 über die Bestellung des Klägers zum Steuerberater aufzuheben, im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Auch die beklagte Steuerberaterkammer wiederholt im gerichtlichen Verfahren ihr außergerichtliches Vorbringen.
Wegen Einzelheiten des jeweiligen Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 05.07., 02.08. und 18.11.2005 mit den jeweiligen Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG ist die Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte eine gewerbliche Tätigkeit oder eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübt, die mit seinem Beruf nicht vereinbar ist (§ 57 Abs. 4). Die vorliegend einschlägigen §§ 57 Abs. 2 S.1 und Abs. 4 Nr. 2 StBerG bestimmen insoweit: Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist (§ 57 Abs. 2 S. 1). Als Tätigkeiten, die mit dem Beruf des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar sind, gelten insbesondere eine Tätigkeit als Arbeitnehmer mit Ausnahme der Fälle des Absatzes 3 Nr. 4 sowie der §§ 58 und 59 (§ 57 Abs. 4 Nr. 2). Die Ausnahmevorschrift sind vorliegend ersichtlich nicht einschlägig.
Diese gesetzlichen Voraussetzungen sind beim Kläger erfüllt.
Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung von der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen aus (Beschluss vom 28.04.2004, VII B 44/04, BFH/NV 2004, 1297; Urteil vom 9.2.1993, VII R 89/92, BFH/NV 1993, 693 jeweils m.w.N.). Nach dieser Rechtsprechung sind weder Art. 12 Abs. 1 GG noch Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Auch das BVerfG hat mit Entscheidung vom 15.02.1967, 1 BvR 569/62, die Verfassungsmäßigkeit dieser Be-stimmungen (in der damals geltenden Fassung) bestätigt.
Insbesondere lehnt der BFH eine Übertragung der Rechtsprechung des BVerfG (z.B. Beschluss vom 04.11.1992 - 1 BvR 79/85 u.a., NJW 1993, 317) zur ähnlichen Problematik bei Rechtsanwälten (vgl. § 7 Nr. 8 BRAO) auf das StBerG ab, da sich die Berufsbilder in nicht unerheblicher Weise unterscheiden, sodass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorliegt. Zwischen der Berufsausübung eines Rechtsanwaltes und der eines Steuerberaters - so der BFH - bestehen im allgemeinen wesentliche Unterschiede. Diese Unterschiede ergeben sich vor allem daraus, dass der Steuerberater über einen gegebenen Einzelfall hinaus meist eingehende und umfassende Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - einschließlich der beruflichen Tätigkeit, der Betriebsverhältnisse und dergleichen - seiner Mandanten benötigt, um sie richtig beraten und ihre Interessen in vollem Umfang wahrnehmen zu können. Für das Tätigwerden eines Rechtsanwaltes sind derartige Kenntnisse in der Regel nicht erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn sie gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 StBerG Hilfe in Steuersachen leisten; denn diese bezieht sich bei Rechtsanwälten in der Regel auf die Beratung und Prozessvertretung in steuerrechtlichen Einzelfragen, während sie bei Steuerberatern meist eine umfassende steuerliche Beratung - einschließlich Gewinnermittlung und Erstellung der gesamten Steuererklärungen - häufig im Sinne eines Dauermandats umfasst. Wenn ein Steuerberater sich neben diesem Beruf noch als Arbeitnehmer betätigt, so ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass er auf Grund seiner umfassenden Kenntnisse über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seines Mandanten bei der Erledigung seiner Aufgaben als Arbeitnehmer in Interessenkollision gerät. Diese - abstrakte - Gefahr macht bei dieser Berufsgruppe eine derartige Berufskombination zumindest weniger erträglich als bei anderen freien Berufen (BFH/NV 1993, 693 auch unter Hinweis auf BVerfGE 21, 173, 182).
Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass auch Rechtsanwälte - entweder als Fachanwälte für Steuerrecht oder ohne Fachanwaltsbezeichnung - im Bereich der Steuerberatung tätig werden. Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 18.11.2005 vorgelegten Nachweise bestätigen diese auch dem Gericht bekannte Tatsache. Gleichwohl führt dies nicht zu einem Gleichklang beider Berufsbilder. Trotz gewisser Überschneidungen im Bereich der Steuerberatung behalten die Ausführungen des BFH zu den einzelnen unterschiedlichen Berufsbildern nach wie vor ihre Gültigkeit. Denn im Gegensatz zur Auffassung des Klägers ist sowohl hier als auch bei der Auslegung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 57 Abs. 2, Abs. 4 Nr. 2 StBerG eine abstrakte Betrachtungsweise vorzunehmen. Es ist daher nicht darauf abzustellen, ob im konkreten Einzelfall eine - insoweit kaum nachprüfbare - Interessenkollision vorliegt; entscheidend ist vielmehr, ob abstrakt eine solche Möglichkeit besteht. Dieser ständigen Rechtsprechung des BFH schließt sich der erkennende Senat an.
Schließlich hat der Gesetzgeber im Jahre 2000 mit dem 7. StBÄndG in Kenntnis der Problematik § 46 Abs. 2 Nr. 1 StBerG dahingehend erweitert, dass die Bestellung nicht nur zu widerrufen ist, wenn der Steuerberater eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübt, sondern auch dann, wenn er eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Die Norm ist daher sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach dem Willen des Gesetzgebers eindeutig, sodass auch eine anderweitige Auslegung, wie vom Kläger gefordert, nicht in Betracht kommt.
Die Tatsache, dass nach Darstellung der Beteiligten offensichtlich Bestrebungen des Gesetzgebers im Gange sind, die Gesetzeslage dahingehend zu ändern, dass diese der für Rechtsanwälte geltenden Rechtslage angeglichen werden soll, ist unbeachtlich; denn abzustellen ist auf die zur Zeit geltende Rechtslage.
Danach war die Klage mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO- abzuweisen.
Der Senat sieht angesichts der ständigen und gefestigten Rechtsprechung des BFH zur vorliegenden Problematik keine Veranlassung die Revision nach § 115 FGO zuzulassen.
FG Kassel:
Urteil v. 15.12.2005
Az: 13 K 1908/05
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