Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 16. Mai 2013
Aktenzeichen: 29 K 328.11

(VG Berlin: Urteil v. 16.05.2013, Az.: 29 K 328.11)

Tenor

Nr. 1 und Nr. 3 des Bescheides des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 7. Juni 2011 werden insoweit aufgehoben, als dort die Erlösauskehrberechtigung der Beigeladenen in Höhe von mehr als 1.569/10.000 Bruchteilen festgestellt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Klägerin zu 3/4. Im Übrigen tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils 1/8 der sonstigen Kosten des Verfahrens mit Ausnahme ihrer weiteren außergerichtlichen Kosten, die sie jeweils selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um anteilige Erlösauskehr für das Grundstück B...straße in Berlin-Mitte wegen der entzogenen Beteiligung des damals wie heute in Hamburg ansässigen Bankhauses W... & Co. OHG an der ehemaligen K... AG.

Das Bankhaus hatte nach den nicht angegriffenen Feststellungen im angegriffenen Bescheid bis 1938 vier jüdische Gesellschafter sowie einen ebenfalls jüdischen stillen Gesellschafter. Mit Vertrag vom 30. Mai 1938 (€Kommanditvertrag€) wurde das Bankhaus arisiert, indem die bisherigen Gesellschafter aus der Gesellschaft ausschieden und zwei neue Komplementäre sowie elf Kommanditisten eintraten; zwei der bisherigen haftenden Gesellschafter behielten stille Einlagen. Nach den weiteren Feststellungen im Bescheid ist das schon zu niedrig angesetzte Auseinandersetzungsguthaben nicht in voller Höhe in die freie Verfügung der ausscheidenden Gesellschafter gelangt.

Eingetragener Eigentümer des Grundstücks war seit 1928 die K... Aktiengesellschaft in Hamburg. 1950 wurde unter Berufung auf das Gesetz des Magistrats von Groß-Berlin vom 8. Februar 1948 Eigentum des Volkes eingetragen. Rechtsträger wurde die Berliner Volkseigene Wohnungsverwaltung . Im Wege der Vermögenszuordnung wurde zunächst 1993 das Land Berlin als Eigentümer eingetragen, 1996 sodann die Klägerin. Diese veräußerte das Grundstück mit Vertrag vom 23. Mai 2003 für 450.000 € an einen privaten Dritten.

Der derzeitige Chef des Bankhauses hat eine Ausarbeitung der Historikerin H... über die Beteiligungen des Bankhauses W... & Co. OHG an der K... AG anfertigen lassen. Nach ihren Ausführungen lassen sich die Beteiligungsverhältnisse der damals nicht börsennotierten AG ab 1931 nicht zuverlässig an Hand von deren Aktionärsverzeichnissen rekonstruieren, sondern nur mittels vorhandener Depot- und Bilanzaufgaben sowie Effektenkontobüchern und Vermögensaufstellungen, auch wenn diese keine exakte Stichtagsbetrachtung erlaubten. Nach ihren Feststellungen betrug die identifizierbare Beteiligung des Bankhauses einschließlich der Anteile der von ihr beherrschten €A...€ bei der Generalversammlung vom 30. August 1934 23,37 % und zum Jahresende 20,81 %. Bei der Generalversammlung vom 20. August 1935 betrug die Beteiligung nur noch 7,45 %, bei derjenigen vom 17. Dezember 1936 noch 6,17 %.

Neben ihrer Globalanmeldung ANM-3 vom 22. Dezember 1992 (I Bl. 1) hat die Beigeladene mit Schreiben vom 30. Dezember 1992 (I Bl. 4) an das Bundesministerium der Justiz Vermögenswerte gemäß einer Anlage €Information zur Geschichte der Juden in R...€ angemeldet. In einer Anlage ist aufgeführt:

Messrs. W... & Co., Hamburg, F...strasse 57Berlin, T...strasse 7aDie Hausnummern sind jeweils handschriftlich beigefügt. Mit Schreiben vom 25. Januar 1993 bestätigte das Ministerium den Eingang am 31. Dezember 1992 und bat um Aufschlüsselung der diversen angemeldeten Vermögenswerte € nach Angaben der Beigeladenen handelte es sich um drei Umzugskartons € zur Weiterleitung an die zuständigen Vermögensämter. Mit Schreiben vom 16. Februar 1993 teilte die Beigeladene mit, dass sich diese Anmeldung auf Betriebsvermögen beziehe. Am 1. Juni 1994 präzisierte die Beigeladene zudem ihre Globalanmeldung ANM-1 auf die K... AG, nahm diese Anmeldung aber offenbar wieder zurück (ein Schreiben vom 22. September 1997 bezieht sich allerdings nur auf mecklenburgisch-vorpommersche Vermögenswerte). Mit Schreiben vom 4. Mai 2006 meldete sie unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1a NS-VEntschG eine Liste von Vermögenswerten unter Beschränkung auf Entschädigung an; in der Liste ist u.a. aufgeführt: W... & Co. KG, Berliner Büro.

Mit Bescheid vom 7. Juni 2011 stellte das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen fest, die Beigeladene sei Berechtigte in Höhe von 2.081/10.000 Bruchteilen (Anteil des Bankhauses W... & Co. OHG an der ehemaligen K... AG) hinsichtlich des streitigen Grundstückes, die Rückübertragung sei ausgeschlossen und die Klägerin zur Auskehr des entsprechenden Anteils an dem Erlös aus der Veräußerung vom 23. Mai 2005 verpflichtet. Zudem wurde die Klägerin verpflichtet, von dem auszukehrenden Erlös einen Ablösebetrag von 5.033,78 € an den Entschädigungsfonds zu leisten. Zur Begründung heißt es, die sukzessiven Veräußerungen der K...-Aktien beginnend ab dem Jahr 1935 stellten eine gestreckte Schädigung dar, die mit der Arisierung des Bankhauses ihren Abschluss gefunden habe. Die Veräußerungen zu Beginn des Jahres 1935 seien zu etwa einem Viertel des Kurswertes erfolgt, so dass schon kein angemessener Kaufpreis festgestellt werden könne. Für die Veräußerungen nach dem 15. September 1935 könne nicht angenommen werden, dass sie auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus erfolgt wären; es seien auch keine Erwerber bekannt, die Vermögensinteressen der Verkäufer wahrgenommen hätten. Der für die Berechtigtenfeststellung maßgebliche Anteil habe zu Beginn der Schädigung € Ende 1934 € 20,81 % betragen. Der Ablösebetrag errechne sich aus einer Grundschuld über 38.000 US-$ und einem Kurs von 1 US-$ zu 2,49 RM Ende 1934. Der Bescheid wurde der Klägerin am 9. Juni 2011 zugestellt.

Mit ihrer am 7. Juli 2011 dagegen erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass (1.) die Beigeladene keinen rechtzeitigen Antrag auf Restitution des streitigen Grundstückes gestellt habe, dass (2.) die Beteiligung des Bankhauses W... & Co. OHG an der ehemaligen K... AG keiner schädigenden Maßnahme i.S.v. § 1 Abs. 6 VermG unterlegen habe und dass (3.) das erforderliche Quorum einer Beteiligung i.H.v. mindestens 20 % nicht erfüllt sei.

1. Die Restitution und damit auch die Erlösauskehr scheiterten schon daran, dass die Beigeladene ihren Antrag mit Schreiben vom 4. Mai 2006 auf Entschädigung umgestellt habe. Da es sich um ein und denselben Vermögenswert handele, der lediglich zweimal beantragt worden sei, könne die Entschädigungswahl nur einheitlich verstanden und nicht auf eine der beiden Anmeldungen beschränkt angesehen werden. Zudem sei keine Anmeldung jemals auf den Vermögenswert B...straße konkretisiert worden, schon gar nicht innerhalb der Anmeldefrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG.

2. Bis zum 15. September 1935 habe die Beteiligung keiner schädigenden Maßnahme unterlegen, da angesichts der hohen Verschuldung der K... AG die Aktien nur schwer verkäuflich gewesen seien, so dass der Börsenpreis kein tragfähiges Indiz darstelle, sondern viel dafür spreche, dass der Kaufpreis angemessen gewesen sei. Da das Bankhaus den Veräußerungserlös ausweislich einer Notiz vom 9. Januar 1935 dazu verwendet habe, Schulden bei der Reichsbank zu tilgen, sei der Betrag auch in ihre freie Verfügung gelangt.

3. Das erforderliche Quorum von mindestens 20 % Beteiligung sei schon deshalb nicht erreicht, weil die Beklagte zu Unrecht von einer gestreckten Schädigung ausgehe. Das Institut der gestreckten Schädigung sei nur bei unmittelbarer staatlicher Einwirkung und nur für Enteignungen durch Organe der DDR anerkannt, nicht für NS-Schädigungen. Zudem spreche der angenommene lange Zeitraum von 3,5 Jahren gegen eine gestreckte Schädigung. Schließlich solle das Institut Fälle erfassen, in denen die Eigentümerstellung nach und nach bis zur vollständigen Verdrängung gelockert wurde, während hier Teile der Beteiligung unmittelbar aufgegeben wurden. Da auf die einzelnen Verkaufsakte abzustellen sei, sei mit der ersten Veräußerung vom 8.-10. Januar 1935 eine Beteiligung von 3,5 % entzogen worden, so dass € eine Schädigung unterstellt € auch nur in dieser Höhe ein Bruchteilsrestitutionsanspruch bestehen könne. Danach bestehe dieser Anspruch mangels einer mindestens 20%igen Beteiligung nicht mehr.

Es sei zudem nicht belegt, dass das Bankhaus tatsächlich zum 31. Dezember 1934 über eine Beteiligung i.H.v. 20,81 % verfügte, da dies aus einer Mehrzahl von Dokumenten, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten erstellt worden seien, abgeleitet werde.

Angesichts des Umstandes, dass die Beteiligung zum 20. August 1935 nur noch 7,45 % betragen haben solle, sei es wahrscheinlich, dass bereits Ende 1934 Verkäufe erfolgt seien, so dass das Quorum zu dem nach Ansicht der Beklagten maßgeblichen Zeitpunkt 31. Dezember 1934 nicht mehr erfüllt gewesen wäre. Beklagte und Beigeladene müssten deshalb darlegen, dass keine zwischenzeitlichen Abverkäufe stattgefunden hätten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 7. Juni 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie habe als maßgeblichen Zeitpunkt für den Beginn der Schädigung den 31. Dezember 1934 gewählt, weil ab diesem Zeitpunkt erstmals ein Rückgang der Beteiligung des Bankhauses an der K... AG feststellbar sei. Auf die Klagebegründung erwidert sie:

1. Die Beschränkung auf Entschädigung beruhe nicht auf einer Entschädigungswahl nach § 8 VermG, sondern auf § 1 Abs. 1a NS-VEntschG, der wiederum an die Globalanmeldungen anknüpfe; die hier der Globalanmeldung vorgehende Individualanmeldung sei davon nicht erfasst. Bruchteilsrestitutionsansprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG setzten zudem nur eine fristgerechte Anmeldung des geschädigten Unternehmens, nicht der einzelnen Grundstücke voraus.

2. Zu Kaufpreis und freier Verfügbarkeit stelle die Klägerin nur Vermutungen auf, die zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht ausreichten.

3. Das Institut der gestreckten Schädigung werde von der Rechtsprechung auf NS-Schädigungen ohne Weiteres angewandt, wie gerade die von der Klägerin genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zeige. Eine nach und nach eingetretene Lockerung der Eigentümerstellung könne auch in dem sukzessiven Verlust der K...-Beteiligung gesehen werden. Die gestreckte Schädigung erfordere keine unmittelbare staatliche Einwirkung, sondern es genüge, wenn einzelne Zugriffe auf einen Vermögenswert auf einem identischen Grund beruhten, hier nämlich dem Plan des NS-Regimes, jüdische Bankhäuser zu arisieren.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor:

1. Es liege eine ausreichend präzise Individualanmeldung vor. Bereits aus der Anmeldung vom 30. Dezember 1992 ergebe sich hinreichend deutlich, dass Betriebsvermögen und nicht ein einzelnes, noch dazu nicht im Beitrittsgebiet liegendes Grundstück angemeldet werden sollte. Damit seien auch Ansprüche nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG bezüglich früherer K...-Grundstücke erfasst, ohne dass diese einzeln hätten benannt werden müssen. Es liege auch keine Entschädigungswahl vor, da diese nur für die Globalanmeldungen möglich gewesen sei.

2. Eine Widerlegung der Verfolgungsvermutung des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 REAO könne der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, da sich mit den Ermittlungen der Historikerin H... eine Verfolgungsbedingtheit belegen lasse. Sie beruhe auf der Verdrängung von F...W... aus dem Aufsichtsrat der K... AG und der im Zusammenhang mit dem NS-Boykott gegen €jüdische€ Kaufhäuser vollzogenen personellen €Entjudung€ dieses Unternehmens. Es handele sich um eine gestreckte Schädigung, so dass alle sukzessiv entzogenen Anteile an der K... AG zusammen zu zählen seien, mithin das Quorum von 20 % erreicht werde.

3. Zur Beteiligungshöhe und den Anteilsverkäufen verweist sie auf eine ergänzende Ausarbeitung der Historikerin H... vom 18. März 2013.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die von Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (7 Ordner) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, da der angegriffene Bescheid nur insoweit rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass der Beigeladenen wegen der entzogenen Beteiligung des Bankhauses W... & Co. OHG an der ehemaligen K... AG ein Anspruch auf anteilige Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des fraglichen Grundstückes zusteht. Dieser besteht allerdings nicht in der gesamten von der Beklagten festgestellten Höhe.

1. Es liegt mit dem am 31. Dezember 1992 beim Bundesministerium der Justiz eingegangenen Schreiben vom 30. Dezember 1992 eine die Frist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG wahrende Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche vor, die auch das hier in Rede stehende Grundstück erfasst.

Eine Benennung des Grundstückes, auf den sich ein Anspruch nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG richten soll, ist innerhalb der Anmeldefrist nicht erforderlich. So hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass es der Charakter des § 3 Abs. 1 Satz 4 ff. VermG als ergänzende Singularrestitution zur Wiedergutmachung für den Entzug einer Unternehmensbeteiligung rechtfertige, auch für die Ansprüche auf Restitution von Bruchteilseigentum darauf abzustellen, dass innerhalb der Frist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG Ansprüche auf Wiedergutmachung des Entzugs der Unternehmensbeteiligung € also nicht auf Bruchteilsrestitution € angemeldet worden seien (BVerwG, Beschlüsse vom 27. Oktober 2009 € 8 C 22.09 €, juris Rdnr. 3, und vom 9. September 2011 € 8 B 15.11 €, ZOV 2011, 226 = juris Rdnr. 4).

Dabei ist allerdings zwischen zwei Schädigungsebenen zu unterscheiden: Bei den Verkäufen vor Abschluss des Kommanditvertrages vom 30. Mai 1938 hat das gemäß § 1 Abs. 2 der Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 14. Juni 1938 (RGBl. I S. 627) als jüdisch geltende Bankhaus W... & Co. OHG Aktien veräußert, während durch den Kommanditvertrag den jüdischen Inhabern dieses Unternehmen entzogen wurde. Nun ist anzunehmen oder jedenfalls nicht widerlegt, dass bei der Entziehung des Bankhauses dieses noch über Restbestände von K...-Aktien verfügte; die letzten Zahlen stammen vom 31. Dezember 1936, als die Bank noch eine Beteiligung von 6,17 % gehalten haben soll. Zunächst ist also der Bank in mehreren Verkaufsfällen ein Teil ihrer unmittelbaren Beteiligung an der K... AG abhanden gekommen; insoweit ist die Beigeladene gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 VermG Rechtsnachfolgerin der nach der nationalsozialistischen Anschauung jüdischen OHG. Sodann ist den jüdischen Inhabern ihr Bankhaus entzogen worden und damit mittelbar die noch vorhandene Beteiligung an der K... AG; insoweit ist die Beigeladene Rechtsnachfolgerin der früheren jüdischen Gesellschafter der Bank. Zwar ist Berechtigter € gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 VermG also zunächst der Geschädigte selbst € bei Ansprüchen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG gemäß § 3 Abs. 1 Satz 5 VermG immer der Gesellschafter oder sein Rechtsnachfolger, doch ändert dies nichts an der Verschiedenheit der Zugriffsobjekte der Schädigung.

Die Anmeldung von €Messrs. W... & Co.€ unter Angabe der Geschäftssitze, die beide nicht im Beitrittsgebiet liegen, stellt ohne weiteres eine Anmeldung des Unternehmens €Bankhauses W... & Co. OHG€ dar, die dessen Vermögenswerte, also auch die Beteiligungen, umfasst. Eine Entziehung des Unternehmens als solches stellt zwar zunächst nur die Schädigung durch den Kommanditvertrag dar. Die Kammer ist aber der Auffassung, dass damit auch die Beteiligung des Bankhauses an der K... AG umfasst ist. Denn es erschiene überzogen, Ansprüche der Beigeladenen auf den Entzug des Unternehmens als solches als angemeldeten Vermögenswert zu beschränken, wenn das Unternehmen nicht nur selbst Gegenstand, sondern zuvor bereits Opfer nachweisbarer schädigender Maßnahmen war. Eine andere Auffassung stünde im Widerspruch zu den geringeren Anforderungen an die Wirksamkeit von Globalanmeldungen.

2. Die Beigeladene ist nicht auf Entschädigung beschränkt. In dem Schreiben vom 4. Mai 2006 bezieht sie sich ausdrücklich auf § 1 Abs. 1a NS-VEntschG. Dieser wiederum regelt Ansprüche in Bezug auf €eine nur allgemein umschriebene Anmeldung€; damit sollte der Entschädigungsanspruch erstreckt werden auf Vermögenswerte, die durch die Globalanmeldungen insgesamt (ANM 1 und 2) oder mangels €Hinführens€ im Einzelfall (ANM 3) nicht hinreichend konkretisiert und damit auch keiner Präzisierung nach Ablauf der Anmeldefrist des § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG zugänglich waren. Der Erklärungsgehalt dieses Schreibens ist daher dahin gehend zu verstehen, dass die Beigeladene Entschädigung (nur) für solche Vermögenswerte beansprucht, für die sie vor Einführung dieser Bestimmung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Globalanmeldungen keinerlei Ansprüche gehabt hätte, nicht hingegen so, dass sie auch für bereits rechtzeitig konkretisierte Vermögenswerte nur noch Entschädigung beanspruchen wolle. Da diese bereits nicht von der Voraussetzung €nur allgemein umschrieben€ umfasst sind, verstieße eine solche Entschädigungswahl zudem gegen § 6 Abs. 7, § 8 VermG, wonach die Klägerin nur bis 1999 Entschädigung wählen durfte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 1 Abs. 1a Satz 2 NS-VEntschG. Soweit dort von vor dem 8. November 2005 benannten bestimmten Vermögenswerten die Rede ist, bezieht sich dies nicht auf alle Anmeldungen bestimmter Vermögenswerte seit In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes, sondern knüpft an § 1 Abs. 1a Satz 1 NS-VEntschG an, betrifft also wiederum nur die nach dem 31. Dezember 1992 erfolgten Präzisierungen der unzureichenden Globalanmeldungen.

3. Die Veräußerung von K...-Aktien € auf den konkreten Umfang ist noch einzugehen € stellt einen verfolgungsbedingten Verlust i.S.v. § 1 Abs. 6 VermG dar. Für Rechtsgeschäfte in der Zeit vor dem 15. September 1935 ist die für die Verfolgungsbedingtheit sprechende Vermutung von § 1 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 REAO nur durch den Beweis zu widerlegen, dass der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis erhalten hat und über diesen frei verfügen konnte. Dabei genügt es für die Widerlegung der Vermutung durch die Führung des Beweises des Gegenteils nicht, dass ein anderer möglicher Hergang des Geschehens dargetan wird. Es ist vielmehr der volle Beweis des Gegenteils zu führen (BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 € 8 C 10.03 €, BVerwGE 119, 232 = juris Rdnr. 52). Dieser Beweis kann mit dem Vortrag der Klägerin nicht gelingen, denn es ist zwar denkbar, aber nicht belegt, dass in der damals aktuellen Geschäftssituation ein Preis deutlich unter Kurswert noch angemessen war. Das gleiche gilt für die Frage der freien Verfügbarkeit, für die nur hinsichtlich einer Tranche ein Beleg vorliegt, der zudem nicht deutlich macht, ob tatsächlich der volle Kaufpreis zur Schuldentilgung genutzt werden konnte. Es kann daher dahin stehen, ob die von der Beigeladenen angeführten historischen Erkenntnisse über die Gesamtsituation andere Tatsachen sind, die eine ungerechtfertigte Entziehung beweisen, indem nämlich der jüdische Teilhaber aus dem Geschäft gedrängt werden sollte.

Hinsichtlich von Aktienveräußerungen nach dem 15. September 1935 sowie des €Kommanditvertrages€ vom 30. Mai 1938 ließe sich die Vermutung der Verfolgungsbedingtheit zudem gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 3 REAO nur durch den Beweis widerlegen, dass diese Rechtsgeschäfte ihrem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus erfolgt wären oder der (jeweilige) Erwerber in besonderer Weise den Schutz von Vermögensinteressen des Verfolgten wahrgenommen hätte. Für beides sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

4. Die Kammer ist der Auffassung, dass sich die sukzessiven Veräußerungen von Aktien sowie der Verlust des Bankhauses selbst nicht zu einer gestreckten Schädigung zusammenziehen lassen. Dabei ist dies für Schädigungen zwischen 1933 und 1945 nicht von vornherein auszuschließen. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass der Begriff der €gestreckten Enteignung€, so wie ihn die Rechtsprechung ursprünglich entwickelt hat, auf NS-Schädigungen nicht passt: Es ging darum, bei einem DDR-typischen Unternehmensschicksal, bei dem dem privaten Inhaber zunächst eine staatliche Kommanditbeteiligung aufgenötigt und später sein verbliebener Komplementäranteil entzogen wurde, diesem Inhaber einen Anspruch auf das gesamte Unternehmen und nicht nur auf den schließlich entzogenen, durch die Kommanditbeteiligung reduzierten Anteil einzuräumen. Dazu wurde bereits die erzwungene staatliche Beteiligung, die für sich genommen keinen Tatbestand nach § 1 VermG erfüllen mag, als Teil einer das gesamte Unternehmen erfassenden Schädigungsabsicht in eine Gesamtbetrachtung einbezogen (BVerwG, Urteil vom 5. Oktober 2000 € 7 C 95.99 €, Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 40 = juris Rdnr. 14). Eine derartige Betrachtungsweise ist im vorliegenden Fall schon im Ansatz nicht notwendig, da jede einzelne Veräußerung von Aktien durch Verfolgte ab dem 30. Januar 1933 als Schädigung i.S.v. § 1 Abs. 6 VermG angesehen oder auch deren Verfolgungsbedingtheit widerlegt werden kann. Ließe sich z.B. bei einer Veräußerung einzelner Aktien Anfang 1933 die Verfolgungsvermutung widerlegen, bestünde kein Anlass, sie gleichwohl in eine Gesamtschädigung einzubeziehen, wenn der selbe Verfolgte 1938 weitere Aktien des nämlichen Unternehmens verfolgungsbedingt veräußert hat. Ist hingegen die Verfolgungsvermutung bereits für den frühen Verkauf nicht zu widerlegen, bedarf es ebenfalls keines überwölbenden Gesamtplans, um die Wiedergutmachungsbedürftigkeit bereits dieses Verlustes festzustellen.

So geht es hier auch nicht darum, für sich genommen nicht schädigende mit schädigenden Maßnahmen zu einer Gesamtschädigung zusammen zu führen, sondern darum, ob eine Abfolge von Schädigungen gleichartiger Vermögenswerte € K...-Aktien € als Teilschädigungen eines einheitlichen Vermögenswertes € Gesamtbeteiligung des Bankhauses an der K... AG € zusammengefasst werden kann mit der Folge, dass dadurch das Quorum erreicht wird. Grundsätzlich erscheint dies denkbar. So hat das Bundesverwaltungsgericht den sukzessiven Verlust von Erbanteilen hinsichtlich eines entzogenen Grundstückes als einheitlichen Zugriff angesehen, wenn die Maßnahmen € erstens € in ihrer Summe zu einem vollständigen Entzug des zur gesamten Hand gehaltenen Vermögenswerts geführt haben und € zweitens € der Grund für den Eigentumsverlust der selbe gewesen ist, nämlich eine seit dem ersten schädigendem Zugriff bestehende Überschuldungssituation (BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2003 € 7 C 10.02 €, Buchholz 428 § 2a VermG Nr. 7 = juris Rdnr. 12).

Problematisch ist dabei allerdings, dass hier € wie bereits oben zu 1. ausgeführt € zwei unterschiedliche Schädigungsebenen zusammentreffen, nämlich zunächst die Veräußerung von K...-Aktien durch das Bankhaus, schließlich der Verlust des Bankhauses als solches. Angesichts des Arisierungsdruckes gerade in der als jüdisch angesehenen Warenhausbranche, dem offenbar die K... AG besonders zügig erlegen ist, wie die frühzeitige Entlassung aller jüdischen Mitarbeiter zeigt, ist es nahe liegend, das sukzessive Herausdrängen des jüdischen Bankhauses aus der K...-Beteiligung als zusammenhängender Vorgang anzusehen. Die Arisierung des Bankhauses selbst ist aber davon losgelöst zu betrachten. Ähnlich lag der Fall in der von der Klägerin zitierten Entscheidung (BVerwG, Beschluss vom 23. März 2012 € 8 B 84.11 €, Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 79 = juris Rdnr. 7): Dort konnten € nach den revisionsrechtlich bindenden Feststellungen der Vorinstanz € in einem vor 1937 erfolgten Verkauf von Grundstücken Schmälerungen des Unternehmensvermögens im Sinne einer so genannten gestreckten Schädigung deshalb nicht gesehen werden, weil nicht festgestellt oder dargetan war, dass sie den 1937 erfolgten Entzug des Gesellschaftsanteils einleiteten, also auf den einheitlichen Vorsatz des Schädigers zurückzuführen waren.

Dem entspricht der vorliegende Fall: Es ist nicht zu verkennen, dass die ablehnende Haltung der Nationalsozialisten gegenüber den als jüdisch angesehenen Kaufhäusern, die in der Boykottaktion vom 1. April 1933 ihren Ausdruck fand, Anlass war, die K... AG zu €entjuden€. Es ist dagegen nicht zu erkennen, dass damit oder gleichzeitig bereits beabsichtigt gewesen wäre, auf das Bankhaus insgesamt zuzugreifen. Vielmehr ist in den Anfängen der nationalsozialistischen Herrschaft, die noch von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise gekennzeichnet war, davon auszugehen, dass Banken, und zwar auch jüdische Banken jedenfalls ab einer bestimmten (aktuell ausgedrückt: systemrelevanten) Größe, nicht in ihrem Bestand beeinträchtigt werden sollten. Dies schließt nicht aus, dass auch staatliche Maßnahmen darauf abzielten, jüdische Banken aus bestimmten Geschäftsfeldern heraus zu drängen und letztlich ihre Tätigkeit auf ihre jüdische Kundschaft zu beschränken. Ein Zugriff auf die Banken als solche war aber noch dadurch ausgeschlossen, dass zum Einen die massiv erst ab 1938 eingeführten Instrumente zur €Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben€ (z.B. Verordnung vom 12. November 1938, RGBl. I S. 1580) noch nicht existierten, zum Anderen die wirtschaftlichen Verhältnisse der bereits €arischen€ Banken diesen mangels Kapitals eine € ggf. zu erzwingende, aber gleichwohl zu finanzierende € Übernahme jüdischer Banken noch nicht erlaubte. Darüber hinaus stellte sich insbesondere der bis 1937 zugleich als Reichswirtschaftsminister amtierende Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht ungesetzlichen Einzelaktionen gegen Banken entgegen (vgl. Kahmann, Die Bankiers von Jacquier & Securius, Frankfurt am Main 2002, S. 65). Auch in den vorliegenden Unterlagen finden sich Belege, dass sich Schacht noch bis 1937 dafür einsetzte, das Geschäft des jüdischen Bankhauses Warburg aufrecht zu erhalten. Erst der Ausschluss aus dem Reichsanleihekonsortium im Herbst 1937 kann als gezielter Angriff auf den Bestand des Bankhauses W... & Co. bzw. auf dessen jüdische Inhaberschaft als solche angesehen werden.

Letztlich liefe die Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen darauf hinaus, den unbestreitbar staatlich veranlassten Verfolgungsdruck als solchen zugleich als Gesamtplan für den Zugriff auf das Vermögen praktisch jedes einzelnen Verfolgten anzuerkennen. Dies widerspräche dem Ansatz des Bundesverwaltungsgerichtes, dieses Institut nur in besonders gelagerten Einzelfällen anzuerkennen.

Für die Quorums- bzw. Zusammenrechnungsfrage bedeutet das zunächst, dass es bei den Aktienverkäufen auf das Quorum nicht ankommt, denn es handelt sich um den Verlust einer unmittelbaren Beteiligung. Daraus folgt, dass die Klage in Höhe dieser Anteile unbegründet ist. Ansprüche in Bezug auf die mit der Arisierung des Bankhauses verlorene Restbeteiligung dagegen sind mittelbare Beteiligungsverluste, so dass dafür das Quorum gilt. Da dieses nur erreicht werden könnte, wenn eine Zusammenrechnung erfolgt, also unmittelbare und mittelbare Beteiligungsverluste zusammengezogen werden, und dies nach den obigen Ausführungen mangels feststellbaren Gesamtplanes nicht möglich ist, ist die Klage insoweit begründet.

5. Festgestellt werden muss somit, wie viele K...-Aktien das Bankhaus vor seiner Arisierung veräußert hat. Da die Veräußerungen als solche nur unvollständig dokumentiert sind, ist zumindest für den Zeitraum von Ende 1934 bis Ende 1935 darauf zurückzugreifen, aus einem Bestandsvergleich zu bestimmten Zeitpunkten den zwischenzeitlichen Abgang zu rekonstruieren. Dies erscheint der Kammer hinreichend, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Aktien auf nicht rechtsgeschäftliche Weise abhanden gekommen sind. Unerheblich erscheint zudem, ob es zu zwischenzeitlichen Verkäufen und Neuerwerben gekommen ist, weil jede Veräußerung der Verfolgungsvermutung unterliegt, zudem durch die hier nur mögliche saldierende Betrachtung die Fluktuation nivelliert wird und schließlich die K...-Aktien nicht an der Börse gehandelt wurden, so dass eine hohe Fluktuation ohnehin kaum vorstellbar ist. Die Kammer stimmt dabei der Auffassung der Historikerin H... zu, dass die Gesellschafterverzeichnisse der K... AG keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür bieten, zu Gunsten der insoweit beweisbelasteten Beigeladenen zu belegen, wie viele K...-Aktien das Bankhaus W... & Co. zum Zeitpunkt der Generalversammlungen tatsächlich hatte. Dort ist nur aufgeführt, wer das Stimmrecht für wie viele Aktien wahrgenommen hat. Selbst wenn sich dabei belegen lässt, wie viele Stimmrechte durch Mitarbeiter des Bankhauses W... & Co. ausgeübt wurden, lässt dies keine Rückschlüsse darauf zu, ob es sich um eigene Aktien oder Aktien von Kunden im Depot des Bankhauses handelte.

Die Kammer verkennt nicht, dass es sich bei den Ausarbeitungen der Historikerin H... um Parteigutachten handelt. Sie ist jedoch der Auffassung, dass die nachfolgend im Einzelnen darzustellenden Feststellungen zum Aktienbestand zu bestimmten Zeitpunkten sowie zu einzelnen Veräußerungen durch die vorgelegten Unterlagen, an deren Echtheit kein Zweifel besteht, so dicht belegt sind, dass sie die zuverlässige Feststellung erlauben, dass das Bankhaus W... & Co. wenigstens über die entsprechenden Beteiligungen verfügte. Es bedarf daher keiner weiteren Ermittlungen durch das Gericht oder einen noch zu beauftragenden Gutachter.

a) Ausgangspunkt für die Berechnung ist wie im Bescheid angenommen der 31. Dezember 1934. Dies allerdings nicht deshalb, weil es sich um den € nach Auffassung der Kammer ohnehin nicht gegebenen € Anfangspunkt einer gestreckten Schädigung handelte, sondern weil aus den vorliegenden Unterlagen keine Belege für Aktienverkäufe vor diesem Zeitpunkt vorliegen, sondern vielmehr die € unzuverlässigen € Ermittlungen an Hand der Gesellschafterverzeichnisse darauf schließen lassen, dass das Bankhaus Warburg in diesem Zeitraum noch Anteile € überwiegend wohl durch Beteiligung an Kapitalerhöhungen € hinzu erworben hat.

Bei der Feststellung des Aktienbestandes zu diesem Stichtag ist im Wesentlichen der Ausarbeitung der Historikerin H... zu folgen. Dem steht nicht entgegen, dass sich die bezogenen Unterlagen nicht sämtlich auf genau diesen Zeitpunkt beziehen. Es ist zwar grundsätzlich denkbar, dass in den zwischen den einzelnen Daten der Unterlagen liegenden Zeiträumen Aktien zwischen Depots verschoben wurden, so dass sich etwa die im Schreiben der T...-Aktiengesellschaft vom 15. August 1934 genannten Aktien (€Depot B€) in den Effektenbeständen per 31. Dezember 1934 wiederfinden könnten. Dagegen spricht allerdings die Mitteilung der T...-Aktiengesellschaft vom 28. Dezember 1934, wonach die (also wohl alle) dort auf Grund eines Treuhandvertrages vom 25. Januar 1934 verwalteten Aktien nicht von Bezugsberechtigten erworben worden seien, weshalb im Januar keine Ausschüttung erfolge. Der 28. Dezember 1934 wiederum war ein Freitag, so dass es sich um eine Jahresendmitteilung handeln dürfte. Schließlich ist der Bestand im C...bank-Depot gesperrt gewesen.

Unsicher erscheint danach allein der Verbleib des €A...€-Aktienbestands gemäß der Aufstellung vom 17. November 1934. Dort befanden sich zum 17. November 1934 K...-Aktien zum Nennbetrag von 2.835.100,- RM sowie zum 20. Februar und 11. März 1935 jeweils 1.003.200,- RM. Die von der €... gehaltenen Karstadt-Aktien sind dem Bankhaus gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Teils. 3 VermG i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG anzurechnen. Die Bestimmung gilt zwar ihrem Wortlaut nach nur für die Berechnung des bei mittelbarer Beteiligung zu erreichenden Quorums, doch findet sich im Gesetz kein Anhalt dafür, dass zwischen der zunächst als Quorum maßgeblichen Beteiligungshöhe und dem im Falle der Berechtigtenfeststellung zu restituierenden Bruchteil differenziert werden könnte. § 16 Abs. 4 AktG wirkt sich demzufolge auch auf die Berechtigungsquote aus. Es besteht kein Anlass, in den Fällen, in denen der Zwischenschritt € Feststellung des erforderlichen Quorums € entfällt, zu einer anderen Berechnungsmethode der Berechtigungsquote zu greifen. Damit steht auch fest, dass es auf den Sitz des abhängigen Unternehmens nicht ankommt (vgl. Hüffer, AktG 9. Aufl., § 16 Rdnr. 12 m.w.N.), was sich zudem daraus rechtfertigt, dass die tatsächliche Geschäftsführung beim beherrschenden Unternehmen stattfindet, welches als inländisches Unternehmen dem Verfolgungsdruck unmittelbar ausgesetzt war. Dass das Bankhaus beherrschend € nämlich mit 80 % € beteiligt war, ist unstreitig, wobei es anders als in der Berechnung im Bescheid nicht auf die genaue Höhe der Beteiligung ankommt, denn nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 4 AktG gelten alle vom abhängigen Unternehmen gehaltenen Anteile als dem beherrschenden Unternehmen gehörig, nicht etwa nur im Umfang der Beteiligungsquote (LG Dortmund, Urteil vom 7. April 2005 € 18 O 136/04 €, DB 2005, 1449 = juris Rdnr. 26).

Nachweislich hat das Bankhaus die €A...€ erst am 8. Januar 1935 angewiesen, nom. 1.000.000,- RM Aktien in das Depot von W... & Co., Amsterdam zu legen, um damit Schulden bei der Reichsbank zu zahlen. Dieser Betrag ist somit nicht im Effektenkonto zum 31. Dezember 1934 enthalten und erklärt einen Teil der Differenz des Bestandes bei €A...€ von 2.835.100,- RM am 17. November 1934 zu dem von 1.003.200 RM am 20. Februar 1935, so dass noch eine unklare Differenz von 831.900,- RM verbleibt. Da diese Entschuldungsaktion in der Folge einer Besprechung zwischen dem Bankhaus W... & Co. und der Reichsbank am 10. Dezember 1934 erfolgte und die Reichsbank mit Schreiben vom 29. Januar 1935 die Angelegenheit als erledigt angesehen hat, kann der Ablauf so gedeutet werden, dass keine weiteren Aktien von der A... vor dem 31. Dezember 1934 auf das Bankhaus übertragen wurden.

Danach ist von folgendem Anfangsbestand auszugehen:

Effekten-Konto 707.380,- RM€A...€ (komplett, nicht 5/6) 2.835.100,- RMC...bank 763.800,- RMT...-Aktiengesellschaft 2.170.300,- RMGesamt 6.476.580,- RMb) Als Endpunkt kommt, da € wie ausgeführt € die späteren Gesellschafterverzeichnisse der Generalversammlungen nicht belastbar sind, nur der Beteiligungsstatus zum 31. Dezember 1935 in Betracht. Konkrete Einwendungen gegen diese Feststellung hat die Klägerin nicht gemacht, so dass der Betrag von 3.011.800,- RM € wiederum unter voller Anrechnung des €A...€-Paketes € angesetzt werden kann. Der Bestand im C...bank-Depot war zu diesem Zeitpunkt weiterhin gesperrt. Der Bestand im Depot bei der T...-Aktiengesellschaft ist zwar erst durch deren Schreiben vom 7. März 1936 belegt, doch spricht diese Entnahme dagegen, dass zwischen dem 31. Dezember 1935 und diesem Zeitpunkt zunächst im Effektenbuch des Bankhauses W... & Co. nachgewiesene Aktien zwischenzeitlich in das Depot bei der T...-Aktiengesellschaft verschoben worden sein könnten. Danach hat das Bankhaus W... & Co. in diesem Zeitraum K...-Aktien im Nominalwert von 3.464.780,- RM verloren. Bezogen auf ein Stammkapital von 28.854.000,- RM ergibt sich eine Quote von 12,01 %.

c) Außerdem sind für den Zeitraum nach dem 31. Dezember 1935 noch die folgenden einzelnen Aktienverkäufe belegt:

€Verkauf von nom. 750.000 RM über W... Amsterdam gemäß Protokoll der Chef-Besprechung vom 2. September 1936.€Verkauf von nom. 250.000 RM Aktien gemäß Protokoll der Chef-Besprechung vom 14. September 1936.€Verkauf von 147.300,- RM Aktien gemäß Schreiben der Reichsbank vom 11. November 1936.€Verkauf von nom. 100.000,- RM Aktien an F...O... und G... von O... gemäß Besprechungsprotokoll vom 3. Mai 1937.€Verkauf von 80.000,- RM Aktien an F...O... und G... von O... gemäß Besprechungsprotokoll vom 7. Mai 1937.Da in der Generalversammlung vom 20. August 1936 eine Kapitalerhöhung beschlossen wurde, sind diese weiteren Veräußerungen mit dem neuen Kapital in Relation zusetzen. 1.327.300,- RM in Relation zum neuen Kapital von 36.000.000,- RM ergibt eine Quote 3,69 %.

d) Die zu b) und c) errechneten Quoten ergeben zusammengerechnet (ohne die oben vorgenommenen Rundungen) eine Quote von 15,69 %. In dieser Höhe besteht mithin ein Anspruch der Beigeladenen auf Bruchteilsrestitution bzw. Erlösauskehr gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG.

5. Anhaltspunkte dafür, dass der Anspruch der Beigeladenen bereits durch eine vollständige Wiedergutmachung nach früheren Regelungen erfolgt ist, liegen nicht vor. Zwar hat die Familie W... 1949 ihr Bankhaus im Zuge eines Rückerstattungsvergleichs zurückerhalten. Aber nur dann, wenn die seinerzeitigen Leistungen auch für die im Osten gelegenen Vermögenswerte der Gesellschaft erbracht worden wären, gäbe es keine vermögensrechtlich zu schließende Restitutionslücke; vielmehr wäre bereits in der Vergangenheit das geschehen, was § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG nachzuholen bezweckt (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1997 € 7 C 53.96 €, Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 18 = juris Rdnr. 17). Im vorliegenden Fall spricht nichts dafür, dass die damalige Rückerstattung auch den Verlust von Ost-Berliner Grundstücken der K... AG umfasst haben sollte.

6. Die gesetzgeberische Entscheidung, den Verfügungsberechtigten Ansprüchen der vorliegenden Art auszusetzen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. § 1 Abs. 6 VermG ist insbesondere mit der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG vereinbar. Inhalt der Regelung ist es nicht, die heutigen Rechtsinhaber zu enteignen, ihre vermögensrechtlichen Rechtspositionen also im Interesse des Wohls der Allgemeinheit gezielt zu entziehen. Mit seinem Regelungszweck, bestimmte Erwerbsvorgänge aus nationalsozialistischer Zeit rechtlich zu missbilligen und daher zu Gunsten des früheren Eigentümers oder seiner Rechtsnachfolger rückabzuwickeln, stellt sich § 1 Abs. 6 VermG vielmehr als eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums dar, die schon deswegen nicht zu beanstanden ist, weil die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts im Gebiet der DDR anders als im früheren Bundesgebiet unterblieben und der Gesetzgeber allein durch den Zeitablauf nicht gehindert war, die Wiedergutmachung im Gebiet der DDR nachzuholen, nachdem sich die Möglichkeit hierzu im Zuge der Wiedervereinigung ergeben hatte (BVerwG, Beschlüsse vom 11. März 1997 € 7 B 78.97 €, Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 107 = juris Rdnr. 2, und vom 22. Juni 2006 € 7 B 49.06 €, juris Rdnr. 2). Ein verfassungsrechtlicher Schutz der Klägerin vor derartigen Ansprüchen ergibt sich auch nicht daraus, dass erst die Einfügung des zweiten Halbsatzes in § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG durch das Wohnraummodernisierungssicherungsgesetz vom 17. Juli 1997(WoModSiG, BGBl. I S. 1823) die Einräumung von (anteiligem) Bruchteilseigentum an sämtlichen Vermögensgegenständen ermöglichen sollte, die zum Zeitpunkt der verfolgungsbedingten Anteilsschädigung zu dem Unternehmen gehörten oder von ihm später angeschafft wurden (Urteil vom 7. März 2007 € 8 C 26.05 €, Buchholz 428 § 3 VermG Nr. 66 = juris Rdnr. 36 m.w.N.). Angesichts der Dynamik sowohl der Gesetzgebung als auch der Rechtsprechung zur Regelung offener Vermögensfragen gerade in den 1990er Jahren kann von einem Vertrauensschutz dahin gehend, von bestimmten Ansprüchen verschont zu bleiben, nicht ausgegangen werden. Gründe, aus denen dies im vorliegenden Fall anders sein könnte, sind nicht ersichtlich.

7. Die Berechnung des Ablösebetrages ist nicht zu problematisieren, da dies nicht die Höhe der von der Klägerin zu leistenden Zahlung, sondern nur deren Aufteilung betrifft, wodurch die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt werden kann. Allein die Beigeladene könnte durch einen zu hoch angesetzten Ablösebetrag in ihren Rechten verletzt werden, hat sich aber nicht dagegen gewandt.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Beigeladenen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO einen anteiligen Erstattungsanspruch in Höhe ihres Obsiegens zuzuerkennen, da sie einen Antrag gestellt hat und sich somit dem € in Höhe ihres Unterliegens realisierten € Risiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, selbst Kosten zu tragen. Anlass, auch die Beklagte mit Kosten der Beigeladenen zu belasten, besteht hingegen nicht. Die Kostenteilung zwischen Beklagter und Beigeladener folgt aus § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Berufung gegen dieses Urteil ist gemäß § 37 Abs. 2 VermG ausgeschlossen. Gründe, gemäß §§ 132, 135 VwGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Insbesondere sind die Grundlagen für die Annahme einer gestreckten Schädigung geklärt; Schwierigkeiten der Anwendung im Einzelfall rechtfertigen die Revisionszulassung nicht.

[ Hinweis der Dokumentationsstelle: Der Berichtigungsbeschluss vom 16. Juli 2013 wurde in den Entscheidungstext eingearbeitet und lautet:

Beschluss vom 16. Juli 2013

Das Urteil vom 16. Mai wird dahin gehend berichtigt, das der letzte Satz unter Nr. 5 lit. b der Entscheidungsgründe, UA S. 15, statt €Bezogen auf ein Stammkapital von 25.854.000,- RM ergibt sich eine Quote von 12,01 %.€ richtig lautet:

€Bezogen auf ein Stammkapital von 28.854.000,- RM ergibt sich eine Quote von 12,01 %.€

Gründe

Die Berichtigung beruht auf § 118 Abs. 1 VwGO. Der Fehler ist offensichtlich, weil Kapital und Quote in der ursprünglichen Fassung rechnerisch nicht korrelieren. Der Fehler liegt in der Angabe des Kapitals und nicht in der Berechnung der Quote, da sich die Höhe des Kapitals in der berichtigten Fassung aus den am Ende des Tatbestandes des Urteils in Bezug genommenen Verwaltungsvorgängen ergibt (S. 23, 25 und 26 der Ausarbeitung der Historikerin H..., Beiakte I zur Bündelnummer F... Bl. 1 ff.). Die Beteiligten sind gehört worden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 37 Abs. 2 VermG). ]






VG Berlin:
Urteil v. 16.05.2013
Az: 29 K 328.11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/fd8dfaa0772d/VG-Berlin_Urteil_vom_16-Mai-2013_Az_29-K-32811




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share