Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Mai 2003
Aktenzeichen: 30 W (pat) 49/02

(BPatG: Beschluss v. 19.05.2003, Az.: 30 W (pat) 49/02)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 7. Januar 2002 aufgehoben.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung Nettpackfür die Waren

"Folien und Haushaltsprodukte nämlich Alufolie, Alu-Grillschalen, Frischhaltefolie; Frühstücksbeutel aus Kunststoff, Butterbrotpapier-Beutel, Bratschlauch aus Kunststoff, Mikrowellenfolie, Backpapier, Pizza-Papier, Alu-Kuchenformen, Kaffeefilter, Gefrierbeutel, Eiswürfelbeutel, Alu-Gefrierschalen, Müllbeutel, Abfallsäcke, Kosmetikeimerbeutel, Mülleimerbeutel, Zugbandsäcke aus Kunststoff, Gummihandschuhe, Einweghandschuhe, Kleiderschutzhüllen, Abdeckplane, Topfreiniger (Schwamm), Topfschrubber aus Metall, Topfschrubber aus Kunststoff, Vlies-Allzwecktücher, Dunstabzugsfilter aus Kunststoff, Alu-Menüschalen, Alu-Serviceplatten."

Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat durch einen mit der Wahrnehmung von Prüferaufgaben beauftragten Beamten des gehobenen Dienstes die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft sowie eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, der beschreibende Sinngehalt der angemeldeten Marke sei in der Bedeutung "ansprechende, gefällige, Packung, Verpackung" für den Verbraucher ohne weiteres erkennbar. Es sei nicht erforderlich, daß das Zeichen die Waren in einem unmittelbaren Wortsinn beschreibe. Vielmehr genüge es, wenn bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung einer Beschaffenheits- oder Bestimmungsangabe geweckt werde. Der Nachweis eines konkreten Freihaltebedürfnisses an der exakt angemeldeten Marke könne in dem zu bewältigenden Massengeschäft der Anmeldungen durch das Deutsche Patent- und Markenamt "nicht ernsthaft" eingefordert werden.

Die Anmelderin hat Beschwerde erhoben. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, der vorliegenden Zeichengesamtheit lasse sich kein irgendwie sinnvoller Bedeutungsgehalt entnehmen. Unter der Annahme einer deutschen Wortkombination sei der grammatikalische Zeichenaufbau ebenso wie die Beugungsform des ersten Zeichenbestandteils "nett" unrichtig. Da dieser im Englischen nicht existiere, bestehe auch kein Anlaß für die Annahme, die Bezeichnung entstamme der englischen Sprache. Im übrigen ergebe sich auch wegen der Bedeutungsverschiedenheit des Zeichenbestandteils "pack" kein sinnvoller und die entsprechend gekennzeichneten Waren beschreibender Bedeutungsgehalt.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg und führt weiterhin zur Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

1. Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung stehen die Vorschriften des § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG nicht entgegen.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle liegt keine beschreibende und damit freihaltungsbedürftige Sachangabe nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG vor.

Bezüglich des angemeldeten Zeichens ist bereits unklar, ob dieses in seiner Gesamtheit der deutschen oder der englischen Sprache zugeordnet werden soll.

Im ersteren Fall steht das Adjektiv "nett" für "freundlich und liebenswert, im Wesen angenehm, hübsch und ansprechend" (DUDEN Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl, 2001 S 1134). Mit "Pack" wird sowohl ein "weniger umfänglicher Packen besonders von kleineren Dingen gleicher oder ähnlicher Art" (zB ein Pack Wäsche), "Gepäck", aber auch eine "Gruppe von Menschen, die als asozial, verkommen oder uä verachtet, abgelehnt wird" (DUDEN aaO, S 1175), bezeichnet. Unter Heranziehung dieser Bedeutungen kann die gegenständliche Bezeichnung schon wegen der nur adjektivischen Verwendung von "nett" nicht annähernd auf einen beschreibenden Inhalt zurückgeführt werden. Die gegenteilige Auffassung der Markenstelle, die eine ansprechende/gefällige Packung/Verpackung angenommen hat, läßt die Grundsätze der sprachlichen Deklination des Adjektivs "nett" völlig außer Betracht. Ihre Auffassung, das Zeichen sei sprachüblich gebildet worden, kann nicht nachvollzogen werden.

Der Annahme einer - von der Markenstelle nicht geprüften - englischen Wortverbindung steht entgegen, daß der Zeichenbestandteil "nett" im vorgenannten Sinn in der englischen Sprache nicht belegbar ist. Allenfalls steht dort "nett" für "net" im Sinne von "netto" (DUDEN OXFORD, Großwörterbuch Englisch, 1990, S 476f.). Übersetzt man "pack" als "Bündel" (DUDEN OXFORD aaO, S 506), fehlt es mit "Netto-Bündel" ebenfalls an einem sinnvollen Bedeutungsinhalt.

Die von der Markenstelle angenommene Bedeutung ließe sich allenfalls dann erklären, wenn man entsprechend den englischen Sprachregeln eine Deklination des (deutschen) Adjektivs "nett" unterläßt. Insoweit erscheint jedoch die Annahme einer sprachüblichen Bildung der Gesamtbezeichnung fernliegend.

Bereits wegen dieser Sprachregelwidrigkeit ist ein Freihaltungsbedürfnis nicht gegeben. Eine weitergehende Überprüfung, ob eine ggf angenommene Sachaussage in Verbindung mit den beanspruchten Waren einen sinnvollen Sinngehalt ergibt, erübrigt sich daher.

Wegen seiner sprachregelwidrigen Bildung kann dem Zeichen auch Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) nicht abgesprochen werden.

2. Die konkrete Sachbehandlung durch die Markenstelle rechtfertigt die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 71 Abs 3 MarkenG.

Gegenüber dem Grundsatz der vom Verfahrensausgang unabhängigen Gebührenpflichtigkeit der Beschwerde kommt eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nur ausnahmsweise in Betracht. Sie wird nur in den Fällen angeordnet, in denen es aufgrund der besonderen Umstände unbillig wäre, die Beschwerdegebühr einzubehalten (Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 71 Rdnr 37 mwNachw). Die Rückzahlungsgründe sind dabei nicht auf Verfahrensfehler des Deutschen Patent- und Markenamtes beschränkt. Vielmehr sind auch die materiellrechtliche Vertretbarkeit und die Begründung der angefochtenen Entscheidung in die Prüfung einzubeziehen (Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 71 Rdnr 32). Wegen des Ausnahmecharakters einer derartigen Anordnung genügt bei materiellrechtlichen Fehlern der Markenstelle allein der Umstand, daß der erkennende Senat der rechtlichen Bewertung nicht folgt, regelmäßig nicht. Eine genaue Grenzziehung, wann bei derartigen materiellen Fehlern eine Rückzahlung in Betracht kommt, ist vorliegend nicht veranlaßt. Die Voraussetzungen hierfür sind jedenfalls dann gegeben, wenn der angefochtene Beschluß den Prüfungsumfang nach dem Markengesetz eklatant verkennt und die angefochtene Entscheidung in ihrer Begründung und ihrem Ergebnis schlechterdings unvertretbar ist.

Diese besonderen Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Markenstelle geht zum Prüfungsumfang offenbar davon aus, daß eine Befassung mit den Besonderheiten der angemeldeten Bezeichnung nicht veranlaßt ist und es insoweit bei der bloßen, nicht näher reflektierten Feststellung der sprachüblichen Bildung eines beschreibenden Sinngehalts sein Bewenden hat. Damit verkennt die Markenstelle die rechtlichen Voraussetzungen einer Markeneintragung. Nach § 33 Abs 2 Satz 2 MarkenG hat der Anmelder einen Anspruch auf Eintragung der Marke, sofern nicht ein absolutes Eintragungshindernis der Eintragung entgegensteht. Die entsprechende "Darlegungslast" für ein derartiges Hindernis trägt die zuständige Markenstelle (§§ 37, 59 Abs 1 MarkenG). Der Markenstelle obliegt daher auch eine Überprüfung in tatsächlicher Hinsicht (vgl BPatG BlPMZ 2003, 164 - Feststellungspflicht). Entgegen der im angefochtenen Beschluß geäußerten Auffassung ist die Prüfung in tatsächlicher Hinsicht nicht im Sinne eines nur summarischen Verfahrens beschränkt. Vielmehr hätte die Markenstelle im vorliegenden Fall zunächst das Anmeldezeichen kurz sprachlich analysieren müssen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls in einem zweiten Schritt zu prüfen gehabt, ob der danach ermittelte Bedeutungsinhalt für die angemeldeten Waren beschreibend ist. Daran fehlt es hier.

Eine derartige Sachprüfung hätte im übrigen nur die Heranziehung eines deutschen und eines deutsch/englischen Wörterbuchs sowie - bei Zweifeln über die Deklination von Adjektiven im Deutschen - einer deutschen Grammatik erfordert. Auch die Überprüfung, ob die von der Markenstelle angenommene Bedeutung für die beanspruchten Waren, die sich zudem unschwer auf einige Oberbegriffe zurückführen lassen, beschreibend wäre, ist unerläßlich.

Aus den bereits oben unter Ziffer I dargelegten Erwägungen ist daneben die Begründung der angefochtenen Entscheidung, die sich praktisch nicht mit den Besonderheiten des konkret angemeldeten Zeichen auseinandersetzt und statt dessen durch bausteinartige Textpassagen nicht veranlaßte Fragen bis hin zum europäischen Verbraucherleitbild aufwirft, schlechthin unvertretbar.

Die erforderliche Kausalität zwischen dem festgestellten Fehlverhalten und der Notwendigkeit der Beschwerdeeinlegung ist gegeben. Es kann vorliegend ausgeschlossen, daß bei einer ordungsgemäßen Prüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, insbesondere unter Berücksichtigung des Eintragungsanspruch nach § 33 Abs 2 Satz 2 MarkenG, inhaltlich dieselbe Entscheidung ergangen wäre.

3. Der Senat hat von einer Zurückverweisung nach § 70 Abs 3 Nr 1 MarkenG abgesehen und in der Sache selbst entschieden. Hierfür war insbesondere maßgebend, daß die Sache ohne weitere erhebliche Feststellungen entscheidungsreif ist (vgl BPatG aaO).

Dr. Buchetmann Winter Schramm Ko






BPatG:
Beschluss v. 19.05.2003
Az: 30 W (pat) 49/02


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