Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 19. Oktober 2000
Aktenzeichen: 13 B 714/00
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 19.10.2000, Az.: 13 B 714/00)
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 12506/99 VG Köln wird angeordnet.
Die Kosten beider Rechtszüge trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 50.000,-- DM festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 1 K 12506/99 VG Köln zu Unrecht abgelehnt. Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragsgegnerin aus, weil der Beschluss der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) vom 23. November 1999 - BK 2c-99/012 - nicht frei von rechtlichen Bedenken ist und gewichtige Gründe der Entgeltregulierung, die ein sofortiges Wirksamwerden des vorgenannten Beschlusses erfordern, nicht erkennbar sind.
Mit der angegriffenen Beschlusskammer-Entscheidung ist die Feststellung getroffen, Angebote der Antragstellerin über Fernverbindungen im Sprachtelefondienst an Diensteanbieter/Wiederverkäufer (Reseller) zum Zwecke des Wiederverkaufs (Resale-Angebote) unterlägen der Genehmigungspflicht des § 25 Abs. 1 TKG. Der Senat hat allerdings keine Bedenken an der grundsätzlichen gesetzlichen Ermächtigung der RegTP zu einer derartigen Feststellung. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 24. August 2000 im Parallelverfahren 13 B 112/00 betreffend das Angebot der Antragstellerin von Ortsverbindungen im Sprachtelefondienst an Reseller verwiesen.
Bei der in der vorliegenden Verfahrensart nur möglichen überschlägigen Betrachtung hat der Senat auch keine durchgreifenden Bedenken an der - im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des a.o. Beschlusskammer-Beschlusses vorliegenden - marktbeherrschenden Stellung der Antragstellerin im Sinne des § 22 GWB a.F. (§ 19 GWB n.F.). Dabei beurteilt er die Marktbeherrscherposition in Bezug auf den hier maßgeblichen - bereits etablierten bzw. in der Etablierung begriffenen - Markt der Vorstufenprodukte für Sprachtelefondienstleistungen der Switchless Reseller im Fernbereich. Die marktbeherrschende Stellung der Antragstellerin folgt aus ihrer im Verhältnis zu ihren Wettbewerbern immer noch gegebenen überragenden Marktstellung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB im Endkundenmarkt der Fernverbindungen und aus dem Umstand, dass sie Eigentümerin eines großen Teils des für Fernverbindungen im Sprachtelefondienst eingesetzten Telekommunikationsnetzes ist. Allerdings beabsichtigt die Antragstellerin das streitbefangene Produkt nicht auf dem Endkundenmarkt, sondern auf den Teilmarkt der Vorstufenprodukte des switchless resale anzubieten und ist sie in diesem Markt noch nicht präsent. Soll jedoch das Gesetzesanliegen der Entgeltkontrolle nach dem Telekommunikationsgesetz auch in diesem Teilmarkt zur Wirkung kommen, kann und muss die Frage nach der künftigen Marktposition eines in den Markt einsteigenden Anbieters nur im Wege einer Prognose getroffen werden, die hier aus Sicht des Senats mit hinreichender Sicherheit möglich ist, die aber die Behörde nicht der Verpflichtung enthebt, die lediglich prognostische Markteinordnug des Anbieters nach gewisser Zeit seiner Präsenz im betreffenden Markt im Hinblick auf seine tatsächlich erlangte Marktposition zu überprüfen. Es spricht aus Sicht des Senats sehr viel dafür, dass die Antragstellerin nach Eintritt in den Teilmarkt der Vorstufenprodukte für Dienstleistungen des Switchless Resellers im Fernbereich der Sprachtelefonie alsbald eine ihrer Position im Endkundenmarkt entsprechende überragende Marktstellung i. S. d. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GWB erlangen wird. Auch wenn bereits eine große Zahl von Anbietern von Sprachtelefondienstleistungen im Fernbereich über ein eigenes Telekommunikationsnetz oder eigene Leitungen verfügt, ist die Antragstellerin doch immer noch Eigentümerin des überwiegenden Teils des für Fernverbindungen benötigten Netzes. Das übrige für Fernverbindungen eingesetzte Netz bzw. die übrigen Leitungen verteilen sich auf mehrere Anbieter und sind teilweise auf die Bedienung bestimmter Linien beschränkt. Von daher wird die Antragstellerin verglichen mit ihren Konkurrenten zu einem umfangreicheren Angebot an die Switchless Reseller in der Lage sein, ein vielfältigeres know how einbringen und vor allem ein Vollsortiment an Telekommunikationsdienstleistungen aus einer Hand anbieten können, während ihre Konkurrenten im zu betrachtenden Teilmarkt vielfach auf Zusammenschaltungen mit anderen Partnern, ggf. auch mit der Antragstellerin angewiesen sind. Das macht einerseits die Antragstellerin für Switchless Reseller attraktiver, andererseits engt dies die konkurrierenden Netzanbieter in ihrer Preisgestaltung ein. Als erster und wichtigster Zulieferer von Vorprodukten für die Switchless Reseller für Fernverbindungen wird sich daher voraussichtlich von möglichen Nischen abgesehen die Antragstellerin alsbald herauskristallisieren und den deutlich größeren Marktanteil erlangen. Es wäre unrealistisch anzunehmen, die Antragstellerin würde als ein auf Gewinnerzielung angelegtes Unternehmen den Verlust an Marktanteilen im Endkundenmarkt nicht durch die Wahrnehmung ihrer Marktchancen im Teilmarkt der Vorstufenprodukte für Fernverbindungen für Reseller auszugleichen versuchten.
Nicht frei von Bedenken ist jedoch, das von der Antragstellerin für den Resale-Markt vorgesehene Produkt, für welches sie ein Entgelt erheben will, als Sprachtelefondienst zu qualifizieren. Auch das hat der Senat in seinem Beschluss vom 24. August 2000 - 13 B 112/00 - bereits ausgeführt. Die dortigen Erwägungen gelten auch für den hier vorliegenden Fall der Fernverbindungen, so dass insoweit auf die Ausführungen des Senats im Parallelverfahren verwiesen werden kann.
Auch im vorliegenden Fall gebieten öffentliche Interessen nicht die sofortige Vollziehbarkeit des angefochtenen Beschlusskammer-Beschlusses für die Zeit bis zur Hauptsacheentscheidung, d.h. das sofortige Einsetzen der Mechanismen der Exante-Regulierung, insbesondere der Folgen einer fehlenden Entgeltgenehmigung. Der Antragsgegnerin ist eine Kontrolle der von der Antragstellerin vorgesehenen Entgelte für ihre Vorstufenprodukte für Sprachtelefondienstleistungen im Fernbereich durch Switchless- Reseller zumindest im Wege der Expost-Regulierung möglich, wovon auch die Antragstellerin ausgeht. Bei dieser Überprüfung kann sie nach § 6 TEntgV auch die Methode der Kostennachweisprüfung anwenden oder von bereits nachgewiesenen Kosten der Antragstellerin für ihrerseits auf dem Endkundenmarkt zu erbringende Sprachtelefondienste im Fernbereich abzüglich eventueller Kostenersparnisse durch Leistungen des Resellers ausgehen. Dass eine Expost- Preiskontrolle jedenfalls bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzureichend sei, ist nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund misst der Senat dem Interesse der Antragstellerin an einer schnellen Preisgestaltung und Reaktion auf Entwicklungen des hier zu betrachtenden Teilmarktes und damit dem Interesse an einem dynamischen Wettbewerb größeres Gewicht bei. Die Gefahr eines Preismissbrauchs der Antragstellerin mit Wirkung auf den Teilmarkt der Vorstufenprodukte oder auf den Endkundenmarkt erscheint dem Senat allenfalls gering. Im Gegenteil dürfte in den Märkten der Fernverbindungen für Sprachtelefonie eher die Antragstellerin einem Preisdruck durch alternative Netzbetreiber ausgesetzt sein.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 19.10.2000
Az: 13 B 714/00
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