Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. September 2000
Aktenzeichen: 6 U 11/00
(OLG Köln: Urteil v. 29.09.2000, Az.: 6 U 11/00)
Tenor
I.) Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2.12.1999 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 625/99 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefasst:1.) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, ihre Produkte Frischer Rahmjoghurt "mit Traubenzucker",Frischer Rahmjoghurt mild "mit erlesenen Sauerkirschen",Frischer Rahmjoghurt mild "mit Honig",Frischer Rahmjoghurt mild "mit Vanille",Frischer Rahmjoghurt mild "mit erlesenen Birnen",Frischer Rahmjoghurt mild "mit erlesenen Himbeeren",Frischer Joghurt mild,Frischer Fruchtjoghurt mild "mit Mandarine" undFrischer Rahmjoghurt mild "Zitrone",wie auf den nachfolgenden Seiten dieses Urteils wiedergegeben unter Voranstellung der Bezeichnung "Frischer ..." anzubieten und/oder anbieten zu lassen und/oder zu bewer-ben und/oder bewerben zu lassen und/oder in den Verkehr zu bringen.pp.2.) Im übrigen wird die Klage abgewiesen. II.) Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. III.)Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben. IV.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in nachbenannter Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit jeweils in derselben Höhe leistet. Es ist Sicherheit in folgender Höhe zu leisten bzw. sind folgende Beträge zu hinterlegen: Bei Vollstreckung des Anspruches aufa) Unterlassung: 1.000.000,00 DM;b) Erstattung von Ge-richtskosten: 26.715,00 DM. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Anspruches auf Erstattung von zweitinstanzlichen Gerichtskosten durch Si-cherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 20.036,25 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Der Beklagten wird auf ihren Antrag nachgelassen, die Sicherheiten auch durch Stellung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen. V.) Die Beschwer der Parteien wird auf je 1.000.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber als Hersteller u.a. von Joghurt-Produkten. Die Beklagte bietet unter den aus dem obigen Tenor ersichtlichen Bezeichnungen und Aufmachungen der Becher neun Joghurt-Erzeugnisse an. Bei der Produktion dieses Joghurts verwendet sie pasteurisierte Milch. Die Produkte haben eine Haltbarkeitsdauer von mindestens vier Wochen.
Die Klägerin beanstandet die von der Beklagten verwendete Bezeichnung in zweifacher Hinsicht. Zum einen erwecke die konkrete Schreibweise von z.B. "Frischer Joghurt mild" und entsprechend diejenige von den übrigen acht angegriffenen Bezeichnungen im Zusammenhang mit der sonstigen Aufmachung aus im einzelnen dargelegten Gründen den unzutreffenden Eindruck, es handele sich dabei um eine Verkehrsbezeichnung im Sinne des § 3 Abs.3 Milcherzeugnisverordnung (MilchErzV), und zum anderen sei der Begriff "Frischer" irreführend, weil der Joghurt den Frischevorstellungen des Verkehrs nicht entspreche.
Letzteres ergebe sich schon aus der Pasteurisierung der Milch. Bei der Herstellung von Joghurt werde der Milch nach der ersten Pasteurisierung zur Erhöhung des Trockenmassegehaltes Wasser entzogen. Dieses erfolge entweder durch Milcheindampfen, was einer zweiten Dauerpasteurisierung gleichkomme, oder durch Beimischung von Milchpulver unter Durchführung einer weiteren technischen Wärmebehandlung, die gegenüber der ersten wesentlich intensiver sei und bei der die Milch für etwa 30 Minuten auf 62 Grad Celsius oder für wenige Sekunden bis einige Minuten auf 90 bis über 100 Grad Celsius erhitzt werde. Eine derartige Wärmebehandlung werde von dem Verkehr bei einem "frischen" Joghurt-Produkt nicht erwartet.
Zudem sei der Joghurt zumindest am Ende des Haltbarkeitszeitraumes von vier Wochen nach der Vorstellung des Verkehrs nicht mehr frisch. Das gelte besonders im Sommer, weil sommerliche Temperaturen und ein etwa schwüles Klima das Produkt beeinflussten.
Die Klägerin hat b e a n t r a g t,
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, ihre auf den Seiten 4 bis 12 (gemeint: der Klageschrift) wiedergegebenen Produkte unter Voranstellung der Bezeichnung "Frischer ..." anzubieten und/ oder zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen, und zwar ...
(es folgte eine Aufzählung der neun Produkte entsprechend dem obigen Tenor, wobei hinter jeder Bezeichnung durch ["wie auf Seite ..." oder: "Seite ..."] auf die Seite des Antrags verwiesen war, auf der die Aufmachung des entsprechenden Joghurtbechers dargestellt war.).
Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen.
Sie hat unter Bezugnahme auf das als Bl.44 ff bei den Akten befindliche Urteil des BverwG vom 6.11.1986 zu dem Begriff "frische Vollmilch" (ZLR 87,562 ff) und auf ein Urteil des VG Stuttgart vom 13.12.1986 zu dem Begriff "Frische Schlagsahne" die Auffassung vertreten, der Begriff "frisch" sei dann nicht zu beanstanden, wenn das Produkt bis zum Ablauf des Haltbarkeitszeitraumes seinen Qualitätsstandard nicht mehr als nur unwesentlich einbüße. Das sei indes bei den streitgegenständlichen Produkten auch nicht der Fall. Die Pasteurisierung könne schon deswegen nicht beanstandet werden, weil diese - durch § 2 MilchErzV - vorgeschrieben sei. Im übrigen hat sie die einzelnen von ihr vorgenommenen Produktionsschritte dargelegt und behauptet, durch diese werde eine gleichbleibende Qualität des Joghurts bis zum Ende des Haltbarkeitszeitraumes gewährleistet, zumal die Qualität der Produkte regelmäßig, und zwar auch noch +/- 3 Tage um das Ablaufdatum, überprüft werde. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrages hierzu wird auf die Ausführungen der Beklagten auf den Seiten 3-6 der Klageerwiderung (= Bl.71-74 d.A.) Bezug genommen.
Das L a n d g e r i c h t hat die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zur Unterlassung verurteilt. In den Urteilstenor sind alle fünf Begehungsformen ("anbieten und/oder anbieten zu lassen" usw.) aufgenommen, die auch in dem Tenor des vorliegenden Urteils aufgeführt sind.
Zur Begründung hat die Kammer dargelegt, der Verkehr sehe die Bezeichnung "Frischer ... (z.B.: Rahmjoghurt)" in den angegriffenen Verletzungsformen als eine Verkehrsbezeichnung, also so an, als handele es sich um eine (weitere) Verkehrsbezeichnung gem. § 3 Abs.3 MilcherzeugnisVO. Das ergebe sich aus der blickfangmäßig aufgemachten Alleinstellung der angegriffenen Bezeichnung und dem Umstand, dass die - zutreffende - Verkehrsbezeichnung ("Rahmjoghurt") zwar auch vorhanden, aber so klein geschrieben sei, dass die angegriffene Bezeichnung sie überlagere. Der Verkehr werde daher irrig annehmen, dass es sich bei "Frischer Joghurt" um eine weitere Verkehrsbezeichnung handele. Hierzu hat sich die Kammer auf das den Parteien bekannte Senatsurteil vom 26.3.1999 - 6 U 119/98 - bezogen. In dieser Entscheidung ist die Berufung der Beklagten des vorliegenden Verfahrens gegen ein Urteil des Landgerichts Köln (31 O 248/98) zurückgewiesen worden, durch das ihr untersagt worden war, Joghurt unter der Bezeichnung "Frischer Naturjoghurt" in einer bestimmten Aufmachung u.a. in den Verkehr zu bringen.
Es handele sich - so hat die Kammer weiter ausgeführt - auch nicht etwa lediglich um einen Hinweis darauf, dass der Joghurt nicht durch Wärmebehandlung haltbar gemacht worden sei. Es entspreche anders als bei Milch nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch, wärmebehandelte und unbehandelte Erzeugnisse mit "haltbar" und "frisch" einander gegenüberzustellen. Dazu bestehe auch anders als bei Milch keine Notwendigkeit, weil durch Wärmebehandlung haltbar gemachte Joghurtprodukte nach der MilcherzeugnisVO als Joghurterzeugnis gekennzeichnet werden müssten. Das gelte auch mit Blick auf das wettbewerbliche Umfeld, weil die Bezeichnung "Frischer ..." auf dem Joghurt-Markt unüblich sei.
Im übrigen sei die Kennzeichnungspraxis der Beklagten auch unter dem Aspekt der Werbung mit Selbstverständlichkeiten irreführend und deswegen gem. § 3 UWG unzulässig. Denn wer das Wort "Frischer" ernst nehme, werde erwarten, dass sich die Produkte der Beklagten gegenüber den nicht so gekennzeichneten der Wettbewerber durch eine besondere Frische auszeichneten. Das sei indes nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht der Fall.
Zur Begründung ihrer B e r u f u n g gegen dieses Urteil trägt die Beklagte unter Bezugnahme auf einen Aufsatz von Kiethe und Groeschke, der das erstinstanzliche Urteil des vorliegenden Verfahrens zum Gegenstand hat (WRP 00,232 ff), vor:
Entgegen der Auffassung der Kammer stehe die angegriffene Bezeichnung mit den Kennzeichnungsvorschriften im Einklang.
Die von dem Landgericht selbst erwähnte Anbringung der zutreffenden Verkehrsbezeichnung "Rahmjoghurt" reiche aus, zumal die Anforderungen seit 1992 dadurch gelockert seien, dass die Bezeichnung nicht mehr an einer "in die Augen fallenden Stelle", sondern nur noch "gut sichtbar" angebracht sein müsse.
Die Angabe werde auch nicht durch die angegriffene Bezeichnung verdrängt. Anders als in dem erwähnten früheren Verfahren gehe es nicht um die Prägung eines neuen (als Verkehrsbezeichnung unzulässigen) Begriffes, sondern lediglich darum, einer zulässigen Verkehrsbezeichnung das beschreibende Adjektiv "frisch" hinzuzufügen. Es liege auch kein Fall der Neuheitswerbung vor.
Es bestehe zudem die Notwendigkeit der Abgrenzung. In der Praxis stünden sich nämlich nicht selten die betreffenden Produktarten gegenüber, weil wärmebehandelte Joghurte - unnötigerweise, aber eben doch - im Kühlregal angeboten würden. Entgegen der Annahme des Landgerichts reiche die vorgeschriebene Bezeichnung "Joghurterzeugnis" zur Unterscheidung nicht aus, weil darunter auch bestimmte kühlbedürftige Joghurtprodukte fielen. Im übrigen sei es allgemeine Meinung, dass Erzeugnisse, die entsprechend den Vorschriften gekennzeichnet seien, mit zusätzlichen Angaben versehen werden dürfen. Dieser Grundsatz dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass eine an sich zulässige Phantasiebezeichnung als Verdrängung der zutreffenden Angabe angesehen werde. Anderenfalls entstehe die nicht gewollte Situation, dass die Phantasieangabe in das Kleingedruckte verdrängt würde. Angesichts des Umstandes, dass trotz der Hinzufügung des Adjektivs "frisch" die - zutreffende - Verkehrsbezeichnung "Rahmjoghurt" noch gut lesbar sei, liege eine Verdrängung im Sinne der Senatsentscheidung nicht vor.
Zudem habe die Kammer zu Unrecht die Voraussetzungen des § 1 UWG als gegeben angesehen. Es handele sich um eine wertneutrale Vorschrift und es fehle an deren bewusster und planmäßiger Verletzung. Das ergebe sich aus dem Umstand, dass sie seit 10 Jahren beanstandungsfrei die streitgegenständliche Bezeichnung verwende.
Schließlich sei die Geltendmachung eventueller Rechte auch treuwidrig, weil sie bereits seit 1986 bzw. 1989 mit großem Erfolg die Produkte mit dieser Bezeichnung vertreibe.
Es liege im übrigen auch kein Verstoß gegen die kennzeichenrechtlichen Bestimmungen der §§ 17 Abs.1 Nr. 5 LMBG bzw. von § 3 UWG vor. Insbesondere erwarte der Verkehr von einem so beschriebenen Produkt nicht, dass zur Herstellung keine pasteurisierte Milch verwendet werde.
Aus im einzelnen dargelegten Gründen stelle die Angabe auch keine Werbung mit Selbstverständlichkeiten dar, weil ihre Produktionsweise und die von ihr durchgeführte Qualitätskontrolle sich von derjenigen der Wettbewerber unterscheide. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrags hierzu wird auf die Darstellung der Beklagten auf S.6 der Klageerwiderung (= Bl.74 d.A.), S. 15 f der Berufungsbegründung (= Bl.175 f) und auf S.7 f der Replik vom 16.6.2000 (= Bl.229 f) verwiesen.
Die Beklagte b e a n t r a g t,
das Urteil des Landgerichts Köln vom 2.12.1999 - 31 O 625/99 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin b e a n t r a g t,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt die Auffassung, die Rechtslage sei hinsichtlich der kennzeichnungsrechtlichen Frage trotz der vorgetragenen Unterschiede im Sachverhalt, die geringfügig seien, identisch mit derjenigen in dem vorangegangenen, die Bezeichnung "Frischer Naturjoghurt mild" betreffenden Verfahren.
Wegen der Schreibweise, nämlich des Umstandes, dass "frisch" jeweils genauso groß und mit gleichen Schrifttypen geschrieben sei, wie die - für sich genommen zulässigen - Verkehrsbezeichnungen, sehe der Verkehr die streitgegenständlichen Bezeichnungen als weitere Verkehrsbezeichnungen an.
Es liege aber auch ein Verstoß gegen § 17 Abs.1 Nr.5 LMBG vor, weil die Bezeichnung "frisch" irreführend sei: auch wenn der Weg von der Kuh zum Produkt - wie von dieser angeführt - bei der Beklagten besonders kurz sei, könne dem Produkt jedenfalls gegen Ende der Haltbarkeitszeit von ca. 4 Wochen eine Frische nicht mehr attestiert werden. Dies sei auch deswegen relevant, weil die Beklagte nicht etwa mit der Frische der Zutaten, sondern mit der Frische des Produktes selber werbe.
Auch die Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums ändere an der Irreführung nichts, weil nicht auch die Länge der Haltbarkeit angegeben sei und der Verbraucher daher annehmen werde, die kurze Frist bis zum Ablauf der Haltbarkeitsdauer erkläre sich eben daraus, dass die Haltbarkeit mit Blick auf die Frische eben nur sehr kurz sei.
Irreführend sei die Angabe schließlich auch deswegen, weil die Produkte pasteurisiert seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Der Senat nimmt weiter Bezug auf sein erwähntes Urteil im Verfahren 6 U 119/98 vom 26.3.1999, das er aus diesem Grunde (als Bl.295 ff) in Kopie zu den Akten des vorliegenden Verfahrens genommen hat.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber nur teilweise Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht die Verwendung der angegriffenen Bezeichnung "Frischer ...(z.B.: Rahmjoghurt)" in den für die verschiedenen Geschmacksrichtungen von der Beklagten konkret verwendeten Formen untersagt. Denn der Verkehr wird diese Bezeichnung, die keine Verkehrsbezeichnung ist, als solche auffassen (nachfolgend A). Demgegenüber ist die Verwendung der Bezeichnung "Frischer ... (z.B.: Rahmjoghurt)" unabhängig von den derzeit von der Beklagten benutzten Verwendungsformen allgemein zur Kennzeichnung von Joghurtprodukten, wie sie ebenfalls angegriffen ist, nicht zu beanstanden, weil ein Irreführungstatbestand nicht erfüllt ist. Insoweit hat die Berufung Erfolg (B).
Die Bezeichnung "Frischer ...(z.B.: Rahmjoghurt)" in den für die verschiedenen Geschmacksrichtungen von der Beklagten konkret verwendeten Formen verstößt gegen § 3 MilchErzV und dieser Verstoß begründet einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 1, 13 Abs.1 Ziff.1 UWG. Der Senat hat hierzu bezüglich der von der Beklagten vergleichbar verwendeten Bezeichnung "Frischer Naturjoghurt mild" in seinem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom 26.3.1999 in dem Verfahren 6 U 119/98 folgendes ausgeführt:
"Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, UWG, 20. Auflage 1998, § 1 UWG Rnr. 608 ff.) handelt unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch wettbewerbswidrig, wer dadurch einen Vorsprung vor seinen Mitbewerbern erlangt, dass er die durch Gesetz festgelegten Bindungen missachtet, an die sich seine Mitbewerber halten. Zwar ist nicht jeder zu Wettbewerbszwecken begangene Rechtsbruch zwangsläufig zugleich eine Handlung, die das Unwerturteil des § 1 UWG nach sich zieht. Das ist aber dann der Fall, wenn ein Wettbewerber die Gesetzestreue seiner Konkurrenten ausnutzt und die aus der Gesetzesverletzung gezogenen Vorteile im Wettbewerb zur Förderung des eigenen Unternehmens einsetzt.
Im Streitfall setzt sich die Beklagte durch die konkrete Art der Ausgestaltung ihres Joghurtprodukts über die Kennzeichnungsvorschriften der MilcherzeugnisVO hinweg. Denn nach § 3 Abs. 1 der MilcherzeugnisVO dürfen Milcherzeugnisse nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie nach den Vorschriften der MilcherzeugnisVO gekennzeichnet sind. Gemäß § 3 Abs. 2 MilcherzeugnisVO ist auf dem Erzeugnis u.a. die Verkehrsbezeichnung nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 MilcherzeugnisVO anzugeben. § 3 Abs. 3 MilcherzeugnisVO verweist wiederum auf eine Anlage 1, die unter II. für Joghurterzeugnisse die Standardsorten
Joghurt fettarmer Joghurt Joghurt aus entrahmter Milch (Magermilchjoghurt) Sahnejoghurt (Rahmjoghurt) Joghurt mild fettarmer Joghurt mild Joghurt mild aus entrahmter Milch (Joghurt mild aus Magermilch) Sahnejoghurt mild (Rahmjoghurt mild)
bestimmt. Diese Aufzählung ist, was die Verkehrsbezeichnungen für Joghurterzeugnisse angeht, abschließend, weil der Verordnungsgeber, wie das Landgericht zutreffend hervorgehoben hat, bislang von der Möglichkeit der Erweiterung des 1970 beschlossenen Katalogs um weitere Standardsorten keinen Gebrauch gemacht hat. Die zutreffende Verkehrsbezeichnung für das streitgegenständliche Produkt, die nach § 3 Abs.3 der Lebensmittel-KennzeichnungsVO an gut sichtbarer Stelle in deutscher Sprache, leicht verständlich, deutlich lesbar und unverwischbar angebracht werden muss, lautet demnach, was die Beklagte (vgl. Berufungsbegründung vom 05.11.1998, dort Seite 3, Blatt 155 d.A.) auch ausdrücklich zugesteht, "Joghurt mild". Eine Verkehrsbezeichnung "Naturjoghurt mild" kennt die MilcherzeugnisVO und deren Anlagen dagegen nicht.
Aus der maßgeblichen Sicht des angesprochenen Verkehrs gibt die Beklagte ihrem Produkt in seiner konkreten Ausgestaltung demgegenüber eine neue, nach dem Vorgesagten unzulässige Verkehrsbezeichnung, nämlich die Verkehrsbezeichnung "Naturjoghurt mild". Der Verbraucher versteht diese in Alleinstellung stehende, wegen ihrer optischen Hervorhebung und Platzierung an zentraler Stelle sehr augenfällige Angabe nicht als Produktname, sondern als Verkehrsbezeichnung, im Streitfall also dahin, dass von der Firma Weihenstephan ein neues Produkt vertrieben wird, das frischen, also nicht wärmebehandelten "Naturjoghurt mild" beinhaltet. Das können die Mitglieder des Senats ebenso wie die Mitglieder der Kammer als Teil der angesprochenen Verkehrskreise aus eigener Anschauung und Erfahrung selbst beurteilen. Dieses Verkehrsverständnis wird im übrigen noch dadurch bestärkt, dass die Beklagte unstreitig bei anderen von ihr im Markt angebotenen Milch- und Joghurterzeugnissen die - richtige - Verkehrsbezeichnung genau an der Stelle angibt, an der sich auf dem streitbefangenen Joghurtbecher die Bezeichnung "Frischer Naturjoghurt mild" findet. Das hat die Klägerin durch die Vorlage von Bechern der Sorten "Schlagrahm", Sauerrahm", "Fruchtjoghurt" und "Rahmjoghurt mild" nachgewiesen. Um so mehr wird der angesprochene Verkehr auch und gerade dann, wenn er den Regelungsgehalt der MilcherzeugnisVO im einzelnen nicht kennt, glauben, nunmehr biete die Beklagte eine neue Joghurtsorte "Frischer Naturjoghurt mild" an, zumal das Produkt ausdrücklich und in auffälliger Weise als "neu" beworben wird.
Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, die hier einschlägigen Kennzeichnungsvorschriften verlangten nur die Angabe der Verkehrsbezeichnung, hier "Joghurt mild", diesem Kennzeichnungsgebot habe sie genüge getan, indem sie die Verkehrsbezeichnung - insoweit unstreitig - an anderer Stelle im Zusammenhang mit weiteren produktspezifischen Angaben zutreffend mit
"Joghurt mild mit 3,5% Fett
mit Lactobacillus acidophilus
und Bifidobakterium lactis"
angegeben habe, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Zwar muss eine den Kennzeichnungsvorschriften entsprechende Verkehrsbezeichnung eines Joghurterzeugnisses nicht unbedingt optisch hervorgehoben werden. Auch ist gegen die Verwendung von Produktnamen neben den Verkehrsbezeichnungen nichts einzuwenden. Das hat das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt, z.B. hinsichtlich der Produktnamen "Feinjoghurt" und "Schlemmerjoghurt". Darum geht es hier aber nicht. Entscheidend ist, dass nach Auffassung des Senats eine andere Bezeichnung, die - wie hier - vom Verkehr als Verkehrsbezeichnung aufgefasst wird, nicht zusätzlich angegeben werden darf, wenn sie die Verkehrsbezeichnung verdrängt oder über den Charakter des Erzeugnisses irreführt. Zumindest ersteres ist hier der Fall. Die Bezeichnung "Frischer Naturjoghurt mild" überlagert die an versteckter Stelle stehende und kaum wahrnehmbare Verkehrsbezeichnung "Joghurt mild" derart, dass der Verbraucher die richtige Verkehrsbezeichnung nicht wahrnimmt. Für den Verbraucher ist die Angabe "Frischer Naturjoghurt mild" die Verkehrsbezeichnung; die richtige, wegen der konkreten Ausgestaltung des Joghurterzeugnisses für den Verbraucher an versteckter Stelle stehende Verkehrsbezeichnung wird von ihm nicht wahrgenommen. Der Streitfall ist deshalb nicht anders zu beurteilen, als hätte die Beklagte von der Angabe jedweder Kennzeichnung abgesehen.
Versteht der Verbraucher demgemäss die Angabe "Frischer Naturjoghurt mild" als Verkehrsbezeichnung, und sucht er wegen der optischen Hervorhebung dieser Bezeichnung in der Tat nicht mehr im "Kleingedruckten", ob dort möglicherweise eine andere (zutreffende) Verkehrsbezeichnung angegeben ist, führt der vorliegende Verstoß gegen § 3 Abs.1 der MilcherzeugnisVO zugleich zur Unterlassungspflicht der Beklagten aus § 1 UWG. Dabei kann offen bleiben, ob es sich bei den Kennzeichnungsvorschriften der MilcherzeugnisVO lediglich um sog. wertneutrale Ordnungsvorschriften handelt oder ob diese Wertbezug aufweisen, ein Verstoß hiergegen also auch ohne Hinzutreten weiterer Unlauterkeitskriterien wettbewerbswidrig wäre (zu den wertbezogenen Vorschriften und den wettbewerbsrechtlichen Folgen eines Verstoßes hiergegen vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdnr. 621). Die Frage bedarf keiner Entscheidung, weil die der Vorschrift des § 3 Abs.1 der MilcherzeugnisVO zuwiderlaufende Kennzeichnungspraxis der Beklagten, die allein schon wegen der Nachahmungsgefahr geeignet ist, den Wettbewerb auf dem hier einschlägigen Markt im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG wesentlich zu beeinträchtigen (vgl. zum Nachahmungsaspekt BGH GRUR 1995,760 - "Frischkäsezubereitung" -), selbst dann unlauter im Sinne des § 1 UWG und folglich zu unterlassen ist, wenn es sich hierbei um eine wertneutrale Ordnungsvorschrift zum Schutze der Verbraucher handeln sollte, die nicht Ausdruck einer sittlichen Wertung ist und deren Verletzung deshalb nicht ohne weiteres als wettbewerbswidrig beurteilt werden kann. Die Verletzung wertneutraler Vorschriften rechtfertigt nämlich dann den Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens, wenn sich ein Wettbewerber bewusst und planmäßig über sie hinwegsetzt, obwohl für ihn erkennbar ist, dass er dadurch einen Vorsprung vor gesetzestreuen Mitbewerbern erlangen kann (vgl. hierzu: BGH WRP 1979, 460, 461 - "Luxus-Ferienhäuser" -; BGH GRUR 1981, 140, 142 - "Flughafengebühr" -; BGH GRUR 1989, 762, 764 - "Stundungsangebote" -; BGH GRUR 1992, 696, 697 - "Teilzahlungspreis I" -; Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG Rdnr. 658 sowie Köhler/Piper, UWG, § 1 Rdnr. 344, jeweils m.w.N.). Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Die Beklagte kennt, was sie selbst nicht in Abrede stellt, alle Tatumstände, die den Gesetzesverstoß ergeben; gleichwohl will sie an ihrer Kennzeichnungspraxis festhalten. Der damit im Sinne der vorbezeichneten Rechtsprechung vorliegende bewusste und planmäßige Gesetzesverstoß ist auch geeignet, die Wettbewerbslage zugunsten der Beklagten zu beeinflussen. Das folgt schon daraus, dass nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Klägerin kein einziges Konkurrenzprodukt die Bezeichnung "Naturjoghurt" trägt oder den Bezeichnungszusatz "Natur" aufweist. Damit versetzt der Gesetzesverstoß die Beklagte in die Lage, sich von ihren Mitbewerbern abzuheben und dem Verkehr ein Joghurterzeugnis anzubieten, über das die Mitbewerber in dieser Form nicht verfügen."
An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch in seiner im vorliegenden Verfahren zuständigen Besetzung fest. Sie führt bezüglich der nunmehr streitgegenständlichen Bezeichnungen ebenfalls zu einem Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 13 Abs.1 Ziff.1 UWG i.V.m. § 3 MilchErzV. Das gilt auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten eingewandten Gesichtspunkte.
Auch die Bezeichnung "Frischer ...(z.B.: Rahmjoghurt)" versteht der Verkehr aus den oben für "Frischer Naturjoghurt mild" dargelegten Gründen als Verkehrsbezeichnung. Das ergibt sich zunächst aus ihrer optischen Hervorhebung und Platzierung an zentraler Stelle sowohl auf dem Deckel, als auch auf dem Becherkörper. Dies bedarf keiner erneuten weitergehenden Begründung, weil die Ausstattung der Behälter, soweit in diesem Zusammenhang von Bedeutung - nämlich hinsichtlich der Platzierung und Schreibweise der Bezeichnung - derjenigen bei dem ebenfalls von der Beklagten stammenden Produkt "frischer Naturjoghurt mild" entspricht.
Auch für "Frischer ...(z.B.: Rahmjoghurt)" gilt, dass es in der konkret verwendeten Form die zutreffende Verkehrsbezeichnung verdrängt. Diese ist zwar - wie dies auch bei "Frischer Naturjoghurt mild" der Fall war - auf dem Becher vorhanden und die Ausgestaltung dürfte auch den Anforderungen des § 3 Abs.3 Lebensmittel-KennzeichnungsVO genügen, wonach die Verkehrsbezeichnung an gut sichtbarer Stelle, in deutscher Sprache, leicht verständlich, deutlich lesbar und unverwischbar angebracht werden muss. Gleichwohl wird der Verkehr aus den oben dargelegten Gründen nicht diese, sondern die prominent hervorgehobene Bezeichnung "Frischer ...(z.B.: Rahmjoghurt)" als Verkehrsbezeichnung ansehen.
Im Unterschied zu dem vorangegangenen Verfahren stellt "Rahmjoghurt" allerdings - im Gegensatz zu "Naturjoghurt" - eine gem. § 3 Abs.3 Anlage 1 MilchErzV zulässige Verkehrsbezeichnung dar. Das ändert aber im Ergebnis nichts an der Beurteilung. Denn der Verkehr sieht das Produkt nicht als einen Rahmjoghurt an, der frisch ist, sondern er versteht die Bezeichnung in den konkret verwendeten Formen so, dass ihm ein Produkt präsentiert wird, das in eine Klasse "frischer Rahmjoghurt" gehört. Das vermag der Senat, dessen Mitglieder als Konsumenten auch von Joghurt zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, aus eigener Anschauung festzustellen. Der unzutreffende Eindruck der Zugehörigkeit z.B. des an erster Stelle angegriffenen Produktes zu einer Produktklasse "frischer Rahmjoghurt" entsteht dadurch, dass das Wort "Frischer" in exakt derselben Schrift und derselben Schriftgröße wie das anschließende Wort "Rahmjoghurt" geschrieben und in derselben Farbe wie dieses ausgestaltet ist und so die Zusammengehörigkeit beider Worte als Bestandteile eines Begriffes zum Ausdruck gebracht wird. Auf diese Weise wird die adjektivische Bedeutung des Wortes "frischer" zugunsten der Wirkung als Teil einer Gesamtbezeichnung zurückgedrängt. Es trifft aus diesen Gründen auch nicht zu, dass - wie die Beklagte meint - eine Verdrängung der zulässigen Bezeichnung deswegen nicht angenommen werden könnte, weil die zutreffende Verkehrsbezeichnung (z.B.) "Rahmjoghurt" gut lesbar und sogar an prominenter Stelle, nämlich als Bestandteil von "Frischer Rahmjoghurt", angebracht sei. Ebenso vermag es an der Beurteilung nichts zu ändern, dass die streitgegenständlichen Produkte von der Beklagten nicht - wie das bei "Frischer Naturjoghurt mild" der Fall war - als "neu" bezeichnet werden. Denn selbst wenn die Produkte früher - was die Beklagte im übrigen selbst nicht behauptet - bei ansonsten identischer Aufmachung und gleichem Inhalt als (z.B.) "Rahmjoghurt" vertrieben worden sein sollten, wird der Verkehr - soweit er die Veränderung wahrnimmt - auch ohne diesen Zusatz annehmen, es handele sich um ein neues Produkt, das eben ein "frischer Rahmjoghurt" sei.
Auch die weiteren Einwände der Beklagten greifen nicht durch. Denn sie wenden sich gegen ein generelles Verbot des Zusatzes "frischer" in jeglicher Form, während - im vorliegenden Zusammenhang - lediglich die konkrete Schreibweise, Anordnung und Gestaltung von "Frischer ...(z.B.: Rahmjoghurt)" auf den Joghurtbehältern in Rede steht.
Zunächst wird der Grundsatz, dass Erzeugnisse, die entsprechend den Vorschriften gekennzeichnet sind, mit zusätzlichen Angaben versehen werden dürfen, durch das Verbot nicht unterlaufen. Denn es steht der Beklagten frei, der zulässigen Verkehrsbezeichnung "Joghurt" bzw. "Rahmjoghurt" eine Phantasiebezeichnung oder auch - worauf die Vergleichsanregung des Senates beruhte - den Begriff "frischer" hinzuzufügen, solange sie durch die Schreibweise und sonstige Aufmachung dafür sorgt, dass der Verkehr das Ergebnis nicht als neue Verkehrsbezeichnung auffasst. Es tritt damit durch das Verbot keineswegs die Situation ein, dass Phantasieangaben in das "Kleingedruckte" verdrängt würden.
Es kann aus demselben Grunde auch dahinstehen, ob ein Bedürfnis der Beklagten zur Abgrenzung ihrer Produkte von solchen besteht, die durch Wärmebehandlung haltbar gemacht sind. Denn eine solche Abgrenzungsnotwendigkeit macht jedenfalls nicht die Verwendung einer Bezeichnung erforderlich, die aus den dargestellten Gründen wie eine Verkehrsbezeichnung wirkt.
Stellen damit auch die im vorliegenden Verfahren angegriffenen Bezeichnungen Verstöße gegen § 3 MilchErzV dar, so begründet dies den zuerkannten Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 13 Abs.1 Ziff.1 UWG. Hierzu gilt dasselbe, was der Senat in dem früheren Verfahren dargelegt und oben zitiert hat. Das gilt auch angesichts des Vorbringens der Beklagten hierzu. Der Umstand, dass die Beklagte die Bezeichnungen nach ihrem Vortrag seit 10 Jahren beanstandungsfrei verwendet, ändert nichts daran, dass sie in Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die den Verstoß begründen, beabsichtigt, die Kennzeichnungen weiter zu verwenden. Im übrigen ist der Verstoß zumindest angesichts der bestehenden Nachahmungsgefahr, aber auch mit Blick auf den gerichtsbekannten Umstand, dass es sich bei der Beklagten nicht um einen kleinen Anbieter handelt, auch geeignet, den Markt im Sinne des § 13 Abs.1 Ziff.1 UWG wesentlich zu beeinträchtigen.
Schließlich ist die Geltendmachung des mithin bestehenden Unterlassungsanspruches auch nicht mit Blick auf die lange Marktpräsenz der Beklagten - wie diese vorträgt - treuwidrig. Der Sache nach beruft sich die Beklagte unter diesem Gesichtspunkt offenbar auf das Rechtsinstitut der Verwirkung, zumal ein Treueverhältnis zwischen den konkurrierenden Parteien nicht in Betracht kommt. Die Beklagte mag auch einen gewissen Besitzstand mit dem Produkt aufgebaut haben, dies allein und der Zeitablauf bewirken indes nicht, dass der Anspruch der Beklagten verwirkt wäre.
Zum einen wird die Beklagte einen etwaigen Besitzstand durch eine Änderung der Schreibweise von "frischer" nicht gefährden, zumal diese sogar als Modernisierung aufgefasst werden kann.
Zum anderen scheitert eine Verwirkung jedenfalls daran, dass die Bestimmungen der MilchErzV Vorschriften zum Schutze des Verbrauchers sind und zu dessen Lasten eine Verwirkung nicht eingetreten sein kann.
Ist der Beklagten mithin die Verwendung der angegriffenen Bezeichnung "Frischer ...(z.B.: Rahmjoghurt)" in den für die verschiedenen Geschmacksrichtungen von ihr konkret verwendeten Formen zu untersagen, so besteht der darüber hinaus geltendgemachte Anspruch, die Verwendung der Bezeichnung "Frischer ... (z.B.: Rahmjoghurt)" auch unabhängig von den derzeit von der Beklagten benutzten Verwendungsformen allgemein zur Kennzeichnung von Joghurtprodukten zu unterlassen, nicht. Denn die Bezeichnung des von der Beklagten produzierten Joghurts als "frisch" erfüllt den Irreführungstatbestand des § 17 Abs.1 Nr. 5 LMBG bzw. des § 3 UWG unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt.
I.
Die Verwendung des Begriffes "frisch" erweckt keine Fehlvorstellungen des Verbrauchers über die Qualität und den Zustand des so bezeichneten Joghurts der Beklagten.
Der Verbraucher erwartet von einem als "frisch" bezeichneten Joghurt, dass er aus frischer Milch produziert ist und bis zum Ende der angegebenen Haltbarkeitsdauer zumindest im wesentlichen dieselbe Qualität aufweist, wie an dem Tag, an dem er in den Handel gebracht wird. Ob der Begriff darüber hinaus den Verbraucher auch erwarten lässt, dass der Joghurt auf eine Weise zubereitet worden ist, die den ursprünglichen Zustand der Milch und sonstigen Zutaten möglichst wenig verändert, kann dahinstehen, weil der Vortrag der Klägerin nicht ergibt, dass die Beklagte eine derartige Anforderung nicht erfülle.
Entgegen der Auffassung der Klägerin erwartet der Verbraucher demgegenüber nicht, dass der als "frisch" bezeichnete Joghurt nur wenige Tage und damit deutlich kürzer im Handel wäre, als seine Haltbarkeit von vier Wochen dies zuließe. Diese Feststellung vermag der Senat aus den oben bereits dargelegten Gründen aus eigener Sachkunde und insbesondere ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens in Form einer Meinungsumfrage zu treffen. Dem steht nicht entgegen, dass das Landgericht die Voraussetzungen einer Irreführung bejaht hat, weil dies nicht in Bezug auf den Begriff "frischer" als solchen, sondern im Rahmen einer angenommenen Werbung mit Selbstverständlichkeiten geschehen ist, auf die noch einzugehen ist (unten II.).
Der Verbraucher kennt - zumindest soweit er überhaupt der Frage der Frische Bedeutung beimisst - den Begriff der Mindesthaltbarkeitsdauer, weil diese auf allen vergleichbar in Betracht kommenden Lebensmitteln angegeben ist. Er verbindet mit diesem Begriff den Zeitraum, innerhalb dessen das Lebensmittel genießbar ist, während er für die anschließende Zeit mit einem allmählichen Verderben des Produktes rechnet. Vor diesem Hintergrund erwartet der Verbraucher von einem als "frisch" bezeichneten Joghurt über die Verwendung von frischer Milch hinaus nicht zusätzlich, dass das Produkt nur wenige Tage im Handel wäre. Denn dann müsste das Mindesthaltbarkeitsdatum mit Blick auf die Bezeichnung deutlich vor-, und damit in einen Zeitraum verlegt werden, in dem der geschilderte Prozess des Verderbens bei weitem noch nicht begonnen hat. Eine derartige Annahme ist indes bereits aus sich heraus fernliegend, solange das Produkt innerhalb des (längeren) Haltbarkeitszeitraumes seine Qualitätsmerkmale behält und einen Zustand aufweist, der gegenüber dem ursprünglichen zumindest nahezu unverändert ist. Ist damit schon im Ansatz allenfalls von einem geringen Anteil der Verbraucher die Vorstellung anzunehmen, der Joghurt befinde sich nur kurze Zeit - z.B. drei Tage - im Handel, so reduziert sich diese geringe Anzahl noch aufgrund folgenden Umstandes: der betreffende Verbraucher wird sogleich aufgeklärt, wenn er bei seinem Bemühen, ein möglichst junges Produkt zu erwerben, auf ein Exemplar des Joghurts stößt, das eine noch sehr lange Haltbarkeitsdauer etwa von drei Wochen ausweist. Es bleiben damit nur diejenigen Verbraucher in der Betrachtung, die einen Joghurtbecher aus dem Kühlregal ergreifen, der tatsächlich schon länger dort steht und dessen angegebene Haltbarkeitsdauer in den nächsten Tagen abläuft. Diese Zahl ist indes gering und repräsentiert bei Berücksichtigung auch der übrigen angeführten Umstände die allgemeine Verkehrsauffassung nicht, weil die Produkte nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten schon seit etwa 10 Jahren im Handel sind, viele Verbraucher von Joghurt daher schon mehrfach einen der als "frisch" bezeichneten Joghurtprodukte der Beklagten in der Hand gehabt haben werden und sich dadurch die Zahl derer erhöht, die anhand der längeren Haltbarkeitsdauer ersehen konnten, dass der Ausdruck "frischer" nicht einen gegenüber der Haltbarkeitsdauer verkürzten Verkaufszeitraum zum Ausdruck bringt.
Die vorstehenden Kriterien sind durch die mit den angegriffenen Kennzeichnungen versehenen Produkte erfüllt.
Aus dem Vortrag der Klägerin geht nicht hervor, dass die Beklagte etwa Milch verwende, die nicht mehr als frisch bezeichnet werden könnte. Die Pasteurisierung steht dem Begriff "frisch" nicht entgegen, weil sie bekanntermaßen (nämlich durch § 2 MilchErzV) vorgeschrieben ist und der Verkehr daher auch von einem als "frisch" bezeichneten Joghurt nicht erwartet, dass die verwendete Milch nicht pasteurisiert ist. Zudem hat die Klägerin dem Vortrag der Beklagten in der Berufungsbegründung nicht widersprochen, wonach sie nur Milch aus eintägiger Abholung und aus dem regionalen Umland, nämlich solche verwendet, die sie selbst bei ihren Vertragsbauern abholt. Die von ihr verwendete Milch ist damit zu Beginn des Produktionsprozesses frisch, nämlich am Tage selbst oder am Vortage gemolken und produziert worden. Ob die Verwendung des Begriffes "frischer" eine besonders schonende Behandlung der Milch während der Produktion des Joghurts voraussetzt, kann - wie bereits ausgeführt - offen bleiben. Denn die Klägerin ist weder der detaillierten Schilderung der Beklagten in der Klageerwiderung über den Produktionsablauf, noch der Schlussfolgerung entgegengetreten, dass es sich dabei um eine Produktionsweise handele, die die Frische des Joghurts sicherstelle. Schließlich ist mangels entgegenstehenden Vortrags der Klägerin auch davon auszugehen, dass die Produkte der Beklagten bis zum Ende der Haltbarkeitsdauer ihren Qualitätsstatus behalten.
II.
Löst damit der Begriff "Frischer" als solcher keine Fehlvorstellungen des Verbrauchers aus, so liegt schließlich auch keine Werbung mit Selbstverständlichkeiten vor. Die Beklagte hat unwidersprochen ausgeführt, dass nicht alle Hersteller von Joghurt so wie sie, die Beklagte, Milch verwenden, die aus eintägiger Abholung und aus dem Umland, nämlich von Vertragsbauern, stamme, bei denen sie von dem Produzenten selbst abgeholt werde. Vielmehr sei die Abholung der Milch in zweitägigem oder noch längerem Rhythmus die Regel und würde in der Branche auch zugekaufte und bereits erhitzte Milch verwendet, die zudem von Milchhändlern über ganz Europa vertrieben werde. Vor diesem Hintergrund stellt die Bezeichnung der Produkte der Beklagten als "frisch" keine Werbung mit Selbstverständlichkeiten dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO. Der Senat schätzt mangels näherer Angaben der Parteien das Interesse der Klägerin an den beiden Klagezielen in etwa gleich hoch ein, was zu der vorstehenden Kostenentscheidung führt.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festgesetzte Beschwer der Parteien entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.000.000,00 DM.
OLG Köln:
Urteil v. 29.09.2000
Az: 6 U 11/00
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