Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Januar 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 27/06

(BPatG: Beschluss v. 22.01.2007, Az.: 27 W (pat) 27/06)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Widersprechende hat gegen die am 17. September 2004 veröffentlichte Eintragung der am 14. April 2004 angemeldeten, für "Bekleidung" geschützten Marke Nr. 304 20 478 Grafik Widerspruch eingelegt aus ihrer am 1. April 1996 angemeldeten und seit 9. März 1998 für "Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen, soweit in Klasse 25 enthalten" eingetragenen Marke Nr. EU 55 079 SIGNAL.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 20. April 2005 und 21. Dezember 2005, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, den Widerspruch zurückgewiesen, weil sich beide Zeichen infolge des Zusatzes "by CAMELOT" in der jüngeren Marke hinreichend unterschieden. Dem Wort "SIGNALE" käme dabei in der jüngeren Marke keine selbständige kollisionsbegründende Bedeutung zu, weil es eine originäre Kennzeichenschwäche aufweise und der Verkehr den auf den Hersteller oder Designer hinweisenden Zusatz "by CAMELOT" im Modesektor erfahrungsgemäß verstärkt beachte. Wegen des unterschiedlichen Markenaufbaus scheide auch eine assoziative Verwechslungsgefahr aus.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält eine Verwechslungsgefahr für gegeben. Die Widerspruchsmarke weise dabei keine originäre Kennzeichenschwäche auf, sondern sei normal kennzeichnungskräftig. Die jeweils beanspruchten Waren seien identisch. Auch wiesen die beiden Zeichen eine hochgradige Ähnlichkeit auf. Die jüngere Marke werde dabei von dem Bestandteil "SIGNALE" schon optisch dominiert. Zumindest werde sie nicht von dem Zusatz "by CAMELOT" geprägt. Dies folge nicht nur aus der BLENDAX PEP-Entscheidung des BGH, sondern auch aus dem THOMSON LIFE-Urteil des EuGH. Eine Übung des Verkehrs, auf den Hersteller- oder Designernamen zu achten, werde bestritten. Die somit gegenüberstehenden Markenteile "SIGNALE" und "SIGNAL" seien schriftbildlich, akustisch und begrifflich ähnlich, so dass eine Verwechslungsgefahr zumindest in Form des gedanklichen Inverbindungbringens bestehe. Soweit die sich hier stellenden Rechtsfragen in der THOMSON LIFE-Entscheidung nicht hinreichend geklärt seien, regt sie eine Vorabentscheidung des EuGH an. Soweit im Übrigen die Markenstelle die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als unterdurchschnittlich erachtet habe, sei diese jedenfalls durch die intensive Benutzung der Widerspruchsmarke ausgeglichen; hierfür hat die Widersprechende Unterlagen eingereicht.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss sowie den Vorbeschluss aufzuheben und die angegriffene Marke in vollem Umfang zu löschen.

Die Markeninhaberin hat sich zur Beschwerde nicht geäußert und auch keinen Antrag gestellt.

An der auf den Hilfsantrag der Widersprechenden anberaumten mündlichen Verhandlung haben beide Beteiligten nicht teilgenommen.

II A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Widerspruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.

Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), ist der Grad der Markenähnlichkeit trotz Warenidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu gering, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen.

1. Da beiderseits Bekleidung beansprucht wird, liegt Warenidentität vor.

2. Die Widerspruchsmarke besitzt eine normale Kennzeichnungskraft. Entgegen der Ansicht der Markenstelle, die sich zwar nur auf den Bestandteil "SIGNALE" in der jüngeren Marke bezieht, aber damit selbstredend auch den der älteren Marke zugrundeliegenden Begriff "SIGNAL" erfasst, besteht keine Veranlassung, die Widerspruchsmarke als originär kennzeichnungsschwach wegen eines beschreibenden Sinngehalts anzusehen. Für die angesprochenen Verkehrskreise liegt es nämlich eher fern, den vorgenannten Begriff nur als warenbeschreibend oder als an eine beschreibende Angabe angelehnt zu verstehen. Zwar existiert auch Kleidung, die in Signalfarben - etwa rot oder orange - gehalten ist und hierdurch vor allem der Sicherheit dient. Für den Verkehr liegt es aber nicht auf der Hand, den Begriff "SIGNAL" in Alleinstellung, also ohne dass er in einen Wort- oder Satzzusammenhang gestellt wird (vgl. 27 W (pat) 255/03 - ADVANTAGE, veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM), nur als Hinweis darauf zu verstehen, dass die mit ihm gekennzeichneten Kleidungsstücke durch ihre Färbung Schutzzwecken dienen sollen; denn da Kleidung, welche in Signalfarben gehalten ist, in der Regel nicht als "Signalkleidung" bezeichnet zu werden pflegt, bedürfte es, um dem in der Widerspruchsmarke enthaltenen Begriff einen beschreibenden Sinn beizulegen, schon analysierender Betrachtungen, zu welchen der Verkehr aber nach ständiger Rechtsprechung gerade nicht neigt (vgl. (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 - Vamos; BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH).

Auch eine Kennzeichenschwäche durch Drittmarken scheidet schon nach der Registerlage aus. Im nationalen Register gibt es zwar 178 Marken mit dem Bestandteil "SIGNAL", von denen aber nur 5 für Waren der Klasse 25 beansprucht werden, sowie gemeinschaftsweit 58 Marken mit diesem Bestandteil, von denen aber nur eine, nämlich die Widerspruchsmarke, für Waren der Klasse 25 geschützt ist. Damit kann ungeachtet der ausschlaggebenden weiteren Frage nach ihrer tatsächlichen Benutzung schon nach dem Registerstand eine originäre Schwächung der Widerspruchsmarke durch Drittzeichen nicht angenommen werden.

3. Der Senat teilt aber die Ansicht der Markenstelle, dass die gegenüberstehenden Marken nur geringe Ähnlichkeiten aufweisen.

a) Von ihrem Gesamteindruck, auf den bei der Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr unabhängig vom Prioritätsalter der sich gegenüberstehenden Zeichen auf deren jeweiligen Gesamteindruck grundsätzlich abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044 {Rz. 28] - THOMSON LIFE; GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 233 f. - Rausch/ Elfi Rauch), unterscheiden sich beide Zeichen sowohl schriftbildlich als auch klanglich und begrifflich ohne Weiteres durch den in der Widerspruchsmarke nicht enthaltenen Zusatz "by CAMELOT", die Pluralform des Begriffs "SIGNAL" sowie die in der älteren Marke ebenfalls nicht anzutreffenden Klammern um das Markenwort "SIGNALE".

b) Eine Verwechslungsgefahr kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Begriff "SIGNALE" den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägt (vgl. EuGH, a. a. O. [Rz. 29] - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 60 [Tz. 17] - coccodrillo; WRP 2006, 1227, 1230 [Tz. 18] - MALTESERKREUZ). Selbst wenn der Verkehr in dem Zusatz "by CAMELOT" nämlich einen Hinweis auf das Firmenschlagwort der Inhaberin der angegriffenen Marke und damit auf ein Unternehmenskennzeichen sieht, existiert nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kein Erfahrungssatz, demzufolge das Unternehmenskennzeichen vom Verkehr bei der schriftbildlichen oder klanglichen Wiedergabe und Wahrnehmung der entsprechenden Kennzeichnung außer acht gelassen und dieses nicht mitprägen würde (vgl. BGH GRUR 2004, 865, 866 - MUSTANG). Für den hier in Rede stehenden Bekleidungssektor hat der BGH vielmehr der Herstellerangabe eine mitprägende Bedeutung gerade zugesprochen (vgl. BGH GRUR 1996, 406, 407 - JUWEL), so dass auf dem hier in Rede stehenden Waren- und Dienstleistungssektor davon auszugehen ist, dass in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise der Markenteil "(by) CAMELOT" nicht nur nicht zurücktritt, sondern sogar das eigentlich prägende Element darstellt. Ob an der Differenzierung nach Branchen nach der THOMSON LIFE Entscheidung noch festgehalten werden kann (krit. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 289), bedarf keiner Entscheidung, weil nach Ansicht des EuGH die Herstellerangabe insoweit abweichend von der Rechtsprechung des BGH ein zusammengesetztes Zeichen stets dominiert (vgl. EuGH, a. a. O. [Rz. 34 a. E.] THOMSON LIFE), so dass auch unter Zugrundelegung der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung des EuGH dem Markenbestandteil "(by) CAMELOT" in der angegriffenen Marke eine zumindest mit-, wenn nicht gar - trotz der gegenüber dem in größerer Schrift gehaltenen und zudem über ihm angeordneten Bestandteil "(SIGNALE)" - allein prägende Stellung in der angegriffenen Marke zukommt.

c) Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ergibt sich eine Verwechslungsgefahr auch nicht aus der THOMSON LIFE-Entscheidung des EuGH.

aa) Zwar hat dieser hierin festgestellt, dass eine Verwechslungsgefahr bestehen kann, wenn ein Zeichen aus der Aneinanderreihung (vgl. EuGH a. a. O. [Rz. 34] - THOMSON LIFE) einer älteren Marke und einer bekannten Marke oder einem Handelsnamen zusammengesetzt wird und die übernommene ältere Marke in der komplexen Zeichen eine selbständige kennzeichnende Stellung behält (vgl. EuGH a. a. O. [Rz. 30 und 34] - THOMSON LIFE). Wie sich aus der Formulierung der Entscheidungsgründe ("jenseits des Normalfalls") ergibt, handelt es sich hierbei aber um Ausnahmefälle, die einer Verallgemeinerung unzugänglich sind (so bereits 27 W (pat) 60/05 - Drillisch ALPHATEL/ALCATEL, Beschluss vom 6. Juli 2006, noch nicht veröffentlicht).

bb) Etwas Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Widersprechenden auch nicht aus der MALTESERKREUZ-Entscheidung des BGH (a. a. O. [Tz. 18]), derzufolge eine Verwechslungsgefahr besteht, wenn ein Zeichen als Bestandteil in einer zusammengesetzten Marke oder in einer komplexen Kennzeichnung eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne diese zu prägen, und mit einem älteren Zeichen identisch oder ähnlich ist. Dabei ist schon zweifelhaft, ob - wie die Widersprechende im Anschluss an die allgemein gehaltenen Ausführungen des BGH im vorgenannten Beschluss meint - über die in der THOMSON LIFE-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs allein behandelte identische "Übernahme" eines normal kennzeichnungskräftigen Zeichens in ein aus diesem und einer dem Inhaber der jüngeren Marke gehörenden bekannte Marke oder seinem Handelsnamen auch die Verbindung eines mit dem älteren Zeichen - und sei es noch so entfernt - nur ähnlichen Kennzeichens mit jedem anderen weiteren Bestandteil kollisionsbegründend sein kann; hiergegen spricht nämlich - trotz der vermeintlich das Gegenteil besagenden Ausführungen des BGH - der vom EuGH betonte Ausnahmecharakter der THOMSON LIFE-Entscheidung, zumal bei einer allgemeinen Ausweitung auf alle erdenklichen komplexen Zeichen der Grundsatz vom Gesamteindruck einer Marke letztlich unterlaufen würde. Eine Klärung dieser Frage kann allerdings nur im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EGV herbeigeführt werden, weil sich die allgemein gehaltenen Ausführungen des BGH entgegen seiner Annahme nicht aus der THOMSON LIFE-Entscheidung des EuGH ergeben.

Einer solchen Vorabentscheidung des EuGH - wie von der Widersprechenden ausdrücklich beantragt - bedarf es indessen nicht, weil die vorgenannte Frage vorliegend dahinstehen kann; denn eine Verwechslungsgefahr scheidet auch auf der Grundlage der MALTESERKREUZ-Entscheidung des BGH im hier zur Entscheidung anstehenden Fall aus. Wie nämlich auch der BGH betont, setzt eine Verwechslungsgefahr voraus, dass der kollisionsbegründende Zeichenbestandteil innerhalb der angegriffenen Gesamtmarke eine selbständig kennzeichnende Stellung besitzt. Wie sich aus den vom EuGH ausdrücklich genannten Fallgestaltungen aber ergibt, kann eine selbständige kennzeichnende Stellung eines Zeichenbestandteils nur angenommen werden, wenn der Verkehr die an sich als Gesamtzeichen eingetragene angegriffene Marke tatsächlich als Mehrfachkennzeichnung ansieht, also als Kombination voneinander unabhängiger Kennzeichnungen, wie dies etwa bei der häufigen Kombination von (getrennt voneinander eingetragenen) Erst- und Zweitmarken auf bestimmten Warenbereichen der Fall ist; der BGH stellt hierzu in seiner MALTESERKREUZ-Entscheidung (vgl. a. a. O. [Tz. 22]) nicht nur auf die konkrete Gestaltung, sondern insbesondere auch auf die Kennzeichnungsgewohnheiten des betroffenen Waren- oder Dienstleistungssektors ab.

cc) Von einer selbständig kennzeichnenden Stellung des Begriffs "SIGNALE" in der jüngeren Marke kann aber vorliegend keine Rede sein. Hiergegen spricht schon die deutliche Verbindung der Bestandteile "(SIGNALE)" und "Camelot" durch das Wort "by", wodurch sich die Gesamtmarke von der vom EuGH vorausgesetzten (vgl. EuGH a. a. O. [Rz. 34] - THOMSON LIFE) bloßen Aneinanderreihung zweier selbständiger Kennzeichnungen deutlich abhebt, weil hierdurch die beiden Bestandteile in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise zu einer Gesamtaussage verschmolzen werden, so dass sie gerade nicht mehr als selbständig wahrgenommen werden. Darüber hinaus lässt sich im hier maßgeblichen Modesektor auch keine Branchenübung feststellen, derzufolge die einzelnen Produkte in der Weise gekennzeichnet werden, dass einem aus dem Unternehmensnamen gebildeten "übergeordneten", d. h. für alle Waren geltenden Kennzeichnungen eine einzelne Warengruppen erfassende Zweitmarke oder dem konkreten Produktkennzeichen das Unternehmenskennzeichen als Herstellerhinweis hinzugefügt wird. Scheidet aber eine selbständig kennzeichnende Stellung des Bestandteils "SIGNALE" aus, hat es bei der oben unter A. 3. a) dargestellten Grundregel zu verbleiben, dass die gegenüberstehenden Zeichen von ihrem Gesamteindruck nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit aufweisen; damit scheidet eine Verwechslungsgefahr aber aus.

4. Da Anhaltspunkte für eine Verwechslungsgefahr aus sonstigen Gründen weder dargetan noch anderweitig ersichtlich sind, hat die Markenstelle somit den Widerspruch der Widersprechenden zutreffend zurückgewiesen. Der Beschwerde der Widersprechenden war der Erfolg daher zu versagen.

B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 22.01.2007
Az: 27 W (pat) 27/06


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