Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 9. September 2011
Aktenzeichen: 6 U 71/11
(OLG Köln: Urteil v. 09.09.2011, Az.: 6 U 71/11)
Tenor
1.) Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 17. März 2011 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln -81 O 134/10- teilweise abgeändert:
Die Antragsgegnerinnen werden verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an der Antragsgegnerin zu 1 und/oder bei der Antragsgegnerin zu 2 an ihren jeweiligen Vorständen, zu unterlassen,
Süßwaren unter der Bezeichnung GUTE LAUNE BRAUSE-TALER anzubieten, zu bewerben, zu vertreiben oder sonst wie in den Verkehr zu bringen, wie nachfolgend (schwarz/weiß) wiedergegeben: (*)
2.) Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3.) Die Kosten des Verfahrens insgesamt werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, ein Süßwarenhersteller, vertreibt unter dem Zeichen
Bonbons im Rahmen eines Produktsortiment unter der Dachmarke „L.“, das aus insgesamt 22 Produkten besteht, deren Verpackung jeweils in der Grundfarbe gelb gestaltet und mit Streumotiven versehen ist. Dieses Zeichen ist als deutsche Wort-/Bildmarke Nr. DE 00000000 für die Klassen 29 und 30 eingetragen. Die Markeninhaberin, die die Serie konzipiert hat, hat der Antragstellerin eine Lizenz zur Nutzung dieses Zeichen eingeräumt, die die Antragstellerin auch berechtigt, Ansprüche aus der Marke im eigenen Namen geltend zu machen.
Die Antragsgegnerinnen vertreiben unter der Marke „C.“ eine „Gute Laune Serie“, die insbesondere Schreibwaren und Porzellanwaren und auch die hier angegriffenen „Gute Laune Brause Taler“ in der im Tenor wiedergegeben Ausstattung umfasst.
Die Antragstellerin sieht darin eine Verletzung ihrer Markenrechte und einen Verstoß gegen § 4 Nr. 9 UWG und nimmt die Antragsgegnerinnen auf Unterlassung in Anspruch. Das Landgericht (Wettbewerbskammer) hat im Beschlussweg Angebot, Bewerbung, Vertrieb und Inverkehrbringen der „Gute Laune Brause Taler“ gestützt auf § 4 Nr. 9 UWG verboten; den auf Markenrecht gestützten Antrag hat es mit der Begründung zurückgewiesen, die Antragsgegnerinnen nutzten das Zeichen nicht markenmäßig. Der Senat hat auf die Beschwerde der Antragstellerin ein auf das Markenrecht gestütztes Verbot erlassen. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerinnen hat die nunmehr antragsgemäß zuständige Kammer für Handelssachen beide einstweilige Verfügungen aufgehoben und die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen. Mit der Berufung begehrt die Antragstellerin, die einstweiligen Verfügungen erneut zu erlassen. Die Antragsgegnerinnen verteidigen im Ergebnis das angefochtene Urteil. Sie meinen außerdem, es fehle - was das Landgericht offen gelassen hat - bereits am Verfügungsgrund; zudem benutze sie entgegen der Auffassung der Kammer für Handelssachen das angegriffene Zeichen nicht markenmäßig.
Im Übrigen wird von der Darstellung des Sachverhalts gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1, 542 Abs. 2 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung ist zulässig und führt zum erneuten Erlass der einstweiligen Verfügung, soweit sie auf Markenrecht gestützt ist; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig; insbesondere fehlt es nicht am Verfügungsgrund.
Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass der für den fraglichen Produktbereich zuständige Geschäftsführer erst am 12.8.2010 Kenntnis von dem angegriffenen Produkt erlangt hat. Eine frühere, dringlichkeitsschädliche grob fahrlässige Unkenntnis der Antragstellerin kann nicht angenommen werden. Diese ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Antragstellerin bereits im Dezember 2009 aus einer vertraulichen Quelle von der Absicht der Antragsgegnerinnen erfahren hat, eine Produktserie „C. - Die gute Laune machen!“ und darin eine „Gute Laune“-Unterserie in den Markt einzuführen. Denn aus der der Antragstellerin überlassenen Präsentation ergab sich nicht, dass Gegenstand dieser Serie auch Süßwaren sein würden. Vielmehr war dort angegeben, es sollten insgesamt 26 Artikel angeboten werden, nämlich „verschiedene Porzellan-Artikel“, „klassische Schreibwaren-Produkte“, „Badekonfetti“ und eine „Plastiktüte als Verkaufsunterstützung“. Daraufhin hat die Antragstellerin jedenfalls alles getan, was von ihr erwartet werden konnte, indem sie eine Berechtigungsanfrage an die Antragsgegnerin zu 1 gerichtet hat. Aus deren Antwort ergaben sich ebenfalls keine Hinweise darauf, dass die Antragsgegnerinnen beabsichtigten, auch Süßwaren als Teil der „Gute Laune Serie“ anzubieten. Vielmehr hat die Antragsgegnerin zu 1 durch ihre Anwälte ihrer Verwunderung über den Hinweis der Antragstellerin auf ihre „lediglich für Waren der Klasse 30 geschützte Wort-/Bildmarke … ‚Gute Laune Drops‘“ Ausdruck verliehen. Dies konnte die Antragstellerin ohne grobes Verschulden gegen sich selbst dahin verstehen, dass das Angebot von Waren aus dieser Klasse von den Antragsgegnerinnen nicht beabsichtigt war. Für die Annahme einer gesteigerten Verpflichtung der Antragstellerin, nunmehr den Markt zu beobachten und sich näher über die Produktserie der Antragsgegnerinnen zu informieren, besteht daher keine Grundlage.
2. Durch die Verwendung des Zeichens „Gute Laune Brause-Taler“ haben die Antragsgegnerinnen die Rechte an der Marke „Gute Laune Drops“ verletzt.
a) Die Antragsgegnerinnen verwenden das Zeichen markenmäßig. Der Senat hält an seiner Auffassung aus dem Beschluss vom 29.9.2010 (6 W 150/10) fest, der sich auch das Landgericht angeschlossen hat. Das Zeichen ist auf der Produktverpackung in markentypischer Weise angebracht; das Zeichen „C.“ tritt dahinter weitgehend zurück. Entscheidend aber ist, dass die Antragsgegnerinnen die Brause-Taler als Teil der Serie „Gute Laune“-Serie vermarkten und damit deutlich machen, dass die einzelnen Produkte dieser Serie von ihnen stammen. Der Verkehr soll die gesamte Produktserie als solche erkennen und offensichtlich - nach den Vorstellungen der Antragsgegnerinnen - sämtliche Produkte dieser Serie erwerben (wie sich auch aus der Angabe des Gesamtverkaufspreises für alle Produkte der Serie in der internen Präsentation ergibt). Damit dient das Zeichen nicht nur der Abgrenzung von anderen Produkten desselben Unternehmens, sondern zugleich als Hinweis auf die Herkunft von den Antragsgegnerinnen.
b) Die Verwendung des Zeichens durch die Antragsgegnerinnen begründet eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Die Prüfung der Verwechslungsgefahr erfordert eine umfassende Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, wobei eine Wechselbeziehung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren besteht, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Identität oder Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der geschützten Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Marke ausgeglichen werden (vgl. BGH GRUR 2010, 235 Tz. 15 - AIDA/AIDU mwN.).
Die Kennzeichnungskraft der Marke ist allerdings gering, denn der Bestandteil „Drops“ ist rein beschreibend und auch der Bestandteil „Gute Laune“ hat einen stark beschreibenden Anklang. Zwar wird der Verkehr aus dem Begriff „Gute Laune“ nicht auf das so bezeichnete Produkt schließen können; es lässt sich aber von Süßigkeiten ein assoziativer Zusammenhang auch auf den allgemein anpreisenden Begriff „Gute Laune“ herstellen, so dass der Verkehr diesem Bestandteil nur einen wenig gewichtigen Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produkts entnehmen wird. Auch der Bildbestandteil trägt zur Kennzeichnungskraft wenig bei, denn das Schriftbild ist zwar nicht gängig, die graphische Gestaltung geht aber nicht über das gestalterische Maß hinaus, das bei werbenden Angaben üblich ist. Insgesamt verfügt das Zeichen, dem eine originäre Kennzeichnungskraft - entgegen den Ausführungen des Landgerichts - nicht abgesprochen werden kann (BGH GRUR 2005, 1044, 1045 - Dentale Abformmasse), daher nur über eine geringe Kennzeichnungskraft.
Die Zeichenähnlichkeit liegt im oberen durchschnittlichen Bereich. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Zwei der drei Begriffe, aus denen die von der Antragstellerin verwendete Marke besteht, haben die Antragsgegnerinnen identisch übernommen. Der dritte Begriff „Drops“ findet seine Entsprechung in dem ebenfalls das Produkt rein beschreibenden Teil des Zeichens der Antragsgegnerinnen „Brause Taler“, wobei zudem eine begriffliche Ähnlichkeit besteht. Schließlich weisen die verwendeten Schriftarten eine hohe Ähnlichkeit auf: sie sind jeweils einer handschriftlichen Druckschrift nachempfunden. Danach sind die Zeichen gerade in den Bestandteilen, aus denen sich die (geringe) Kennzeichnungskraft ergibt, identisch bzw. stark ähnlich. Dies genügt, um angesichts der Warenidentität die Verwechslungsgefahr zu begründen.
c) Ohne Erfolg berufen sich die Antragsgegnerinnen auf § 23 Nr. 2 MarkenG. Zwar scheitert § 23 Nr. 2 MarkenG nicht bereits daran, dass die Antragsgegnerinnen nicht zwingend auf die Verwendung des Zeichens angewiesen sind, um ihr Produkt zu beschreiben. Bei der gebotenen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. Ekey/von Hellfeld, § 23 Rn. 4) fällt aber zu Lasten der Antragsgegnerinnen entscheidend ins Gewicht, dass sie auch weitere Gestaltungselemente übernommen haben (vgl. hierzu Ingerl/Rohnke, § 23 Rn. 89), nämlich die Wahl einer sehr ähnlichen Farbe für die Produktgestaltung und die Ähnlichkeit des Schrifttyps. Daher erscheint die enge Anlehnung an die von der Antragstellerin benutzten Marke als Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 23 MarkenG.
3. Keinen Erfolg hat die Berufung allerdings, soweit das Landgericht den auf § 4 Nr. 9 UWG gestützten Antrag zurückgewiesen hat.
a) Eine Herkunftstäuschung kann- wie dies auch die Antragstellerin sieht - von vornherein nur aus der gesamten Serie der Antragstellerin hergeleitet werden. Denn die Produktausstattungen der „Gute Laune Drops“ und der „Gute Laune Brause Taler“ weisen für sich betrachtet derart erhebliche Unterschiede auf, dass eine Herkunftstäuschung ausgeschlossen ist. So vertreibt die Antragstellerin ihr Produkt in einer Pappverpackung, auf der eine große Zitrone abgebildet ist, während die „Brause Taler“ der Antragsgegnerin in einer runden Metalldose vertrieben werden, auf der verschiedene Motive abgebildet sind, die keinen unmittelbaren Produktbezug aufweisen. Übereinstimmungen bestehen nur in den Zeichen und der gelben Grundfarbe.
Aber auch aus der gesamten Serie kann die Antragstellerin keine Ansprüche herleiten. Die wettbewerbliche Eigenart der Serie ergibt sich nur aus der Kombination einzelner Gestaltungselemente, die insgesamt auf die betriebliche Herkunft der Produkte der Antragstellerin schließen lassen, nämlich der gelbe Grundton der Verpackungen, die einheitliche Schriftart und die an die Beschreibung von Gemütszuständen angelehnten Produktbezeichnungen, während die einzelnen Produktausstattungen durch individuelle (nicht wiederkehrende) Bildmotive geprägt sind. Bereits hieraus ergibt sich, dass das Maß der wettbewerblichen Eigenart am unteren Rand einzuordnen ist. Es handelt sich jeweils um für sich genommen nicht schützbare Elemente, die wenig auffällig sind und denen zudem im Rahmen der Gesamtgestaltung der jeweiligen Produkte nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Es lassen sich daher leicht andere Produkte in die „L.“-Serie der Antragstellerin einfügen, wie sich besonders an den Produkten des Herstellers I. zeigt.
Vor diesem Hintergrund mag zwar eine Nachahmung vorliegen. Der maßgebliche Gesamteindruck der angegriffenen „Brause-Taler“ weicht aber erheblich von den einzelnen Produkten der Serie der Antragstellerin ab. Die von den Antragsgegnerinnen verwendeten kindlichverspielten Bildmotive, bei denen jedem dargestellten Gegenstand ein Gesicht hinzugefügt ist, heben sich von den Bildmotiven, die die Antragstellerin verwendet, erheblich ab. Damit vermittelt das angegriffene Produkt einen deutlich abweichenden Gesamteindruck, so dass der Verkehr keinen Anlass hat, eine gemeinsame betriebliche Herkunft der Produkte anzunehmen.
b) Auch auf eine Rufausbeutung im Sinne des § 4 Nr. 9 b UWG kann sich die Antragstellerin nicht stützen. Denn zum einen ist für einen guten Ruf der „Gute Brause Drops“ nichts dargelegt. Zum anderen kann eine Übertragung des Rufs der Produkte der Antragstellerin angesichts der dargelegten Unterschiede in der Produktausstattung nicht angenommen werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 150.000 €.
OLG Köln:
Urteil v. 09.09.2011
Az: 6 U 71/11
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