Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Januar 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 40/02
(BPatG: Beschluss v. 28.01.2004, Az.: 26 W (pat) 40/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Marke 300 39 402 siehe Abb. 1 am Endefür die Waren und Dienstleistungen
"Düngemittel; Baustoffe (soweit in Klasse 19 enthalten), insbesondere Asphalt, Pech und Bitumen; landwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit in Klasse 31 enthalten; Transport, Umschlag und Lagerung von Waren; Betrieb eines Motels mit Restaurant"
ist Widerspruch erhoben worden 1. aus der nationalen Marke 993 729 siehe Abb. 2 am Ende 2. aus der Gemeinschaftsmarke 0000020917 siehe Abb. 3 am Endebeide u.a. eingetragen für die Dienstleistungen
"Beförderung von Personen und Gütern mit Kraftfahrzeugen, Schienenbahnen, Schiffen und Flugzeugen; Transport von Geld- und Wertsachen; Verpackung von Waren; Zustellung von Paketen; Beherbergung und Verpflegung von Gästen".
Die Markenstelle hat auf die Widersprüche hin die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen "Transport, Umschlag und Lagerung von Waren; Betrieb eines Motels mit Restaurant" angeordnet und die Widersprüche im übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, zwischen den Marken bestehe bei den genannten, beiderseits identischen bzw hochgradig ähnlichen Dienstleistungen Verwechslungsgefahr, weil die Marken in schriftbildlicher Hinsicht ähnlich seien. Ein markenrechtlich relevanter Teil des Verkehrs werde die angegriffene Marke mit der Buchstabenfolge "TUI" wiedergeben, weil die konkrete bildliche Ausgestaltung des dritten Buchstabens der angegriffenen Marke eine Interpretation als großes "i" zulasse. Die "verlängerte vertikale Linie" des dritten Buchstabens der angegriffenen Marke sei als typisches Merkmal des Buchstabens "L" nicht zu erkennen. Auch in klanglicher Hinsicht stünden sich dann die übereinstimmenden Buchstabenfolgen "TUI" gegenüber.
Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit der Beschwerde. Sie ist der Ansicht, die angegriffene Marke werde vom Verkehr nicht als "TUI" gelesen werden, weil der dritte Buchstabe der angegriffenen Marke entgegen der im angegriffenen Beschluss vertretenen Ansicht eindeutig als "L" zu erkennen sei. Eine Verwechslung der Buchstabengruppen "TUI" und "TUL" sei weder in klanglicher noch in bildlicher Hinsicht möglich. Hinzukomme, dass die von den beiderseitigen Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreise völlig verschieden seien. Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß, die Widersprüche in Abänderung des angegriffenen Beschlusses in vollem Umfang zurückzuweisen und die Kosten des Verfahrens der Widersprechenden aufzuerlegen.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, ausgehend von der Identität bzw großen Ähnlichkeit der beiderseitigen Dienstleistungen, für die im angegriffenen Beschluss die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist, und der Bekanntheit der Widerspruchsmarken bestehe in dem von der Markenstelle festgestellten Umfang Verwechslungsgefahr, weil die sich gegenüberstehenden Marken in den Anfangsbuchstaben "TU" übereinstimmten und die verbleibenden Unterschiede für ein sicheres Auseinanderhalten der Marken nicht ausreichten. In klanglicher Hinsicht unterschieden sich die beiden Markenwörter nur durch den schwachen Konsonanten "L". In bildlicher Hinsicht seien das große "i" und das kleine "L" bei vielen Schriftarten ganz oder nahezu identisch.
III Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht in dem von der Markenstelle festgestellten Umfang zumindest die Gefahr schriftbildlicher Verwechslungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Die Frage der Verwechslungsgefahr i.S. der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; GRUR 1998, 922, 923 - Canon). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH aaO - Canon).
Hiervon ausgehend bedarf es angesichts der weitgehenden Identität und im übrigen großen Ähnlichkeit der Dienstleistungen "Transport, Umschlag und Lagerung von Waren; Betrieb eines Motels mit Restaurant" der angegriffenen Marke mit den Dienstleistungen "Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen, Schienenbahnen, Schiffen und Flugzeugen; Transport von Geld- und Wertsachen; Verpackung von Waren; Beherbergung und Verpflegung von Gästen", für die sowohl die Gemeinschaftsmarke 20917 als auch die ältere nationale Marke 993 729 eingetragen sind, selbst bei Zugrundelegung einer nur normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken eines deutlichen Abstandes der Marken. Dieser wird von der angegriffenen Marke jedenfalls in schriftbildlicher Hinsicht nicht eingehalten.
Die beiderseitigen Marken sind zwar in ihrer eingetragenen Form für die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund ihrer grafischen und farblichen Ausgestaltung noch hinreichend unterscheidbar. Bei Wortmarken ist neben der eingetragenen Form aber auch jede andere verkehrsübliche Wiedergabeform der Marke vom Schutzgegenstand erfasst. Das gilt auch für grafisch stark ausgestaltete Schriftformen, sofern sie für den deutschen Durchschnittsverbraucher ohne weiteres lesbar sind (BGH GRUR 2000, 875, 877 - Davidoff). Als zum Gegenstand des Markenschutzes gehörig angesehen werden regelmäßig insbesondere Wiedergaben grafisch gestalteter Wortmarken in einer gängigen Normalschrift sowie in Groß- und Kleinschreibung. Diese sind deshalb in den schriftbildlichen Vergleich der Marken mit einzubeziehen.
Hiervon ausgehend reichen die schriftbildlichen Unterschiede der in den beiden Marken enthaltenen Wörter "TUI" und "TUL" zumindest bei einer Wiedergabe in Normalschrift, d.h. mit großem Anfangsbuchstaben und im übrigen mit kleinen Buchstaben als "Tui" bzw "Tul", die - wie dem Senat aus eigener Sachkunde bekannt ist - jedenfalls bei der Wiedergabe der Widerspruchsmarke in der Presse häufig zu beobachten ist, und bei einer vollständigen Wiedergabe in Kleinbuchstaben - "tui"/"tul" - für eine Verneinung der Verwechslungsgefahr gem. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht mehr aus, auch wenn zugunsten der Markeninhaberin berücksichtigt wird, dass die Markenwörter Kurzwörter sind und dass es sich bei den beiderseitigen Dienstleistungen um solche von nicht geringem Preis handelt, die deshalb regelmäßig nicht nur im Vorbeigehen in Anspruch genommen werden; denn auch bei Kurzwörtern müssen die Abweichungen in jeder Hinsicht deutlich in Erscheinung treten (BGH GRUR 1957, 499, 502 - Wipp). Die Ähnlichkeit der beiderseitigen Markenwörter ist bei den genannten, verkehrsüblichen Wiedergabeformen so groß, dass selbst ein Verlesen nicht ausgeschlossen werden kann; denn bei Schriftarten, bei denen das kleine "l" nur als senkrechter Strich abgebildet wird und das kleine "i" ebenfalls nur als kürzerer senkrechter Strich mit einem darüber angeordneten Punkt dargestellt ist, kann der einzig in der Unterbrechung der senkrechten Linie liegende Unterschied gerade bei kleineren Schriftgrößen leicht übersehen werden.
Angesichts der zwischen den Marken bestehenden schriftbildlichen Verwechslungsgefahr bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob die Marken auch in anderen Richtungen verwechselbar sind.
Da die Beschwerde keinen Erfolg haben kann, besteht keine Veranlassung, der Widersprechenden, wie von der Markeninhaberin beantragt, die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Auch für eine Auferlegung der Verfahrenskosten auf die Markeninhaberin gem. § 71 Abs.1 S. 1 MarkenG fehlt es an hinreichenden Gründen.
Albert Kraft Reker Bb Abb. 1 Abb. 2 Abb. 3
BPatG:
Beschluss v. 28.01.2004
Az: 26 W (pat) 40/02
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