Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. November 2006
Aktenzeichen: 5 W (pat) 439/05
(BPatG: Beschluss v. 08.11.2006, Az.: 5 W (pat) 439/05)
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin werden zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin zu 2/5 und die Antragsgegnerin zu 3/5.
Gründe
I Die Beschwerdegegnerin, Anschlussbeschwerdeführerin und Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 9. September 2002 eingereichten Gebrauchsmusters 202 13 950. Das Gebrauchsmuster mit der Bezeichnung "Radnaben-Bremsscheibenanordnung mit Radflansch-Radnaben-Kombination" ist am 21. November 2002 in das Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen worden.
Die ursprünglich eingereichten Gebrauchsmusterunterlagen stimmen mit der eingetragenen Version überein. Sie umfassen 8 Ansprüche, von denen Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
1. Radnaben-Bremsscheibenanordnung (1) für Lastfahrzeuge, umfassend:
einen Achsendkörper (2), eine Radnabe (3), die gegenüber dem Achsendkörper (2) drehbar gelagert ist, einen Radflansch (5), der mit der Radnabe (3) verbunden oder mit dieser integriert ist, eine Einheit, bestehend aus einer ebenen Bremsscheibe (7) und einem Bremsscheibenverbindungstorus (8), die mindestens zweiteilig ausgeführt ist, wobei innerhalb der vorgenannten Einheit zwischen Bremsscheibe (7) und Bremsscheibenverbindungstorus (8) ein umlaufender Entkoppelungsbereich angeordnet ist, wobei der Bremsscheibenverbindungstorus (8) an der Innenseite (7.1) der Bremsscheibe (7) beginnt und mit einem in Abstand von der Innenseite (7.1) der Bremsscheibe im Bereich der Felgenanbringungsposition (13) befindlichen Torusflansch (11) endet, und dass der Torusflansch (11) mit dem Haltekopfring (4) des Radflanschabschnitts (5) verbunden ist.
Bezüglich der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 wird auf die Akten verwiesen.
Die Antragstellerin hat die vollumfängliche Löschung des Gebrauchsmusters wegen Schutzunfähigkeit beantragt. Hiergegen hat die Antragsgegnerin rechtzeitig Widerspruch eingelegt und im Rahmen eines Hauptantrags die Zurückweisung des Löschungsantrags im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 5 vom 12./13. Oktober 2004 beantragt.
Anspruch 1 des Schutzbegehrens nach Hauptantrag vom 5. April 2005 hat folgenden Wortlaut:
1. Radnaben-Bremsscheibenanordnung (1) für Lastfahrzeuge, umfassend:
einen Achsendkörper (2), eine Radnabe (3), die gegenüber dem Achsendkörper (2) drehbar gelagert ist, einen Radflansch (5), der mit der Radnabe (3) verbunden oder mit dieser integriert ist, eine Einheit, bestehend aus einer ebenen Bremsscheibe (7) und einem Bremsscheibenverbindungstorus (8), die mindestens zweiteilig ausgeführt ist, wobei innerhalb der vorgenannten Einheit zwischen Bremsscheibe (7) und Bremsscheibenverbindungstorus (8) ein umlaufender Entkoppelungsbereich angeordnet, ist, wobei der Bremsscheibenverbindungstorus (8) an der Innenseite (7.1) der Bremsscheibe (7) beginnt und mit einem in Abstand von der Innenseite (7.1) der Bremsscheibe im Bereich der Felgenanbringungsposition (13) befindlichen Torusflansch (11) endet, und wobei der Torusflansch (11) mit dem Haltekopfring (4) des Radflanschabschnitts (5) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen der Innenseite des Bremsscheibenverbindungstorus (8) und der Außenseite der Radnabe (3) ein Belüftungsringkanal (10) ausgespart ist, der in Achsenrichtung zu beiden Seiten über mit über den Umfang des Rades verteilten Öffnungen (16; 40) mit der Umgebungsluft nach innen und außen in Verbindung steht wobei die Luft unterhalb der Bremsscheibe zum Fahrzeuginneren über die inneren Öffnungen (40) und über die äußeren Öffnungen (16) nach außen abfließen kann.
Bezüglich der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 wird auf die Akten verwiesen.
Das Deutsche Patent- und Markenamt (Gebrauchsmusterabteilung 1) hatte am 5. April 2005 die teilweise Löschung des Gebrauchsmusters 202 13 950 beschlossen, soweit es über die Schutzansprüche 1 bis 5 nach dem Hilfsantrag der Antragstellerin hinausgeht.
Anspruch 1 dieses Hilfsantrags hat den nachfolgenden Wortlaut, wobei die kursiv erscheinenden Merkmale in der Verhandlung am 5. April 2005 eingefügt wurden:
1. Radnaben-Bremsscheibenanordnung (1) für Lastfahrzeuge, umfassend:
einen Achsendkörper (2), eine Radnabe (3), die gegenüber dem Achsendkörper (2) drehbar gelagert ist, einen Radflansch (5), der mit der Radnabe (3) verbunden oder mit dieser integriert ist, eine Einheit, bestehend aus einer ebenen Bremsscheibe (7) und einem Bremsscheibenverbindungstorus (8), die mindestens zweiteilig ausgeführt ist, wobei innerhalb der vorgenannten Einheit zwischen Bremsscheibe (7) und Bremsscheibenverbindungstorus (8) ein umlaufender Entkoppelungsbereich angeordnet ist, wobei der Bremsscheibenverbindungstorus (8) an der Innenseite (7.1) der Bremsscheibe (7) beginnt und mit einem in Abstand von der Innenseite (7.1) der Bremsscheibe im Bereich der Felgenanbringungsposition (13) befindlichen Torusflansch (11) endet, und wobei der Torusflansch (11) mit dem Haltekopfring (4) des Radflanschabschnitts (5) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen der Innenseite des Bremsscheibenverbindungstorus (8) und der Außenseite der Radnabe (3) ein Belüftungsringkanal (10) ausgespart ist, der (sich) in axialer Richtung über die gesamte Länge des Bremsscheibenverbindungstorus bis axial durch die Bremsscheibe hindurch erstreckt, eine staufreie Luftführung ermöglicht und in Achsenrichtung zu beiden Seiten über mit über den Umfang des Rades verteilten Öffnungen (16; 40) mit der Umgebungsluft nach innen und außen in Verbindung steht, wobei die Luft unterhalb der Bremsscheibe zum Fahrzeuginneren über die inneren Öffnungen (40) und über die äußeren Öffnungen (16) nach außen abfließen kann.
Die sich daran anschließenden Ansprüche 2 bis 5 des Hilfsantrags sind identisch mit denjenigen des Hauptantrags.
Gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 5. April 2005 richtet sich die mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2005 eingereichte Beschwerde der Beschwerdeführerin und Antragstellerin. Sie beantragt, 1. den Beschluss vom 5. April 2005, soweit er die Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters 202 13 950 gemäß Hilfsantrag vom 5. April 2005 zum Gegenstand hat, aufzuheben und das Gebrauchsmuster 202 13 950 vollumfänglich zu löschen, 2. der Antragsgegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens vollständig aufzuerlegen, 3. zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu laden.
Die Antragstellerin argumentiert, der Gegenstand des Anspruchs 1 in der Fassung des von der Gebrauchsmusterabteilung 1 beschlossenen Schutzbegehrens gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Form hinaus, außerdem beruhe er nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 5. April 2006, eingegangen am 7. April 2006, gegen die Zurückweisung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag eine Anschlussbeschwerde erhoben. Sie hat beantragt,
- im Rahmen eines Anschlussbeschwerdeverfahrens festzustellen, dass das Gebrauchsmuster 202 13 950 nur insoweit teilgelöscht wird, soweit es über die Schutzansprüche des zum Beschluss vom 5. April 2005 gehörenden Hauptantrags hinausgeht.
Weiterhin beantragt sie,
- eine angemessene Kostenverteilung zu beschließen und - eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Hilfsweise beantragt sie,
- die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückzuweisen und ihr - die Kosten des Löschungsverfahrens aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin führt hierzu aus, sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag vom 5. April 2005 seien ursprünglich offenbart, der Gegenstand sei neu und beruhe auf einem erfinderischen Schritt.
In der mündlichen Verhandlung am 8. November 2006 wurden nur noch die Radnaben-Bremsanordnungen nach der DE 11 13 149 B und diejenige nach der DE 39 31 868 A1 angesprochen, der Pressespiegel (veröffentlicht durch BPW Bergische Achsen KG) wurde lediglich beispielhaft erwähnt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde sowie die Anschlussbeschwerde sind zulässig.
In der Sache bleiben beide Beschwerden jedoch ohne Erfolg, da der Löschungsantrag im vom angefochtenen Beschluss genannten Umfang erfolgreich ist.
1.a Zum Antrag der Anschlussbeschwerdeführerin, das Streitgebrauchsmuster im Umfang des Hauptantrags vom 5. April 2005 aufrecht zu erhalten:
a1 Zulässigkeit des Schutzbegehrens gemäß Hauptantrag Eine Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vom 5. April 2005 ist zulässig.
Anspruch 1 setzt sich zusammen aus Bestandteilen des eingetragenen Schutzrechts. Die Merkmale des Oberbegriffs stammen vom eingetragenen Anspruch 1.
Der kennzeichnende Teil setzt sich zusammen aus Merkmalen des Anspruchs 3 (dass zwischen der Innenseite des Bremsscheibenverbindungstorus (8) und der Außenseite der Radnabe (3) ein Belüftungsringkanal (10) ausgespart ist), Merkmalen von S. 7, Z. 29 bis S. 8, Z. 2 (ein Belüftungsringkanal ..., der in Achsenrichtung zu beiden Seiten über mit über den Umfang des Rades verteilten Öffnungen (16; 40) mit der Umgebungsluft nach innen und außen in Verbindung steht), Merkmalen von S. 11, Z. 12 bis 15 (wobei die Luft unterhalb der Bremsscheibe zum Fahrzeuginneren über die inneren Öffnungen (40) und über die äußeren Öffnungen (16) nach außen abfließen kann).
Die Ansprüche 2 bis 5 sind identisch mit den ursprünglichen Ansprüchen 4 bis 8.
a2 Schutzfähigkeit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag vom 5. April 2005 Eine Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach Anspruch 1 des Hauptantrags vom 5. April 2005 ist gegenüber einer solchen nach der DE 11 13 149 B nicht neu.
Die Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach Anspruch 1 des Streitgebrauchsmusters geht in seinem Oberbegriff aus von einem Stand der Technik, wie er in der DE 11 13 149 B gezeigt und beschrieben wird. Unwidersprochen sind auch Merkmale des Kennzeichens daraus bekannt.
Die Luftführung bei der Anordnung der DE 11 13 149 B ist mit Pfeilen 13 dargestellt. Danach tritt Luft am linken Rand der Figur 2 ein und wird nach Passieren der Bremsscheibe 3 gegen die Innenseite der Felge 1 ausgestoßen, von der sie mangels anderer Möglichkeiten nach rechts umgelenkt wird und dann austritt. Dies wird auch in einer Zusammenschau mit Figur 1 deutlich. D. h., aus der DE 11 13 149 B ist eine Radnaben-Bremsscheibenanordnung bekannt, bei der bereits vorgesehen ist, dasszwischen der Innenseite des Bremsscheibenverbindungstorus 2` und der Außenseite der Radnabe 2 ein Belüftungsringkanal ausgespart ist, der in Achsenrichtung zu beiden Seiten über mit über den Umfang des Rades verteilten Öffnungen (Öffnung 11, bzw. Öffnung am Ende des axialen Teils der Radnabe 2) mit der Umgebungsluft nach innen (Figur 2, rechts) und außen (Figur 2, links) in Verbindung steht, wobei die Luft unterhalb der Bremsscheibe zum Fahrzeuginneren über die inneren Öffnungen und über die äußeren Öffnungen nach außen abfließen kann.
Die Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts führt in ihrem Beschluss vom 5. April 2005 zutreffend aus, dass die Angabe "unterhalb der Bremsscheibe" als "nahe dem inneren Mantelbereich der Zentralöffnung der Bremsscheibe" zu verstehen ist. Diese Definition trifft auch für die Luftführung bei der DE 11 13 149 B zu. Hierbei erfolgt der Lufteintritt in die Bremsscheibe, respektive in die Lamellen, durch die nahe deren innerem Mantelbereich gelegenen Öffnungen. Außerdem fließt sie über äußere Öffnungen nach außen ab.
Mithin sind sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 aus der DE 11 13 149 B bekannt.
Anspruch 1 des Hauptantrags vom 5. April 2005 ist daher nicht neu. Damit hat die Anschlussbeschwerde vom 5. April 2006 der Anschlussbeschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin keinen Erfolg.
b Zum Antrag der Beschwerdeführerin, das Streitgebrauchsmuster im Umfang des Hilfsantrags vom 5. April 2005 zu löschen.
b1 Zum Löschungsgrund unzulässige Erweiterung nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 GbmG.
Die Beschwerdeführerin trägt diesen Grund zu dem in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung 1 aufgenommenen Einschub vor. Die restlichen Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag und auch die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 sind identisch zu denjenigen des Hauptantrags, weshalb diesbezüglich auf Punkt a1 (s. o.) verwiesen wird.
Der Einschub lautet: ein Belüftungsringkanal (10) ausgespart ist, der (sich) in axialer Richtung über die gesamte Länge des Bremsscheibenverbindungstorus bis axial durch die Bremsscheibe hindurch erstreckt, eine staufreie Luftführung ermöglicht und ....
Die gegenständlichen Merkmale ergeben sich dabei sowohl aus Figur 2 als auch aus der Beschreibung, S. 10, Z. 30 bis S. 11, Z. 5 (... Durch die Form des Bremsscheibenverbindungstorus 8 ist zum anderen ermöglicht, dass im Bereich der Aufnahmevertiefung 9 zwischen Außenseite der Radnabe 3 und Innenseite des Bremsscheibenverbindungstorus 8 ein Belüftungsringkanal 10 entsteht, der in Achsenrichtung nach innen und außen über die Öffnungen 16 beziehungsweise 40 mit der Umgebungsluft 5 in Verbindung steht).
Das Merkmal "eine staufreie Luftführung ermöglicht" ist dem Streitgebrauchsmuster wörtlich nicht entnehmbar, es ergibt sich als Eigenschaftsangabe für den angesprochenen Fachmann jedoch aus dem Gesamtzusammenhang, insbesondere aus den Textstellen auf S. 5, Z. 15 - 17: Der Belüftungskanal sollte über seine Länge im Wesentlichen denselben Querschnitt haben; er kann sich auch zu wenigstens einem seiner Enden hin erweitern.
S. 8, Z. 2 - 7: Wesentlich ist ferner, dass der Belüftungskanal 10, der vorliegenden Falle über seine Länge im Wesentlichen denselben Querschnitt hat, mit ausreichend dimensionierten Öffnungen nach außen (16) und innen (40) versehen ist. Der lichte Querschnitt soll dabei möglichst groß bemessen werden, ....
S. 8, Z. 17 - 18: Die Luft muss sich nicht stauen, sondern strömt nach innen oder außen ab.
S. 9, Z. 14 - 18: Der Radflansch 35 besitzt ferner gegenüber dem Innenrand 15 einen nach außen versetzten Übergangsbereich 35.4, in dem sich zahlreiche Durchgangsöffnungen 16 befinden, die einen Luftdurchlass in beide Richtungen, d. h. von innen nach außen und von außen nach innen, ermöglichen.
S. 11, Z. 6 - 10: Die Wärme, die sich beim Bremsen und nachträglich beim Stehen über den Bremsscheibenverbindungstorus 8 ihren Weg sucht, kann damit sowohl nach außen als auch nach innen über Konvektionsluft abgeführt werden. Die Luft muss sich nicht stauen, sondern strömt nach innen oder außen ab.
Die Zitate belegen, dass die dem Streitgebrauchsmuster zugrunde liegende allgemeine Aufgabe die Schaffung einer optimalen Belüftung, bzw. Luftführung ist. Dabei ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass der Begriff "staufrei" nicht absolut zu werten sein kann. Denn bspw. liegt auch beim Gegenstand des Streitgebrauchsmusters der Steg 18 im Strömungsweg. Allerdings vermittelt dem hier angesprochenen Fachmann bereits der Hinweis, der sich auf den Belüftungsringkanal 10 in der Beschreibung bezieht (S. 8, Z. 6 - 10 "Der lichte Querschnitt soll dabei möglichst groß bemessen werden, wobei allerdings die dem Fachmann bekannten Werte für Felgendurchmesser, Felgeninnenraum, Bremsen-Aggregate und Achsabmessungen konstruktive Optimierungen erfordern") die Lehre, er möge im Rahmen seiner Möglichkeiten für eine weitgehend widerstandsfreie Strömung sorgen.
Insofern ist das Merkmal durch die in den ursprünglichen Unterlagen enthaltene Offenbarung gedeckt.
Darüber hinaus bestand keine Veranlassung, den von der Beschwerdeführerin als solchen gerügten Begriff des "Entkoppelösungsbereich" der sich so in den Unterlagen nicht findet, richtig zu stellen. Ein Begriff "Entkoppelöungsbereich" taucht bereits in den ursprünglich eingereichten Unterlagen, vgl. Anspruch 1, bzw. in dessen Wiederholung auf S. 2 auf, während er auf Seite 7, 2. Absatz in richtiger Schreibweise nochmals vorkommt. Bei "Entkoppelöungsbereich" handelt es sich erkennbar um einen Schreibfehler des gedachten Begriffs "Entkoppelungsbereich". Etwaige andere Deutungen finden in den ursprünglich eingereichten Unterlagen keine Stütze.
b2 Zur Schutzfähigkeit des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag vom 5. April 2005 1. Die Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach Anspruch 1 des Hilfsantrags ist neu.
Eine Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach Anspruch 1 des Streitgebrauchsmusters ist neu gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik, da aus keiner der Entgegenhaltungen alle Merkmale einer solchen Anordnung hervorgehen.
So fehlt es der DE 11 13 149 B bereits an einem Belüftungsringkanal der sich in axialer Richtung über die gesamte Länge des Bremsscheibenverbindungstorus ... erstreckt. Denn während sich der, die radial äußere Mantelfläche des Bremsscheibenverbindungstorus bildende Ring 2« nach der DE 11 13 149 B in axialer Richtung von dem Torusflansch durch alle Lamellen der Bremsscheibe hin erstreckt, endet die radial innere Mantelfläche des Belüftungskanals, gebildet durch die umlaufende Radnabe 2, mit Abstand davor. D. h. der Belüftungsringkanal der DE 11 13 149 B erstreckt sich nicht "in axialer Richtung über die gesamte Länge des Bremsscheibenverbindungstorus".
Die DE 39 31 868 A1 und der "Pressespiegel" offenbaren zumindest keinen umlaufenden Entkoppelungsbereich im Sinn des Anspruchs 1.
2. Die gewerblich anwendbare Radnaben-Bremsscheibenanordnung nach Anspruch 1 des Hilfsantrags beruht auch auf einem erfinderischen Schritt.
Nach wie vor repräsentiert die DE 11 13 149 B den nächstkommenden Stand der Technik. Aus dieser Schrift geht eine Radnaben-Bremsscheibenanordnung mit den Merkmalen des Oberbegriffs nach Anspruch 1 hervor. Zudem ist ihr entnehmbar, dass zwischen der Innenseite des Bremsscheibenverbindungstorus 2«und der Außenseite der Radnabe 2 ein Belüftungsringkanal ausgespart ist, der in Achsenrichtung zu beiden Seiten über mit über den Umfang des Rades verteilten Öffnungen (Öffnung 11, bzw. Öffnung am Ende des axialen Teils der Radnabe 2) mit der Umgebungsluft nach innen (Figur 2, rechts) und außen (Figur 2, links) in Verbindung steht, wobei die Luft unterhalb der Bremsscheibe 3 zum Fahrzeuginneren über die inneren Öffnungen und über äußere Öffnungen 11 nach außen abfließen kann.
Der in seinen radialen Ausmaßen festgelegte Belüftungsringkanal nach der DE 11 13 149 B steht nur mittelbar axial zu beiden Seiten mit der Außenluft in Verbindung. Seine unmittelbare axiale Erstreckung reicht jedoch nur vom Torusflansch (in der Mitte der Figur 2) bis zum axial innen liegenden Ende der Radnabe 2.
Bedingt durch die zweimalige Umlenkung und die Zwangsführung zwischen den radial angeordneten Bremslamellen hindurch, wird eine staufreie Luftführung im Sinne des Streitgebrauchsmusters (s. o.) nicht ermöglicht. Bei der DE 11 13 149 B ist diese Forderung auch obsolet, da die Luftführung durch das speziell vorgesehene Gebläse zwangsunterstützt ist. Eine Stauwirkung tritt dabei nicht nur durch die Umlenkung selbst ein, sondern auch durch die o. a. Zwangsführung entlang der Bremslamellen, durch das Passieren der radialen Bohrungen 8 und durch die anschließende weitere Umlenkung.
Als zuständiger Fachmann wird im vorliegenden Fall ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau" mit langjährigen Kenntnissen und Erfahrungen im Bau von Fahrzeugbremsen angesehen. Auch wenn der im Anspruchssinn definierte axiale Bereich (s. o.) des Belüftungsringkanals nach der DE 11 13 149 B staufrei sein mag, erhält ein Fachmann in Kenntnis dieser Lehre keine verwertbaren oder weitergehenden Hinweise. Denn die Intention des Fachmanns kann es nicht sein irgendwelche Bezugspunkte so auszuwählen, dass sie gerade noch einer bestimmten Vorgabe entsprechen, ohne dabei allerdings das vorgegebene Ziel zu erreichen. Vielmehr muss er die für den zu erzielenden Zweck notwendigen Systemgrenzen so definieren - im vorliegenden Fall des Streitgebrauchsmusters den Bereich zwischen Eintritt und Austritt der Luft in den, bzw. aus dem zu kühlenden Abschnitt der Radnaben-Bremsscheibenanordnung - dass damit auch die zugrundeliegende allgemeine Aufgabe insgesamt einer Lösung zugeführt werden kann. Mit anderen Worten kann der Fachmann aus dem in der DE 11 13 149 B erkennbaren Belüftungskanal, der nur einen kleinen Teilbereich der axialen Erstreckung darstellt, keine Erkenntnis zur Lösung des im Streitgebrauchsmuster dargestellten Problems, nämlich der staufreien Luftführung durch die gesamte Bremse, gewinnen.
Ausgehend von diesem Technikstand ist es deshalb nicht möglich ohne einen erfinderischen Schritt zu den Merkmalen entsprechend dem Streitgebrauchsmuster zu gelangen.
In der DE 39 31 868 A1 ist eine Radnaben-Bremsscheibenanordnung beschrieben, umfassend, einen Achsendkörper 8, eine Radnabe 5, die gegenüber dem Achsendkörper 8 drehbar gelagert ist, einen Radflansch 9, 10, der mit der Radnabe 5 integriert ist, eine Einheit, bestehend aus einer ebenen Bremsscheibe 2 und einem Bremsscheibenverbindungstorus 3, die zweiteilig ausgeführt ist, wobei der Bremsscheibenverbindungstorus 3 mit einem in Abstand von der Innenseite der Bremsscheibe 2 im Bereich der Felgenanbringungsposition 9, 10 befindlichen Torusflansch endet, und wobei der Torusflansch mit dem Haltekopfring 9 des Radflanschabschnitts verbunden ist.
Der Bremsscheibenverbindungstorus 3 nach der DE 39 31 868 A1 ist bei einer zweiteiligen Ausführung der Einheit im Gegensatz zur gegossenen Bremsscheibe 2 als ein Stahlblechteil verwirklicht, wobei hinsichtlich der Verbindung zwischen den beiden Teilen Bremsscheibe - Bremsscheibenverbindungstorus keine Angaben gemacht werden. Der Bremsscheibenverbindungstorus selbst beginnt an der radialen Außenseite der Bremsscheibe.
Von dieser Ausbildung unterscheidet sich die Radnaben-Bremsscheibenanordnung gemäß Streitgebrauchsmuster somit dadurch, dass sie einen umlaufenden Entkoppelungsbereich aufweist und dass der Bremsscheibenverbindungstorus an der Innenseite der Bremsscheibe beginnt.
Zu den weiteren, von der Antragstellerin behaupteten Übereinstimmungen gemäß Kennzeichen gibt die DE 39 31 868 A1 keine schriftlichen Erläuterungen. In Kenntnis der Ausführungen der Streitgebrauchsmusterschrift mag die Figur der DE 39 31 868 A1 Übereinstimmungen damit aufweisen, obgleich es unwahrscheinlich erscheint, dass angesichts z. B. des radial außen liegenden Bremsscheibenverbindungstorus der Fachmann hierdurch einen Hinweis auf einen Belüftungsringkanal erhält.
Diese Entgegenhaltung beschäftigt sich aufgabengemäß auch mit der Vereinfachung eines Aufbaus einer Rad-Bremsen-Anordnung ohne Abstriche an der Funktionalität machen zu müssen. Als Folge davon findet die Luftführung in der DE 39 31 868 A1 nur ein einziges Mal Erwähnung. Dies geschieht in Zusammenhang damit, dass sich durch die Weiterbildung gemäß der Schrift konstruktive Gestaltungsmöglichkeiten für die Radscheibe sowie auch für die Luftführung um die Bremse ergeben (Sp. 1, Z. 29 - 32). Wie die Luft im Einzelnen geführt wird, wie eine Kühlung der Bremse erfolgen kann und ob evtl. weitere konstruktive Erfordernisse dafür notwendig sind, darüber erhält der Fachmann durch die Lektüre der DE 39 31 868 A1 keine Hinweise.
Figuren in Patent- und Gebrauchsmusterschriften sind - wie im vorliegenden Fall auch - jedoch üblicherweise Prinzipskizzen, die sich nur mit dem zu lösenden Problem auseinandersetzen bzw. diese Lösung plakativ demonstrieren wollen. Auf für die Lösung nicht relevante konstruktive Zusammenhänge gehen diese Darstellungen nicht ein. Insofern kann ein Fachmann bei der Auswertung der vorliegenden Figur nicht darauf vertrauen, dass z. B. alle wichtigen Kriterien der Luftströmung in der Figur berücksichtigt sind, respektive, dass zugunsten einer leichten Erfassbarkeit der für die Vereinfachung eines Aufbaus einer Rad-Bremsen-Anordnung relevanten Merkmale in der Zeichnung nicht auf andere für die Luftführung wichtigen Einzelheiten verzichtet wurde. Sollte der mit dem vorliegenden Problem betraute Fachmann die DE 39 31 868 A1 angesichts der vollkommen unterschiedlichen Aufgabenstellung überhaupt anziehen, kann er der Zeichnung allein daher keine Anregungen zur Lösung des vorliegenden Problems entnehmen.
Die Artikel im "Pressespiegel" (Entgegenhaltung 9) mögen einzelne konstruktive Einzelheiten zeigen, sie sind jedoch weder in ihrer zeichnerischen Aussagekraft, noch in ihrer Beschreibung in der Lage eine anspruchsgemäße Radnaben-Bremsscheibenanordnung nahezulegen. Diese Aussage gilt in gleicher Weise für die weiteren, zum Verfahren angezogenen, in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht mehr aufgegriffenen Schriften.
Nachdem eine staufreie Luftführung durch einen Belüftungsringkanal im Sinn des Streitgebrauchsmusters somit keiner dieser Entgegenhaltungen zu entnehmen war, erhält ein Fachmann auch aus deren Zusammenschau keine weitergehenden Hinweise, durch die er zu einer Radnaben-Bremsscheibenanordnung, entsprechend Anspruch 1 des Streitgebrauchsmusters ohne erfinderischen Schritt gelangen hätte können.
Anspruch 1 nach Hilfsantrag vom 5. April 2005 hat daher Bestand.
Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 beinhalten weiterbildende Merkmale, die nicht selbstverständlich sind.
2. Weder die Beschwerde der Antragstellerin noch die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin konnten daher Erfolg haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 3, S. 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 S. 1 und 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.
BPatG:
Beschluss v. 08.11.2006
Az: 5 W (pat) 439/05
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