Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 25. Februar 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 81/07

(BGH: Beschluss v. 25.02.2010, Az.: AnwZ (B) 81/07)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 29. März 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit dem 29. Juli 1999 im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 25. April 2006 widerrief die Antragsgegnerin seine Zulassung wegen Vermögensverfalls. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.

II.

Das nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F. zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschl. v. 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschl. v. 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschl. v. 26. November 2002, AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Wird der Rechtsanwalt in das von dem Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO geführte Verzeichnis eingetragen, wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet.

2. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids vor.

a) Zu diesem Zeitpunkt wurde gegen den Antragsteller durch mindestens 15 Gläubiger vollstreckt. Die Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung zweier Eigentumswohnungen, die ihm und seiner Ehefrau gehörten, war angeordnet worden, weil die finanzierende Bank die Kredite gekündigt hatte und er außerstande war, die Forderung der Bank von seinerzeit ca. 230.000 € zu erfüllen. Auf Betreiben mehrerer Gläubiger waren gegen den Antragsteller sechs Haftbefehle zur Erwirkung der eidesstattlichen Versicherung erlassen worden, mit denen er im Schuldnerverzeichnis des Vollstreckungsgerichts eingetragen wurde. Damit lag bei Erlass des Widerrufsbescheids bei dem Antragsteller Vermögensverfall vor.

b) Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen bei Erlass der Widerrufsverfügung nicht vor. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter II 2 a). Die Vorfälle, die die Generalstaatsanwaltschaft M. zum Gegenstand ihrer Anschuldigungsschrift vom 27. Mai 2008 gemacht hat, sprechen dafür, dass sich diese Gefährdung bereits realisiert hatte.

3. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung des Antragstellers sind auch nicht im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens entfallen.

a) Der Antragsteller befindet sich nach wie vor in Vermögensverfall.

aa) Durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - M. vom 21. Mai 2008 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet worden. Der Vermögensverfall wird nunmehr auch aus diesem Grund vermutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).

Die Grundlage dieser Vermutung entfällt regelmäßig erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, weil der Schuldner erst dann das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse zu verfügen (Senat, Beschl. v. 13. März 2000, AnwZ (B) 28/99, NJW-RR 2000, 1228; Beschl. v. 7. März 2005, AnwZ (B) 7/04, NJW 2005, 1944; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, juris Tz. 8, Beschl. v. 16. März 2009, AnwZ (B) 61/07, juris Tz. 11). Eine Konsolidierung tritt mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens zudem nur ein, wenn dem Schuldner durch Beschluss des Insolvenzgerichts die Restschuldbefreiung angekündigt wurde (§ 291 InsO) oder ein vom Insolvenzgericht bestätigter Insolvenzplan (§ 248 InsO) oder angenommener Schuldenbereinigungsplan (§ 308 InsO) vorliegt, bei dessen Erfüllung der Schuldner von seinen übrigen Forderungen gegenüber den Gläubigern befreit wird (Senat, Beschl. v. 6. November 2000, AnwZ (B) 1/00, juris Tz. 9; Beschl. v. 7. Dezember 2004, AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271). Nur dann besteht die hinreichend konkrete Erwartung, dass nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht auf unabsehbare Zeit Forderungen offen bleiben. Solange die Gläubiger einem Insolvenzplan noch nicht zugestimmt haben (§ 244 InsO) und das Insolvenzgericht diesen noch nicht bestätigt hat, besteht regelmäßig keine Grundlage für die Annahme, dass das Insolvenzverfahren zu einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse führen wird (Senat, Beschl. v. 6. November 2000, AnwZ (B) 1/00, juris Tz. 9). Insoweit gilt nichts anderes als für den bloßen Antrag auf Restschuldbefreiung (Senat, Beschl. v. 7. März 2005, AnwZ (B) 7/04, NJW 2005, 1944).

bb) Danach hat der Antragsteller die für den fortdauernden Vermögensverfall streitende Vermutung nicht widerlegt.

Er hat zwar während des Insolvenzverfahrens offene Honorarforderungen in namhafter Höhe beigetrieben; auf dem Insolvenzanderkonto sind etwa 73.000 € eingegangen. Mit Schreiben vom 18. Januar 2010 hat der Antragsteller auch den Entwurf eines Insolvenzplans zu den Akten gereicht. Dafür, dass dieser Plan, wie der Antragsteller hofft, bis Ende Februar 2010 oder jedenfalls in absehbarer Zeit die Zustimmung der Gläubiger finden wird, spricht aber nichts. Im Gegenteil:

Den nunmehr vorgelegten Entwurf hat der Antragsteller, nachdem er bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. November 2008 und danach wiederholt angekündigt hatte, die Vorlage eines vom Insolvenzverwalter gefertigten Insolvenzplans stehe unmittelbar bevor, selbst erstellt. Zudem trägt er nicht einmal vor, dass er den Plan dem Insolvenzgericht überhaupt vorgelegt hat. Er teilt auch nicht mit, worauf sich seine Erwartung gründet, die Insolvenzgläubiger würden dem Plan zustimmen. Nach einer Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 22. Januar 2010 ist der Plan nicht mit diesem abgestimmt. Dass er seinen Planentwurf mit den Insolvenzgläubigern abgestimmt und was eine solche Abstimmung ergeben hat, trägt der Antragsteller ebenfalls nicht vor. Vor allem aber lässt der von ihm jetzt vorgelegte Planentwurf die Frage offen, in welchem Umfang die in dem Planentwurf ausgewiesenen offenen, teils titulierten, teils noch gerichtlich verfolgten Forderungen des Antragstellers durchsetzbar sein werden. Dies ist aber für das Gelingen einer Schuldenbereinigung entscheidend, weil sich die verteilungsfähige Insolvenzmasse bei erfolgreicher Durchsetzung aller in dem Plan genannten offenen Forderungen nahezu verdoppeln könnte. Das war in dem Insolvenzverfahren auch von Anfang an klar, weshalb sich der Antragsteller auch um eine Beitreibung der Forderungen bemüht hat, zu deren Stand und weiteren Aussichten er jetzt schweigt. Hinzu kommt, dass das Insolvenzverfahren auch bislang nicht zielgerichtet und zügig betrieben worden ist, wobei dahinstehen mag, inwieweit dies dem Antragsteller anzulasten ist. Jedenfalls drängt sich bei Würdigung des gesamten Prozessverhaltens des Antragstellers der Eindruck auf, dass er mit dem Schriftsatz vom 18. Januar 2010 und der Übersendung des Entwurfs eines Insolvenzplans, dessen entscheidende Grundlage ungeklärt bleibt, lediglich einen weiteren Versuch unternimmt, einen für ihn ungünstigen Abschluss des Verfahrens hinauszuzögern.

Im Ergebnis ist unter den gegebenen Umständen nicht absehbar, wann das Insolvenzverfahren zu einem Abschluss kommt und ob es mit einer Bestätigung des gegebenenfalls modifizierten Insolvenzplans des Antragstellers endet, der zu einer Befreiung von den restlichen Verbindlichkeiten führt. Für den Nachweis einer Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse hatte der Antragsteller - seit dem Termin vom 3. November 2008 - hinreichend Zeit. Diese hat er nicht genutzt. Dies geht zu seinen Lasten.

b) Bei dieser Sachlage bestehen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall nicht (mehr) gefährdet sind.

aa) Die Gefährdung der Rechtsuchenden entfällt nach der Rechtsprechung des Senats im Grundsatz nicht schon durch die Insolvenzeröffnung und die damit verbundene Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (Senat, Beschl. v. 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, 2925, Tz. 12; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, juris). Auch der Antrag auf Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren ändert an dem Fortbestand einer Gefährdung der Rechtsuchenden nichts (Senat, Beschl. v. 13. März 2000, AnwZ (B) 28/99, NJW-RR 2000, 1228, 1229; Beschl. v. 7. März 2005, AnwZ (B) 7/04, NJW 2005, 1944; Beschl. v. 31. März 2008, AnwZ (B) 33/07, juris). Gleiches gilt für die Freigabe der Kanzlei nach § 35 Abs. 2 InsO (Senat, Beschl. v. 16. April 2007, AnwZ (B) 6/06, ZVI 2007, 619, 620 f. Tz. 11). Vielmehr kann in aller Regel erst dann, wenn das Insolvenzverfahren zu einem Abschluss führt, bei dem mit einer Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers gerechnet werden kann, davon ausgegangen werden, dass nicht nur der Vermögensverfall, sondern auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht mehr fortbesteht (Senat, Beschl. v. 7. Dezember 2004, AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271; Beschl. v. 7. März 2005, AnwZ (B) 7/04, NJW 2005, 1944, 1945; Beschl. v. 16. April 2007, AnwZ (B) 6/06, ZVI 2007, 619, 620 f.).

bb) Diese Voraussetzungen sind beim Antragsteller - wie dargelegt - nicht erfüllt. Er führt seine Einzelkanzlei nach Freigabe durch den Insolvenzverwalter unverändert fort und kann dabei nach wie vor mit Mandantengeldern in Berührung kommen. Sicherheitsvorkehrungen, die die Einzahlung von Fremdgeldern auf dem Insolvenzverwalteranderkonto gewährleisten, bestehen nach Auskunft des Verwalters vom 9. März 2009 nicht. Zudem hat der Antragsteller mitgeteilt, dass er Fremdgelder künftig wieder auf einem eigenen Rechtsanwaltsanderkonto zu verbuchen gedenkt. Für die Rechtsuchenden hat sich somit durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts geändert. Diese stehen auf unabsehbare Zeit weiterhin einem in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt gegenüber, von dem auch weiterhin eine Gefährdung ihrer Interessen ausgeht.

4. Der Senat entscheidet in der nach § 106 Abs. 2 BRAO n.F. maßgeblichen verkleinerten Besetzung (BGH, Beschl. v. 4. November 2009, AnwZ (B) 16/09, AnwBl. 2010, 64, 65). Er kann weiterhin auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Parteien haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Wirkung dieses Verzichts ist in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen alten Rechts nicht beschränkt, weil diese Verfahren wegen der in § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. §§ 40 Abs. 4, 42 Abs. 6 BRAO a.F. vorgesehenen Verweisung auf das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei einem Verzicht nicht dem Münd-

lichkeitsgebot unterliegen und eine entsprechende Anwendung von § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht in Betracht kommt.

Tolksdorf Schmidt-Räntsch Roggenbuck Kappelhoff Martini Vorinstanz:

AGH München, Entscheidung vom 21.03.2007 - BayAGH I-19/06 -






BGH:
Beschluss v. 25.02.2010
Az: AnwZ (B) 81/07


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